Aktuelle Zeit: Sa 27. Apr 2024, 19:14

FKK-Freunde.info

Das deutsche FKK-Forum

Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Alles rund um das Thema FKK
 
Beiträge: 3532
Registriert: 29.11.2005
Wohnort: Bremen

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von Tim007 » Di 13. Nov 2018, 10:26

Du hast mich überzeugt.
Ich ziehe mich aus für Angela Merkel.

Im Übrigen ist es natürlich so, dass gesellschaftliche Entwicklungen auch Einfluss auf politische Entwicklungen haben. Hatte sogar Marx mal festgestellt. Aber man kann aus der Lust am Nacktsein nicht umgekehrt schließen, dass darin ein Politikum zu erkennen ist.

So habe ich auch meine Probleme mit Deiner Analyse. Nur zwei Punkte rausgegriffen:

Die erste Welle der Nackt- oder Freikörperkultur fiel nun einmal mit der ersten deutschen Demokratie zusammen


Das glaube ich nicht. Bereits Ende des 19 Jahrhunderts gab es die "Wandervögel". Instruktiv Wikipedia:
"Als Wandervogel wird eine 1896 in Steglitz (heute Berlin) entstandene Bewegung hauptsächlich von Schülern und Studenten bürgerlicher Herkunft bezeichnet, die in einer Phase fortschreitender Industrialisierung der Städte und angeregt durch Ideale der Romantik sich von den engen Vorgaben des schulischen und gesellschaftlichen Umfelds lösten, um in freier Natur eine eigene Lebensart zu entwickeln."

Mit der Demokratie war es nicht weit her.

Oder, im 18. Jhdt., Rousseau. Das ging, soweit ich unterrichtet bin, auch mit einer Nacktwelle einher.

Eine weitere Analyse ist zumindest ausbaufähig:

Da wo sich Menschen nicht frei fühlen, weil ihr Selbstbestimmungsrecht durch Markt und Wirtschaft eingeschränkt wird, werden sich Menschen auch nicht unbeschwert ihrem Hobby hingeben können.


Natürlich. Wer hungert, muss sich zuerst um sein täglich Brot kümmern. Ausbaufähig wäre diese These von Deinem Standpunkt aus aber auch für die Fälle, dass das Selbstbestimmungsrecht durch Ideologien eingeschränkt wird, wie es in der DDR der Fall war. Sie würde dadurch sogar bestätigt werden, da FKK mit zunehmender Drangsalierung zunahm.

Und gleichzeitig würde sie widerlegt werden, weil es gerade nicht der "liberale Geist" war, der das Nacktsein in der DDR befeuerte. Denn darüber sollten wir uns einig sein: Liberalität war nicht das besondere Kennzeichen der DDR.

 

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von hajo » Di 13. Nov 2018, 12:38

Wir leben alle in einer Gesellschaft.

Und alle auch einzeln.

Wer das nicht glaubt, möchte an seine Sitzungen auf dem Klo denken. Selten, dass da jemand dabei ist (und wenn, ist das womöglich krankheitsbedingt).

Will sagen:
JEDER hat nach wie vor das Recht, sein Leben in einem gewissen Bereich selbst zu bestimmen.

Beispiel ich:
Ich lebe seit Jahrzehnten nackt.
Zuhause immer.
Egal, was ist. Egal, wer kommt.

Im Urlaub - weitaus meistens. Angepasst an die Umstände.

Ich fahre nackt Rad - zum ersten Mal mit etwa 10 oder 11 Jahren.
Im Auto oft nackt, selbst in der kühlen Jahreszeit.
Bade nackt in Tümpeln, Seen, Meer.
Wandere nackt. Stundenlang
(alles Temperatur abhängig).

Provozieren?
Nein. Wieso DAS denn?
Ich möchte SEIN dürfen!


Ich finde es gut, wenn Mitmenschen mitmachen.
Muss aber nicht sein. Mögen sie dulden, "erdulden".
Denn ich bin nackt nicht anders als bekleidet (außer in meinem Inneren - was aber nur echte Experten von außen bemerken könnten).

Für MICH ist Kleidung Zwang.
Immer. Selbst, wenn sie Schutzkleidung ist.
Also Not(!)wendigkeit.

