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Darf Nacktheit auch Provokation sein?

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Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von Eule » Di 10. Dez 2019, 12:24

Ich halte die Argumentation von Aria nicht zutreffend, dass die FKK-Bewegung eine Trennung von Nacktheit und Sexualität bislang erfolglos versucht habe. Das Bestreben der Reformbewegung, zurück zur Natur, hatte die Sexualität des Menschen nicht im Fokus. Die Sexualität spielte einfach keine Rolle. Es ging darum, den Menschen aus den Fesseln der Industriegesellschaft zu befreien, ihn also wieder in die Natur zurück zu führen. Diese Rückführung sollte ohne Kleidung erfolgen, da die Kleidung die natürlichen Bewegungen des Körpers behinderte.

Wer glaubt, dass der unbekleidete Körper einen besonderen Anreiz zur Sexualität darstelle, weil die äußerlichen Geschlechtsorgane durch das Fehlen der Kleidung sichtbar würden, irrt. Die sexuellen Aktivitäten sind bei den Nudisten, Naturisten und FKK'lern nicht häufiger, als bei den Textilern. Man hört und liest wiederholt, dass gerade die Nacktheit als solches als wenig Reizvoll, also unerotisch, angesehen wird. Das Verdecken, auch des Bekannten, sei viel anregender, als das offen Zeigen.

Wer glaubt, dass die Sexualität liberalisiert werden müsse, um der Nacktheit einen Raum zu schaffen, der Fixiert das Vorurteil, dass die Nackten ihre Nacktheit nur aus sexuelle Motive heraus leben und entsprechend tätig würden.

Auch wenn die Nudisten, Naturisten und FKK'ler wie alle anderen Menschen auch sexuelle Wesen sind, so geht es ihnen in ihrer Nacktheit nicht um sexuelle Motive, es geht ihnen, sich frei von allen zivilisatorischen Beschränkungen in der Natur bewegen zu können und so sich als Bestandteil der Natur in der Natur erleben zu können. Da spielt die Sexualität wirklich keine Rolle.

Wenn User hier wirklich meinen, dass mit der Nacktheit stets die Sexualität fest verbunden sei, der hat entweder das Wesen des nudistischen, naturalistischen oder freikörperkulturellen Lebens nicht verstanden oder ist in der bürgerlichen Moral so fest verbunden, die der Nacktheit als solches stets sexuelle Motive unterstellt. Wer glaubt, man müsse erst die Sexualität enttabuisieren, um die Nacktheit als solches zu befreien lädt erst dieser Nacktheit etwas auf, um dieses dann wieder entfernen zu wollen.

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Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von HTJ » Di 10. Dez 2019, 12:41

Ich finde auch, wenn man denkt, daß es mit einer weiteren Enttabuisierung der Sexualität mit FKK aufwärts geht, ist das ein Trugschluß. Wenn man vor allem jungen Leuten zuhört, sagen die doch nicht: "Ich mache kein FKK, weil ich da meine Sexualität nicht ausleben kann." Sondern sie sagen: "Nacktheit ist eklig, ich schäme mich, mich nackt zu zeigen."

 

Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von HaJo » Di 10. Dez 2019, 13:43

Eule hat geschrieben:Das Bestreben der Reformbewegung, zurück zur Natur, hatte die Sexualität des Menschen nicht im Fokus. Die Sexualität spielte einfach keine Rolle. Es ging darum, den Menschen aus den Fesseln der Industriegesellschaft zu befreien, ihn also wieder in die Natur zurück zu führen.
Das stimmt sicherlich.
Nur darum ging es - meiner bescheidenen Meinung nach - Aria nicht.
Wir Menschen sind zeit erwachsenenlebens sexuelle Wesen und grundsätzlich sexuell aktiv.
Nur - erwähnen darf man das kaum. Leben nur im verborgenen.

Da wird von "unten rum", "Frauensachen", "na - ihr wisst schon" etc gesprochen, aber Bordelle existieren, zu den Pornos auf dem Bildschirm wird fleißig masturbiert, das heimische Schlafzimmer wird immer wieder als Rückzugsort zu sexuellen Handlungen aufgesucht (wir nutzen das Schlafzimmer nur zum biologischen Akt des Schlafens)...
DAS ist verlogen. Soweit ich bisher mitgelesen habe, hat hier niemand dazu aufgefordert, den wöchentlichen Einkauf mit sexuellen Aktion im REWE zu verbinden.
Aber diese verschämte und vor allem verlogene Trennung von Sexualität und dem allgemeinen Leben finde ich bemerkenswert.
Um nichts anderes geht es beim Nacktsein. Niemand muss auf dem "FKK"Camping am Lagerfeuer mit seinem Partner verkehren. Jedoch dazu zu stehen, dass es Sexualität gibt, die bei sommerlicher Wärme und dem nackten Miteinandersein schon ein wenig häufiger vorkommen könnte als alltags, sollte man schon.

Finde ich.

 

Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von HaJo » Di 10. Dez 2019, 13:44

HTJ hat geschrieben:... sie sagen: "Nacktheit ist eklig, ich schäme mich, mich nackt zu zeigen."
Das sollen sie ja auch gar nicht.
Es reicht, wenn sie nackt wären...

