Ich habe dieses auch so erlebt. Schon als Kind stand ich unter einem enormen Druck, gesellschaftliche Konventionen erfüllen zu müssen, auch wenn ich deren Sinn für mich nicht einsah und dieser Sinn für mich persönlich auch nicht gegeben war. Ich musste diese gesellschaftlichen Konventionen formal erfüllen, weil man dieses so von einem Vorbild, und diese Funktion hatte und habe ich leider mein Leben lang inne, erwartet und einfordert. Mit der Kleidung legte ich also diesen Zwang ab, jetzt ein Vorbild sein zu müssen und war außerhalb der Gefahr auf Menschen zu stoßen, die von mir diese Vorbildfunktion verlangten und glaubten, dieses von mir verlangen zu können. Erst als ich mir dessen bewusst war, konnte ich ein Gefühl zur Natürlichkeit aufbauen. Und auch die Menschen, die ein sehr konservatives Bild von dem haben, was natürlich ist und was nicht, konnten diese meine hinzugewonnene Freiheit nicht mehr zerstören.
Aha. Und wo und wie und wann hast Du dann diese Freiheit ausgelebt? Nur zu Hause? Oder als einsamer Wanderer in der Natur?
FKK ist eben mehr als nur mal irgendwo die Kleidung abzulegen. FKKler sind frei von gesellschafltichen Konventionen, wenn sie nackt auf FKK-Plätzen sind, wo es niemand interessiert, welchen Beruf sie haben oder in welchen gesellschaftlichen Umfeldern sie normalerweise im Allttag leben. Deshalb schadet es auch keiner Vorbildfunktion, die man da normalerweise hat. Man muß das ja auch nicht überall herumposaunen, daß man in seiner Freizeit oder im Urlaub FKK macht. Der größte Teil der Gesellschaft versteht das eben nicht und kennt das auch nicht.
Mein Vater war auch in unserer kleinen Stadt ein bekannter Mann, als Gymnasiallehrer und auch sonst in der Öffentlichkeit tätig. Aber niemand hatte einen Grund, wegen seiner FKK ihn als Vorbild anzuzweifeln. Es gab nur noch 3 andere Leute, auch Kollegen, die das auch wußten und selber FKK gemacht haben. Aber auch diese hatten damit kein Problem. Was man im privaten Bereich machte, ging eben niemand was an. Der Verein war in Nürnberg. Aber selbst die Mitglieder, die auch in Nürnberg wohnten, hatten dort kein Problem, trotz ihrer Berufe, die teilweise sicher auch in der Öffentlichkeit ausgeübt wurden und mit viele Leuten zu tun hatten, wie Lehrer oder Pfarrer oder Betriebsleiter oder was auch immer. Selbst wenn sie in der städtischen Politik tätig waren, war es noch kein Problem. Höchstens vielleicht als Bürgermeister wäre das vielleicht ein Problem gewesen, direkt vor Ort FKK zu machen. Aber im Urlaub weit weg interessierte es auch da niemanden.
Warst Du etwa Bürgermeister deiner Stadt?
Ein früherer Bürgermeister unserer Stadt hat vor seiner Wahl zum Bürgermeister den hiesigen FKK-Strand am Brombachsee in die Wege geleitet. Aber das wußten die meisten Leute eben nicht. Als er dann Bürgermeister war, kam er nicht mehr zum Strand, weil er dann eben zu bekannt dafür war und die Gefahr bestand, daß viele Nicht-FKKler ihn abgelehnt hätten. Aber es hinderte ihn nicht daran, woanders FKK zu machen.