Die Minderheit der Leute, die sich einfach so in der Öffentlichkeit (also Badesee oder Sauna) ausziehen, ohne damit besondere Gedanken oder gar eine Religion zu verbinden, bringt meistens von Natur aus auch ein Portfolio bestimmter anderer angenehmer Verhaltensweisen mit. So jedenfalls meine Erfahrung. Lärm, Müll, Rücksichtslosigkeit, rumschreien, Meerschweinchen treten und blöd glotzen finden eher bei der angezogenen Mehrheit statt.
Dazu kommt noch, wer sich angezogen in einen ausdrücklichen FKK-Bereich setzt, möchte entweder provozieren oder hat einen Dachschaden. Es gibt schlichtweg keine andere vernünftige Erklärung dafür. Das ist wie einen Würfel zum Skatturnier mitbringen und würfeln zu wollen statt zu reizen.
Persönlich finde ich auch die Sauna-Einwickler bescheuert. Also Leute, die sich schon vor dem Aufstehen noch in der Sauna verschwitzt ins Badetuch einwickeln, zur Dusche gehen und sich nach dem Duschen noch triefend in der Duschnische wieder ins schweißgetränkte Handtuch einwickeln. Die Prozedur wird gerne noch mit Zusatzschritten unter Anwendung eines Bademantels ergänzt.
Da frage ich mich echt: was denken diese Leute? Denken sie überhaupt?
Da das vor 20 Jahren noch nicht verbreitet war, sondern die Mehrheit der Saunagäste damals mit dem Handtuch in der Hand, nicht umgewickelt, und gänzlich ohne Bademantel rumlief, gehe ich davon aus, daß das eine unbewußte Spiegelung des Verhaltens der anderen ist, ohne verstanden zu haben, worum es geht.
Das gilt in besonderem Maße bei den nicht nur Jugendlichen, die sich komplett ins Handtuch eingewickelt mit Badeschlappen auf die unterste Stufe der Sauna setzen. Daß Sauna irgendwie mit der Einwirkung von warmer Luft auf den Körper zu tun haben könnte, kommt ihnen offenbar nicht von selbst in den Sinn. Die früher übliche Kulturtechnik, daß man sich bei etwas Neuem über dessen Besonderheiten informiert, findet ebenfalls keine Anwendung mehr. Man muß ja nicht alles wissen, aber zumindest muß man bereit sein, zu lernen. (Gilt auch für Leute im Netzhemd oder Spaghettitop und kurzer Hose im Kölner Dom.)
Von daher finde ich Angezogene auch in der Sauna (an bizarren CO-Tagen) genauso lästig wie am See. Denn wer es, aus welchen Gründen auch immer, nicht schafft, sich in einem zentralen Punkt an die geltenden geschriebenen und ungeschriebenen Regeln des Aufenthaltsortes zu halten, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch andere unpassende Verhaltensweise zeigen. (Der tätowierte Netzhemdträger raucht dann auch noch im Dom, weil er einfach gar nichts blickt.)
Hans H. hat geschrieben:@udoline:
Zu 1: Ja, richtig, entspricht Hinweisen, die ich früher bereits geschrieben hatte, nämlich dass der, der suchend in die Runde schaut, ob einer in "anglotzt", der wird auch viele sehen, die zurückschauen und viele davon für Voyeure halten. Wer nicht so verunsichert fragend in die Runde blickt veranlasst auch keinen, so zurückzusehen, und der sieht deshalb auch keinen, den er für einen Voyeur halten würde.
Ist mir früher gelegentlich passiert, daß eine auf dem Rücken liegende Frau irgendwo in meinem Sichtfeld plötzlich die Beine anwinkelt, um 180° aufspreizt, den Kopf hebt und sich zwischen den Knien durchschaut. Meine Reflexe waren dann meist so schnell, daß mein Blick ins Zentrum der Bewegung ging, bevor sie den Kopf oben hatte und mich anschaute. Wodurch sie vermutlich im nächsten halben Jahr bei ihren Freundinnen kein anderes Gesprächsthema mehr hat als den Perversen, der ihr bei einem Saunabesuch stundenlang zwischen die Beine geglotzt hat.
Seit mir das bewußt geworden ist, zwinge ich meinen Blick bei erkannter gegnerischer Bewegung starr geradeaus ins Nichts, beobachte im Augenwinkel, bis die Blickrichtung des Saunaopponenten in meine Richtung geht und drehe dann erst demonstrativ den Kopf unter gleichzeitigem Aufsetzen eines empörten Gesichtsausdrucks über diesen voyeuristischen Angriff auf meine Person. Was dann meist zu einem verschämt-ertappten Wegsehen führt.
Bei Männern habe ich übrigens genauso reflexartig geschaut, und ich kann auch ohne Wahrheitsdrogen versichern, daß ich da keine besonderen Ambitionen hege, ganz im Gegenteil.
Von den Männern schaut einem aber bei so einer Aktion fast niemand ins Gesicht, sondern der kuckt neben einen auf die Saunauhr, nach draußen oder ins Nichts.
Ein gutes Stück seiner Belästigungsgefühle kann man sich schon selber schaffen. (So Richtung Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein.)