Mir wird deutlich, dass wir beide uns in unserem Disput ggf. missverstanden haben. Ich bin auch nicht daran interessiert, einen Zweig der Wissenschaft gegen einen anderen auszuspielen oder zu bewerten, welcher jetzt wichtiger, bedeutsamer oder richtiger ist. Jeder Zweig der Wissenschaft hat sein Aufgabengebiet und jeder Zweig bringt seinen Anteil am Großen und Ganzen bei.
Die Biologie und mit ihr die Medizin beschäftigt sich mit den körperlich gegebenen Gegenständen. Bei der Frage der Vererbung geht es darum, was an Fähigkeiten im jeweiligen Menschen angelegt ist. Etwas, was fehlt, kann keine noch so gute und bemühte Pädagogik, Psychologie oder Sozialwissenschaft herbeiführen im Sinne von Erstellen. Die Biologie und die Medizin liefern also die Grundbedingungen, die das jeweilige Sein bestimmen und ausmachen. Die Biologie bestimmt somit die Ungleichheit der Lebewesen, des Menschen.
Die Pädagogik, Psychologie und Sozialwissenschaft kann den Menschen nur dazu anregen und befähigen, diese seine Stärken zu erkennen, zu nutzen und seine Schwächen auszugleichen. Dieses läuft über das Lernen.
Ängste sind im Menschen vorhanden. Aber diese sind unbestimmt, d. h. diese Ängste haben erst einmal kein Kristallisationspunkt, mit einer einzigen Ausnahme. Dieses ist die Angst vor und in der Dunkelheit, weil wir dann unsere Herrschaft über unsere Umgebung verlieren. Alle anderen Ängste und Phobien sind kulturell bedingt und somit gelernt. Intelligenz, Begabung und Fähigkeit muss geweckt und gefördert werden, um sich zu entwickeln und entfalten zu können. Soziales Verhalten wird insgesamt nur erlernt.
Und jetzt öffnet sich das große Problem mit der Sprache, dem Sprachverständnis und der Sprachführung. Wenn wir uns der allgemeinen Umgangssprache bedienen, welche von den Medien ebenfalls genutzt wird, um von der Allgemeinheit verstanden zu werden, dann müssen wir hinnehmen, dass Begriffe nicht mehr Trennungsscharf sind, geerbtes und gelerntes zusammengefasst und als eine Einheit verstanden wird. Nur dann wird es schwer, pädagogische, psychologische Interventionen in ihren Wirkungen zu unterscheiden, abzugrenzen und zu begründen. Denn solch eine Intervention kann sich nur auf Bereiche auswirken, die erlernt wurden. So kann eine noch so gut gemeinte Intervention einen Menschen nicht intelligenter machen, als er ist. Diese Intervention kann ihn jedoch eine Möglichkeit eröffnen, mit dieser seiner Intelligenz besser und zielgerichteter umzugehen. So wird nicht die Intelligenz als solches verändert, nur der Umgang mit dieser Intelligenz.. Emotionale Ausdrücke sind in allen Kulturen und zu jeder Zeit gleich. Ja. man kann diese Ausdrücke etwas verändern, man kann sie jedoch nicht abschalten und unterdrücken. Der Angstauslöser, also der Gegenstand, der diese Angstreaktion hervorruft, ist in den Kulturen sehr unterschiedlich und somit gelernt. Ob diese Ängste von Faktoren der Umwelt oder der Gesellschaft abhängen, in dem dieses Individuum lebt, spielt keine Rolle. Jeder lernt in seiner Gesellschaft das, was in dieser Gesellschaft erwartet oder verlangt wird.
Eine Frage kann uns die Biologie noch nicht beantworten, warum können minderbegabte Eltern hochbegabte Kinder bekommen. Denn da, wo nichts ist, kann auch nichts vererbt werden. Und trotzdem können wir dieses feststellen. Ob uns die Hirn- und Neuronenforschung eine Auskunft zu dieser Frage geben kann, steht wohl noch in den Sternen. Die Ergebnisse der Neuronenforschung werfen ja jetzt schon eine große Frage auf, auf diese habe ich hier schon mehrfach hingewiesen, nämlich, wie sieht es mit dem freien Willen des Menschen aus? Hat er einen freien Willen oder nicht?
Aus dem von mir bisher gesagten wirst du erkennen, warum ich mit einem solchen Satz erhebliche Probleme habe. Jeder Mensch hat eine Vielzahl von Eigenschaften und Fähigkeiten, die er nicht nutzt. Anderseits kann ich natürlich nur die Eigenschaften und Fähigkeiten nutzen, die in mir angelegt sind. Und bei der Frage der Vererbung von Eigenschaften über mehrere Generationen hinweg stellt sich mir die Frage, was ist davon tatsächlich vererbt und was ist davon gelernt worden? Ich vermag hier keine klare abgrenzende Antwort zu geben, jedoch bin ich der Überzeugung, dass hier das Lernen (tradiertes Lernverhalten) einen größeren Anteil hat, als das über die Gene vererbte. Wie gesagt, dass ist keine Frage nach der Wichtigkeit oder der Bedeutung des einzelnen Faktums, es ist lediglich eine Frage nach der Stellung des Reglers. Wir sehen und wir erkennen immer das Gesamtergebnis. Wir können jedoch nur unter großen Schwierigkeiten hier die einzelnen Punkte bestimmen, die zu diesem Ergebnis geführt haben. Und dieses ist die Kernaussage meines Anliegens.Die Biologie lehrt, dass genetische Vererbung ein ganz zentraler Mechanismus für die Weitergabe von Eigenschaften über Generationen ist.