Wer "Wellen" braucht, wer auf "Trends" achtet, Moden mitmacht, sich einem Gruppendruck beugt, der ist nicht frei.
Wer tut, was angesagt ist, der ist nicht "Selbst". Der ist manipulierbar (was er ja gerade zeigt durch Piercings, Glatze, Tattoos, zerrissene Jeans...).
"Frei" ist anders.

Wer versucht(!) frei(er) zu leben, der kann differenzieren.
Nicht immer objektiv.
Aber das liegt in der Natur.
Nein: nicht der Sache.
Des Menschen.

Insofern hat Aria Recht.

Die weitaus meisten Menschen sind nicht "frei".
Sie wollen es nicht!

Zitate:
"Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt." Immanuel Kant (1724-1804)

"Die Freiheit besteht darin, daß man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet."
Matthias Claudius (1740-1815)

"Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern darin, daß er nicht tun muß, was er nicht will."
Jean-Jacques Rousseau (1712-78)

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5133
Registriert: 24.01.2012
Wohnort: München
Geschlecht: Weiblich ♀

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von Aria » Di 13. Nov 2018, 13:01

Tim007 hat geschrieben:Wenn ich also nackt in meinen See springe, pflege ich das Revoluzzertum und protestiere gegen die "geistig-moralische" Wende.

Spannend, was man hier alles so lernt.
Gewiss, Tim, kannst du, können wir alle, nackt baden, ohne das als einen politischen oder revolutionären Akt zu verstehen. Aber wir können das heute (ungefährdet) nur tun, weil andere vor uns dieses Recht erkämpft haben, ja im Gefängnis gesessen sind. Insofern zeugt dein Gerede nur eines: Geschichtsvergessenheit.

Die Wandervögel waren der Anfang, aber richtig durchgesetzt hat sich die FKK erst nach dem I. Weltkrieg, als die alten Eliten abdanken und auch ganz andere Dinge – Frauenwahlrecht! – zulassen mussten. Ähnliches geschah es bei der 68-Bewegung, als die alten Eliten angesichts dessen, was sie in den 1930er und 1940er angerichtet haben, meist schweigend tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen zulassen mussten.

Aber Menschen mit liberalen Ansichten wurden noch nie lange an der Macht geduldet – außer natürlich in den Großstädten, wo die soziale Kontrolle praktisch nicht existiert, und wo Studenten eine große, aber meinungsstarke Minderheit bilden. Leute auf dem Land draußen denken allerdings anders und sorgen meistens binnen 10-20 Jahre dafür, dass reaktionäre Kräfte letztlich doch ihre Positionen zurückgewinnen – natürlich mit Hilfe der einstigen Studenten, die nun, an den Hebeln der Macht angelangt, um ihre Pfründe fürchten.

Das ist der Lauf der Dinge, mein lieber Tim, mit etwas Nachdenken hättest auch du das herausfinden können.

 

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von hajo » Di 13. Nov 2018, 13:51

Aria hat geschrieben:Insofern zeugt dein Gerede nur eines: Geschichtsvergessenheit.

Die Wandervögel waren der Anfang, aber richtig durchgesetzt hat sich die FKK erst nach dem I. Weltkrieg, als die alten Eliten abdanken und auch ganz andere Dinge – Frauenwahlrecht! – zulassen mussten. Ähnliches geschah es bei der 68-Bewegung, als die alten Eliten angesichts dessen, was sie in den 1930er und 1940er angerichtet haben, meist schweigend tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen zulassen mussten.

Aber Menschen mit liberalen Ansichten wurden noch nie lange an der Macht geduldet ...
Leute auf dem Land draußen denken allerdings anders und sorgen meistens binnen 10-20 Jahre dafür, dass reaktionäre Kräfte letztlich doch ihre Positionen zurückgewinnen...

Das ist der Lauf der Dinge...

Mag ja alles sein.

Aber WARUM?

Weil "die Menschen" alle so FREI sind, selbst zu entscheiden?

Es mag ja stimmen, dass Mächtige ihre Macht auszuüben gedenken.

Das jedoch liegt an der Unmündigkeit (Kant), die ALLE diejenigen jederzeit demonstrieren, die sagen: "das macht man nicht!", "wie siehst DU denn aus?!", "das ist doch nicht mehr hip"...

