von Hans H. » Fr 2. Dez 2016, 01:27
Ja, richtig: deswegen schrieb ich doch: "Es gibt andere Bereiche, ..." weil schließlich bekannt ist, dass es so manche angeborene Verhaltensweisen und Empfindungen gibt, die aber durch Lernen anderer Verhaltensweisen überdeckt werden können und weil ich sagen wollte, dass diese Argumentation mit der Ur-Psyche hier nicht anwendbar ist. Ich schrieb zwar nicht wie du, dass es im hier diskutierten Zusammenhang die Ur-Psyche nicht gibt, sondern, dass wir es nicht wissen können, wie ein Kind sich in diesen Punkten ganz ohne Einfluss einer Kultur entwickeln würde, weil es dafür kein Beispiel gibt und nicht geben kann.
Falls eine ursprüngliche Empfindung dazu existiert, dann ist sie so unterschwellig gering, dass sie sich nicht auswirkt, sondern die Menschen je nach Entwicklung, Lernen und Erfahrung in der Kindheit da ganz verschieden empfinden. Das könnte so nicht sein, wenn es eine deutliche angeborene Empfindung gäbe (das ist jetzt mal nicht unbedingt wissenschaftlich, sondern sehr vereinfacht ausgedrückt). Ich denke, da unterscheiden sich unsere Aussagen nicht im Inhalt, sondern nur in Kleinigkeiten der Ausdrucksweise.
Du schreibst: "... ... sind zwar auch angeboren, aber in diesem Zusammenhang etwas anderes – wir sollten das nicht miteinander vermischen und deswegen auch nicht hier nennen." Ja, hier sollten wir das nicht miteinander vermischen, aber mein Einwand beruhte schließlich darauf, dass hier behauptet wurde (weiß nicht mehr von wem - da müsste man zurückblättern), es gäbe eine Ablehnung (bzw. Begründung für Verbotsregeln) aufgrund der angeborenen psychischen Empfindungen. Meine persönliche (also die von mir empfundene und weiter vorn geschriebene) Ablehnung in der Sache beruht klar auf der Kultur in der ich aufgewachsen bin. Das ist mir völlig klar und daher behaupte ich nicht, man könne an den Gegebenheiten der kulturellen Gewöhnung (oder wie man das sonst nennen will) nichts ändern.
Wenn du von "tabula rasa in einem Kind" sprichst, dann widerspreche ich dem nicht in Bezug auf eine bestimmte Art von Scham. Dass es die die angeborene Fähigkeit gibt, sich zu schämen, schriebst du ja selbst. Die größte Scham in früheren Zeiten war arm zu sein. Sich bei entsprechendem Anlass (Baden) nackt zu zeigen, war zu der Zeit kein Grund für Scham, denn jeder konnte ja an den abgelegten Kleidern sehen, dass man gute Kleider besaß.
Arme Leute hatten aber wenig oder nahezu nichts, sich anzuziehen. Da wurden auch notdürftig Ersatzkleider aus Säcken zusammengebastelt. Dafür hat man sich geschämt. Ich habe mal die Theorie gelesen, dass sich die Scham vor Nacktheit daraus entwickelt hat, dass die Nacktheit für Armut stand. Vorstellbar ist es schon, dass dies der Ursprung einer solchen Scham war. Was über die mittelalterlichen Einflüsse der kirchlichen Verbote dann daraus wurde, will ich hier nicht ansprechen - das hatten wir bereits früher diskutiert.
Wenn du schreibst "Nun, ich bestreite, dass es so etwas wie eine Ur-Psyche gibt", solltest du das wirklich auf den hier diskutierten Sachverhalt begrenzen. Es gibt die Ur-Psyche eindeutig in Bezug auf andere Dinge. So wurde in den vergangenen Jahren wissenschaftlich klar bewiesen, dass Angst vor Spinnen eine solche angeborene Ur-Psyche ist, lediglich die Größe der Spinnen, die diese Angst auslöst, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Diese Angst hat sich in der Evolution als Schutzmechanismus vor Giftspinnen herausgebildet, damit vor Allem in der Natur spielende Kinder beim Anblick von Spinnen zurückweichen. Jeder Urinstinkt kann beim Menschen (teils auch bei Haustieren) durch Lernen überdeckt werden. Wer regelmäßig mit Spinnen umgeht, verliert diese Angst gänzlich, ist aber durch seine Kenntnisse im Umgang mit den Spinnen auch geschützt.