Schade, daß es für diese umfassende Beschreibung hier keine "gefällt mir"-Sternchen zum Verteilen gibt!
Hans H. hat geschrieben: Nach meinen Beobachtungen war ein Höhepunkt der Sexualisierung der Gesellschaft in der ersten Hälfte der 1970er Jahre erreicht und ist danach drastisch zurückgegangen. Die heutige Jugend und die Jugend der 1980er bis 1990er Jahre hatte und hat überwiegend eine stark ablehnende Haltung gegenüber Zeitschriften, Internetdarstellungen und Videos dieses Genres. Zitat: "Das ist langweilig und ohne Handlung". Das war damals ganz anders. Man hat zu meiner Studentenzeit nicht nur völlig offen über Pornoangebote gesprochen, sondern auch die Hefte und Videokassetten unversteckt ausgetauscht und sich zu entsprechenden Filmabenden verabredet.
Da ich dagegen nach einer einzigen Teilnahme an so einem Filmabend (so etwa 1970) eine ablehnende Haltung deutlich ausgesprochen habe, wurde ich von vielen als prüde bezeichnet (andere mit meiner Meinung hatten sich mit Aussagen eher zurückgehalten).
(...)
Damals (ab 1968 oder schon davor bis mindestens 1980) war es aber absolut üblich unter Studenten, nackt zu baden, auch Bilder davon beim Dia-Abend offen zu zeigen, und wo man nur konnte, sich in der Natur textilfrei zu sonnen. Out war, wer da nicht mitgemacht hat. Sogar bei einem unserer Kurse im Sportinstitut, als es um Tourenplanung und Lawinenkunde ging, wurde vom Assistenten offen erwähnt, wo es am Rand einer schönen Tour nicht einsehbare Plätze in der Sonne gibt. FKK war absolut "in" und man hat offen darüber geredet, es auch so bezeichnet, aber genauso offen auch über Pornofilme etc. geredet. Niemand kam auf die Idee, die beiden Themen in Verbindung zu bringen. Die hatten auch damals nichts miteinander zu tun, aber man hat als direkte Nachfolger der 68er Generation eine völlige Offenheit in die beiden Richtungen entweder gelebt, oder zumindest toleriert. Diese Offenheit gibt es seit mindestens 25 Jahren zu beiden Themen absolut nicht mehr.
Ich glaube, diese Schilderung des Wandels des Zeitgeists kann man rahmen lassen. Stärkt mein Bedauern über die späte Geburt, die 70er diesbezüglich nicht mehr miterlebt zu haben.

(Abgesehen von den "wilden" 20ern.)
Ich kenne es noch von Ende der 80er Jahre, als Bäder wie das Miramar drei stets gut besuchte FKK-Abende in der Woche hatten. Offenbar gab es bei solchen Gelegenheiten auch Orte und Zeiten wo sich Leute aus oben erwähnten Gruppen trafen, die aber kein sündhaft teures Videogerät besaßen. Ich selbst habe in meiner jugendlichen Unbedarftheit zwar nie auch nur andeutungsweise etwas davon bemerkt, aber den Schilderungen eines etwas älteren Begleiters nach muß ich im Rückblick davon ausgehen, daß zu später Stunde in abgelegenen Bereichen Dinge stattfanden, die der heutigen Satzung diverser FKK-Bünde entgegenstehen.
Bis Mitte der 90er kamen an einem Badesee noch vereinzelt kleinere Studentengruppen, eher enge Freunde als eine Seminargruppe, zum Nacktlernen an den Badesee, aus der einige Kilometer entfernten Unistadt per Fahrrad. Bücherlesen, Sonnen, Baden und dann wurde gepicknickt oder gar illegal ein Einweggrill angeworfen. Entsprechend war das Gelände einfach ein seit Jahrzehnten in Ruhe gelassener Badesee mit ungeklärter Rechtslage, weil es einfach egal war.
Heute gilt dort eine mehrseitige Polizeiverordnung, FKK ist nur noch auf einem Präsentierteller neben dem autobahnähnlich ausgebauten Spazierweg erlaubt und nicht mehr in den geschützten Bereichen.
Wo heute bereits die erkennbare Pflege der eigenen Intimbehaarung zu einem Aufstand des Mobs führt, ist kaum vorstellbar, daß so eine Toleranz der unterschiedlichen Radikalitäten (ein Begriff aus der Demonstranten- und Aktivistenszene, wo sich die einen über die "Steinewerfer" aufregen und die anderen über die "Latschdemos", während sich der Staat als Täter kaputtlacht, wie sich seine Opfer gegenseitig zerfleischen) jemals wieder funktionieren kann.
Die "reinen" FKK-Anhänger vergessen dabei genauso wie irgendwelche Demonstranten, die anderen aus ihrer Gruppe Vorschriften machen wollen, daß sie insgesamt zu einer Minderheit gehören, die von der uninformierten Masse der Bevölkerung bestenfalls ignoriert, auf Nachfrage aber vehement abgelehnt wird.
Früher galt, daß man selbst etwas tut, und jemand anderes tut etwas anderes, und das bleibt einfach so stehen.
Heute meint jeder, allen anderen vorschreiben zu dürfen, was sie zu tun und zu lassen haben und daß sie genau nach seinen Vorstellungen leben, denken und handeln müssen. Dabei ist jeder selbstverständlich so extrem tolerant wie noch nie vor ihm jemand war, außer natürlich gegen Dinge, die man nicht tolerieren kann. Also so verachtenswerte Sachen wie Mord, Vergewaltigung, Fleischessen, Autofahren, ungegenderte Berufsbezeichnungen und Intimschmuck.
Daß in einem solchen Klima die Freiheit, sich einfach irgendwo nackt aufzuhalten, oder auch die Freiheit einen Pornoabend zu veranstalten, komplett verschütt geht, leuchtet ein.