Muss man eigentlich Mitmenschen zu ihrem Glück ZWINGEN?

Wenn ja, dann darf man sie doch wohl auch in ihrem Unglück belassen...
Oder?

Das ist hier mein Problem:
Es stimmt, dass wir wollen, eine Gesellschaft zu erreichen, die uns Sicherheit und Freiheit ermöglicht.
Dafür sorgen sollen allerdings andere.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hat geschrieben:Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Schön.
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung.
Wer oder was ist das?

Das GESETZ?

Das "Volk"? Gehören Geflüchtete dazu? Wenn ja, zu welchem "Volk"?
Der Wille des Volkes bildet die Grundlage für die Autorität der öffentlichen Gewalt; dieser Wille muß durch regelmäßige, unverfälschte, allgemeine und gleiche Wahlen mit geheimer Stimmabgabe oder einem gleichwertigen freien Wahlverfahren zum Ausdruck kommen.
Abdankende Eliten, geduldete Liberale und "Leute auf dem Land draußen" sind die auch "Volk"...

Oder?

Benutzeravatar
 
Beiträge: 434
Registriert: 27.08.2018
Wohnort: Thüringen
Geschlecht: Männlich ♂
Alter: 61

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von HTJ » Di 13. Nov 2018, 15:11

Ich finde es gut, daß noch jemand die Gruppendynamik hereingenommen hat, entsprechend der Threadüberschrift. Es ist aber nicht so, daß die Jugend immer auf Revolte aus ist. Es ist ja nur so, daß junge Leute immer aufgeschlossener sind gegenüber neue Dingen, dagegen hängen ältere Leute immer lieber an älteren Dingen. Erst wenn sich da ein Gegensatz ergibt revoltiert die die Jugend. Die große Zeit des FKK hat meiner Meinung nach bis Ende der 1990er Jahre gedauert, also mindestens zwei Generationen. Auch ich habe mit ca. 20 Jahren das erste Mal FKK gemacht weil es schön war, und nicht weil es meine Eltern nicht gemacht hat.
Es muß also andere Ursachen für einen veränderten Zeitgeist geben. Ein veränderter Zeitgeist ist immer eine Reaktion auf technische und gesellschaftliche Veränderungen. So war es mit der Entdeckung von Antibiotika möglich Geschlechtskrankheiten zu heilen. Und die Erfindung der Pille verhinderte ungewollte Schwangerschaften. Erst diese Dinge lösten die Sexuelle Revolution aus. Vorher war der Preis für Sex vor oder außerhalb der Ehe zu groß. Und da man früher warscheinlich immer Nackheit und Sex miteinander in Verbindung sah hat das dann auch eine veränderte Einstellung zur Nacktheit hervorgerufen. Es ist bestimmt kein Zufall, daß Aids in den 1980er Jahren erstmals aufgetreten ist, eine Krankheit, die bis heute nicht heilbar ist. In einen am Anfang dieses Threrads verlinkten Artikel war ja die Rede davon daß alles in den 1980er Jahren die Unschuld verloren hat. Stichworte: Tschernobyl, Umweltzerstörung usw.
Ja, FKK und Nacktheit braucht Freiheit. Aber welche Freiheit ist gemeint. Es werden ja oft die 1920er Jahre erwähnt. In diesen Jahren war ja ein starker wirtschaftlicher Aufschschwung ( goldene 20er). Es ist immer die Frage von welcher Seite droht Gefahr wenn man sich nackt macht. Gefahr kann von staatlicher Seite kommen. Aber auch von den Mitmenschen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fahren die Leute die Ellenbogen aus. Dann haben eben die Leute Angst und wollen sich keine Blöße geben sowohl im übertragenen als auch im direkten Sinn.
Freiheit heißt eben nicht immer nur politische Freiheit. Es ist ja geradezu grotesk daß in einer Diktatur wie die DDR sich so eine weltweit einmalige FKK- Kultur entwickeln konnte. In der DDR gab es nämlich die Freiheit:
-mein Körper wird so akzeptiert wie er ist
-ich habe auch morgen noch meinen Arbeitsplatz.
Es ist bestimmt kein Zufall daß gerade die Länder, in dene das soziale Netz kaum vorhanden ist ( z. B. Großbritanien und USA ) die prüdeste Gesellschaft haben.

