von HTJ » Mo 30. Sep 2019, 10:55
@ Hans H.
Die Frage wegen des angeborenen Nacktscham hat für mich keinesfalls nur akademische Bedeutung. Wenn es nämlich einen angeborenen Nacktscham gäbe, wären ja alle FKKler nicht normal oder geistesgestört. Ist aber die Nacktscham durch das soziale Umfeld erworben, wären ja die KKKler die " Normalen" und alle anderen lassen sich etwas aufzwingen. ( Übrigens: Die Frage, wer hat uns dressiert, war natürlich ironisch gemeint.)
Da du dich auf Eibl-Eibesfeldt berufst, ich habe ein schönes Zitat gefunden: " Oft werden Geschlechstorgane durch Kleidung verborgen. Es gibt jedoch auch heute noch Völker, die splitternackt leben, zum Beispiel die Yanomami ( im amazonischen Regenwald), deren Frauen nur eine Schnur um den Leib tragen. Selbst diese Schnur ist symbolisch " Bekleidung". Würde man eine Frau auffordern, diese Schnur abzulegen, geriete sie genauso in Verlegenheit wie eine Frau unserer Kultur, wenn man sie bäte, sich auszuzeihen."
Das ist genau das Gleiche, was ich gesagt habe. Die Fähigkeit, sich zu schämen, ist angeboren. Für was man sich schämt ist kulturell bedingt. Niemand hat bestritten das Naturvölker ebenso Schamgefühle haben wie andere Menschen.
Auch sind sich Wissenschaftler gar nicht so einig wie es scheint. Auch dazu habe ich etwas gefunden:
"Die Verhüllung der weiblichen Genitalien reduziert die sexuelle Revalität unter den Männern und begünstigt zugleich die Partnerbeziehung sowie den Erhalt der Familie." ......." Jedoch stellen sich diese Argumentationen als nicht ganz unproblematisch heraus. " ......"Prinzipiell stellen sich Begründungen eines Phänomens aus seinen Funktionen heraus als unzulässig dar. Funktionen sind stets sekundär und setzen die bereits bestehende Existenz des Phänomens voraus. Sie erklären deshalb das Phänomen, in diesen Fall die Scham, nicht. Sie vermögen es nicht, die Bedingungen und Ursachen des Phänomens, die den Phänomen vorangehen müssen, zu begründen. Denn sie entfalten erst dann Wirkung, wenn das Phänomen bereits existiert." Quelle: " Anja Lietzmann: Theorie der Scham. Eine anthropologische Perspektive auf ein menschliches Charakteristikum. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Sozialwissenschaften in der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Eberhard-Karls- Universität Tübingen 2003"
Dies ist mit anderen Worten das Gleiche, was ich gesagt: Durch die Kleidung wird Nacktheit erst zum Reiz.
Warum ist noch niemand auf die Idee gekommen die Dinge nicht so absolut zu sehen. Vieileicht liegt die Warheit ja in der Mitte. Es kann ja sein das der Mensch auf Grund der sexuellen Selbstbestimmung sehr sensibel reagiert was seinen Körper betrifft, und aus diesem Grund eher Schamgefühle in Sachen Nacktheit entwickelt als von anderen Dingen, für die man sich noch schämen könnte. Aber erst diese Sensibilität zusammen mit den sozialen Umfeld entwickeln dann die Nacktscham.
Dieser Fakt erinnert mich an den Streit der Wissenschaftler Hans-Peter Dürr und Norbert Elias. Der eine behauptet, daß das Schamgefühl in der Menschheitsentwicklung immer größer wird und der andere sagt das Gegenteil. Eigentlich wissen wir ja daß beides nicht stimmt. Es hat immer Phasen gegeben, in denen das Schamgefühl größer war, die sich mit Phasen mit geringeren Schamgefühl abgewechselt haben. So wie die 1950er Jahre Prüde waren, die 1970er sehr frei, und es gegenwärtig wieder mehr in Richtung Prüderie geht.