 
Beiträge: 13262
Registriert: 01.09.2005
Wohnort: Gunzenhausen
Geschlecht: Weiblich ♀
Alter: 65

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von Campingliesel » Di 13. Nov 2018, 16:15

@ HTJ:

Du hast vollkommen recht, daß die große Zeit der FKK bis 1990 war. Zwischen den 50er Jahren und bis eben dahin gab es für niemanden Probleme, der sich für die FKK interessiert hatte oder die gar damit aufgewachsen waren. Die FKK-Welt war einfach ok. Natürlich machten das nicht alle, und viele hatten auch die üblichen Vorurteile oder Ängste. Aber wer es mal ausprobiert hat, hat schnell gemerkt, daß nichts Unangenehmes passiert.
Auch wenn das hier einige immer wieder ableugnen oder nicht wahrhaben wollen, änderte sich das wohl nicht zufällig zeitgleich mit der explosionsartigen Verbreitung von Sex- und Pornovideos. Plötzlich hörten die Leute von "FKK-Clubs", die eigentlich Swinger-Clubs waren, da nannten sich Zeitungen "FKK für jedermann", die aber von nichts anderem als von Sex berichteten, sogar noch auf einem Platz, der so bekannt wie ein beliebter FKK-Campingplatz war (Koversada), der ganz sicher nichts mit solchen Dingen zu tun hat.

In den Filmen wurden Strände gezeigt, wo eigentlich nur ganz normale Urlauber waren und die würden angeblich völlig gleichgültig ein solches Porno-Treiben dulden.

Dadurch waren vor allem eben die Jugendlichen verunsichert, was sie von FKK halten sollten. Ich weiß zwar nicht genau, warum auch Jugendliche, die mit ihren Eltern in einem Verein waren und eigentlich genau gewußt haben mußten, daß das real nicht zutrifft, sich auch allmählich aus dem Verein zurückzogen. Oder zunächst sich ein Big-Shirt übergezogen haben. Aber vielleicht fühlten sie sich dann während der Pubertät trotzdem verunsichert, ob sie körperlich noch so akzeptiert wurden, wie sie eben sind. Manche von ihnen waren ja vielleicht auch noch in Sportvereinen, wo es häufig ein Problem war, wenn sie alle nackt in der Dusche waren.

Die neue starke Verbreitung dieser Filme führte eben allgemein dazu, daß die Nacktheit wieder verstärkt nur mit Sex in Verbindung gebracht wurde, und das eben auch noch gewissermaßen öffentlich. Überall wurde der jugendliche Schönheitswahn in den Vordergrund gerückt und was man alles tun könnte - sollte, um möglichst sexy auszusehen usw. Dazu gehörte natürlich auch noch die Intimrasur.

Ältere FKKler ließen sich davon nicht so anstecken, weil sie wußten, daß sich FKK eigentlich von alldem bewußt distanzieren will. Aber gerade die Jugend, die dieses Selbstbewußtsein noch nicht hatten, waren halt verunsichert und ließen es dann lieber ganz bleiben. Äußerungen wie "Mein Körper gehört mir" "geht niemand was an" sind doch nichts weiter als die Angst, daß irgendjemand über sie verfügen könnte, oder ihnen irgendwas "wegnehmen" könnte, oder sie "bloßstellen" oder herabwürdigen könnte, weil sie nicht den Schönheitsidealen entsprechen.Und besonders eben bei den Geschlechtsmerkmalen., z.b der Penis nicht groß genug, der Busen nicht groß genug, usw.

Aber mittlerweile sind eben auch die damaligen Jugendlichen schon eher die Älteren, und dadurch hat sich dann einiges so festgesetzt, daß sie das für normal halten, was sich damals allmählich eingeschlichen hatte. Oder sie sind inzwischen selbst Eltern, die ihren Kindern nicht mehr die FKK so vermitteln können, wie ich z.b. das noch in der Kindheit gelernt und erlebt habe. Und auch noch bei meinen Kindern das wenigstens versucht habe. Aber leider konnte ich das dann nicht mehr so fortsetzen.

Benutzeravatar
 
Beiträge: 3195
Registriert: 05.12.2005
Wohnort: Lübben im Spreewald
Geschlecht: Männlich ♂
Alter: 68

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von Bummler » Di 13. Nov 2018, 16:59

@Campingliesel

Ich glaube das uns die Einengung auf Sexclubs und Pornografie nicht wirklich hilft. Weil diese Sex- und Pornografiewelle auch nur Ausdruck einer veränderten Gesellschaft sind und nicht Ursache.

Vielmehr ist die Grundlage dieser veränderten Gesellschaft in ihrer Wirtschaftsform zu suchen. Sehr gut hat das eine Soziologin heraus gearbeitet, die sich mit der Liebe beschäftigt hat. Sie hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem "Warum Liebe endet."
https://www.suhrkamp.de/buecher/warum_l ... 58723.html
Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt sich Eva Illouz mit der Frage, wie der Konsumkapitalismus und die Kultur der Moderne unser Gefühls- und Liebesleben transformiert haben. Warum Liebe endet bildet den vorläufigen Abschluss dieses grandiosen Forschungsprojekts und zeigt, warum mit Blick auf unsere sexuellen und romantischen Beziehungen vor allem eines selbstverständlich geworden ist: sich von ihnen zu verabschieden.


In einem Interview mit dem Spiegel (habe ich im Wartezimmer gelesen) beschreibt sie den Einfluss der Konsumgesellschaft auf die Liebe.
Hier nochmal ein Auszug aus einem anderen Link:

Sie schreibt über unsere moderne Gesellschaft, in der Sex wie Suff geworden ist oder Suff wie Sex, und Liebe längst nichts Verbindliches mehr ist. Über eine Gesellschaft, in der das Onlinedating von dem noch schnelleren Mobile-Dating abgelöst wurde und sexuelle Begegnungen in eine Ware verwandelt wurden, "die man erwerben und auch wieder loswerden kann".

http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 35863.html

Unsere Sexualität hat sich also geändert. Vielleicht auch wieder einmal. Während sich unsere Einstellung zur Sexualität nach Aufklärung und 68-er hin zu mehr Offenheit verändert hat, wurde sie nun beliebiger. Sie hat die Krone der Exklusivität verloren. Manch einen wird das freuen und es als Zeichen von Freiheit und Liberalität nehmen, aber es hat eben auch Auswirkungen in andere Bereiche unseres Lebens. Insbesondere der Freikörperkultur.

 

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von hajo » Di 13. Nov 2018, 17:29

Bummler hat geschrieben:Unsere Sexualität hat sich also geändert.... Während sich unsere Einstellung zur Sexualität nach Aufklärung und 68-er hin zu mehr Offenheit verändert hat, wurde sie nun beliebiger. Sie hat die Krone der Exklusivität verloren. Manch einen wird das freuen und es als Zeichen von Freiheit und Liberalität nehmen, aber es hat eben auch Auswirkungen in andere Bereiche unseres Lebens. Insbesondere der Freikörperkultur.

Hm...

Ich hab's immer "besonders gern", wenn jemand in meinem Namen spricht ("unsere"). Also verallgemeinert.
Meine Sexualität ist auf keinen Fall "beliebiger" geworden oder hat die "Krone der Exklusivität" verloren, was auch immer das sei.

Mag sein, dass es Menschen gibt, bei denen das so ist. Ja und?
Das hat mich nicht zu interessieren. Wenn zwei oder auch mehr Leute etwas tun, zu dem sie nicht gezwungen werden und was ihnen Freude macht sowie anderen nicht schadet, dann lass sie doch!

Ich käme z.B. nie auf die Idee, ein Fußballspiel mit 14.000 anderen aufzusuchen oder ein Steak "medium rare" zu essen.
Ja und?
"Manch einen wird das freuen und es als Zeichen von Freiheit und Liberalität nehmen, aber es hat eben auch Auswirkungen in andere Bereiche unseres Lebens."
Auf welche?
Beim Fußballspiel auf die Staus nach dessen Ende, in die ich eventuell geraten könnte?
Auf den weiteren Beitrag zur Klimaänderung, wenn das halbroh zu verspeisende Steak aus Argentinien kommt?

Benutzeravatar
 
Beiträge: 869
Registriert: 23.07.2014
Wohnort: Gelsenkirchen
Geschlecht: Männlich ♂
Alter: 70

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von BOeinNackter » Di 13. Nov 2018, 18:44

Eule hat geschrieben:Wer hier die Nacktheit mit der Sexualität zwingend verbindet hat nicht begriffen, dass der natürliche Zustand des Menschen die Nacktheit ist. Es gibt keinen Unterschied in der Sexualität zwischen Menschen, die unbekleidet sind und solchen, die Kleidung tragen.

Wer hier glaubt, FKK, Naturismus oder Nudismus hätte etwas mit einem Vergleich der Genitalien zu tun, der weiß nicht, was natürliche Nacktheit ist und hat ein gestörtes Verhältnis zu seinem Körper.

Ja, ich weiß, die Erziehung, die wir alle genossen haben, ist meistens sehr körperfeindlich gewesen. Wir können uns von dieser Fehlinformation aus unserer Erziehung lösen und müssen uns der Frage stellen, was natürlich ist und was nicht.


Nun, ich wollte mit meinem Beitrag nichts irgendwie zwingend verbinden. Mir ging es um die Hoffnung, mit Sexualität auch in der Freikörperkultur offener umgehen zu können. Es steht in diesen Sätzen so genau ja gar nicht drin, aber es wirkt immer wieder, wie die Behauptung, bei Naturisten sei Sexualität ansich und ails Thema ausgeschlossen, sobald man nackt ist.
Das mit dem Vergleich ist nicht von mir. Es ist aber ein schönes Beispiel, welcher Widerstand gegen das Thema Sexualität oder auch nur Körperlichkeit vorhanden ist.
Wer Penisse vergleicht oder in extra organisierten Gruppen Vulvabilder macht, diese auch ausstellt oder in Büchern zeigt, gehört nicht zur FKK? Immerhin sollte man doch einräumen, dass es nackt einfacher ist. Menschen müssen von Anfang an und wohl ihr ganzes Leben lang ihren Körper erleben und wahrnehmen. Diese Vergleiche sind nichts gestörtes, es findet immer statt, wenn wir dem eigenen und anderen Körpern Attribute geben, wie muskulös, elegant, schlank und dick. Extra veranstaltete Penis und Vulvavergleiche zeigen ein besonderes Bedürfnis, das Tabus bricht, aber auch helfen kann, die individuellen Körperbilder gegen normierte Ideale zu setzen. Das sollte auch ein Ziel der FKK sein.
Eine Freikörperkultur, bei der es nicht vorstellbar ist, dass jemand guckt oder, dass jemand ausversehen meint, sich zu zeigen, vermittelt, das man sich für seinen individuellen Körper schämen sollte.
Das wirkt auf mich sehr viel schamhafter als junge Menschen, die ich kenne, die sich vielleicht nie ausziehen, aber einen grossen Wert darauf legen, sich mit ihrem individuellen Körper frei tänzerisch bewegen zu können und eben nicht einem Ideal nachzustreben.

Im Übrigen ist die Ausgrenzung der Sexualität in der Freikörperkultur verbreitet, mit langer Tradition. Es gab aber auch Adolf Koch, den man alerdings auch ausgegrenzt hat. Man hat so vielleicht Anfeindungen von Nacktgegnern zu schlimmen Zeiten überstanden, andererseits hat man es, vielleicht wegen dieser Tradition versäumt, sich eindeutiger und engagierter um Sexualerziehung und Sexualreformen zu kümmern, spätestens, als es zum großen gesellschaftlichen Thema wurde. Das wäre der Bewegung vielleicht nicht schlecht bekommen.

 

Re: Nacktheit- Schamgefühl- Gruppendynamik

Beitrag von guenni » Di 13. Nov 2018, 19:55

Bummler hat geschrieben:
In diesen Sinn etwas mehr Sexualität zuzulassen würde den FKK gut tun.


Du meinst sicher einen unbefangenen Umgang mit Sexualität. Nur warum sollte man in der FKK mehr zulassen, als im textilen Leben?
Auf Arbeit, beim Einkaufen, im Straßenverkehr....



so ist es.
wo die sexualität ausgelebt wird, ist, so unterstelle ich mal, gesellschaftlicher konsens. unabhängig davon, ob mit oder ohne höschen.

VorherigeNächste

Zurück zu FKK Allgemein

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Jochen und 177 Gäste