 
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Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von Eule » Di 10. Dez 2019, 15:26

@ Hajo
Auch wenn einige Äußerungen von Aria in diese Richtung deuten könnten, will ich Aria nicht als Verfechter der "freien Liebe an allen Orten" sehen und einordnen. Dass wir Menschen, und nicht nur die Erwachsenen, sexuelle Wesen sind, ist und bleibt unbestritten. Ein sexuelles Wesen zu sein bedeutet jedoch nicht, immer und ständig im sexuellen "Modus" zu sein, wenn ich unbekleidet bin und/oder unbekleidete Menschen sehe. Ich verstehe Aria Äußerungen als ein Ergebnis, besser als ein Widerspruch zu ihrer Erziehung, die sie erlebte. Diese strikte Verbindung von Sexualität mit der Nacktheit, die aus Aria Äußerungen erkennbar ist, entspricht der strengen, dogmatischen, dörflich katholischen Erziehung und ist aus dieser Erziehung heraus verständlich und nachvollziehbar. Und wenn Aria hier in einen Widerspruch zu ihrem Handeln und ihren Äußerungen gerät, so ist dieses für mich durchaus plausibel erklärbar.

Soweit ich Aria verstehe, sieht sie in der Tat diese Verbindung der Nacktheit mit der Sexualität. Ich unterstelle ihr nicht, dass sie die Nacktheit auslebt, um sich sexuell aufzuladen. Und wenn sie von der Enttabuisierung der Sexualität spricht, so meint sie in meinen Augen damit, die Sexualität von den in unseren Augen falschen kirchlichen Einengungen und Fixierungen zu lösen. Die Kritik von Aria an die lehrende katholische Kirche ist nicht nur berechtigt, sie ist im Grunde völlig richtig und wird von mir mitgetragen. Nur wenn Aria in meinen Augen über das Ziel hinaus schiesst, sehe ich mich veranlasst, sie zu bremsen.

Die Nacktheit ist eine Provokation in unserer bürgerlichen Gesellschaft. Um dieser Provokation besser entgegentreten zu können, werden religiöse Argumente verwendet, die meistens Leerformen darstellen. Die Nacktheit in der Religion spielt nur insofern eine Rolle, als damit ein Fehlen oder eine Ferne und Schutzlosigkeit ausgedrückt wird. Hingegen spielt die Sexualität eine große Rolle, weil es sich hier um einen bedeutenden und mächtigen Trieb handelt, der beherrscht werden will und soll. Philosophisch steht die lehrende kath. Kirche dem Hinduismus nahe, auch wenn diese beiden Religionsausprägungen mit der Sexualität völlig gegensätzlich umgehen. In der kath. Kirche wird die Abstinenz als oberstes Ziel gepriesen und im Hinduismus ist es der orgastische Rausch.

Die Nacktheit ist als Nacktheit der bürgerlichen Gesellschaft eine Provokation, weil die Nacktheit als solches wesentliche Erkennungsmerkmale der bürgerlichen Ordnung unsichtbar macht. Die Sexualität des Menschen spielt für die bürgerliche Gesellschaft in Punkte der Nacktheit keine Rolle, auch wenn diese etwas anderes sagt. Sie spielt nur insoweit eine Rolle, als sie die gesellschaftliche Ordnung stabilisiert. Wenn in der bürgerlichen Gesellschaft beides zusammen erwähnt wird, wie Aria es ja auch richtig darstellt, dann dient die Sexualität nur dazu, der unsichtbar gewordenen gesellschaftlichen Ordnung ein Gesicht zu geben und verständlich werden zu lassen. Wir sollten uns diese Krücke der bürgerlichen Gesellschaft nicht zu eigen machen und immer und nachhaltig darauf verweisen, dass unsere Nacktheit als solches weder sexuell motiviert ist noch die gesellschaftliche Ordnung angreift. Wir wollen nur darauf aufmerksam machen, dass wir als Menschen auch Bestandteil der Natur sind und ein natürliches Leben führen wollen, so wie die natürlichen Verhältnisse es uns ermöglichen.

Die Provokation der Nacktheit innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft besteht darin, dass diese als einen Angriff auf die bürgerliche Ordnung angesehen wird. Machen wir also der bürgerlichen Gesellschaft doch klar, dass wir mit und in unserer Nacktheit weiter Mitglieder dieser bürgerlichen Gesellschaft sind und bleiben. Es nicht unser Interesse ist, diese bürgerliche Ordnung zu zerstören. Und für diese Argumentation brauche ich die Krücke der Sexualität nicht, um meiner Argumentation Gewicht zu verleihen.

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Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von Aria » Di 10. Dez 2019, 21:50

Die Nacktheit ist eine Provokation nur dann, wenn auch die Sexualorgane sichtbar sind. Dazu bedarf es keiner (sexuellen) Handlung, ein bloßes so sein genügt.

Wir alle wissen, warum dem so ist: Nur die Sexualorgane sind mit einem Tabu belegt sind, nicht der übrige Körper. Es geht also nur um dieses Tabu, nicht um das Ausleben der Sexualität in der Öffentlichkeit, wie mir manche hier unterstellen.

Als Begründung werden Kinder angeführt, die man vor Anblick der Sexualorgane schützen müsse, denn Erwachsene dürfen die ja sehen. Und obwohl Erwachsene eigentlich wissen müssten, dass davon für Kinder keine Gefahr ausgeht, verlangen sie mehrheitlich, dass die gänzlich Nackten sich nur in den für sie bestimmten Orten aufhalten dürfen. Das geht seit mehr als 100 Jahren so, die ganzen Apelle, die Nacktkultur sei keine Sexkultur, haben nichts genutzt. Und obwohl das klar auf der Hand liegt, gibt es hier einige, die sagen, FKK-Bewegung sei eine erfolgreiche. Das kann nur für diejenigen gelten, die mit ihrem Ghettodasein zufrieden sind.

Warum tut die Mehrheit dies? Weil sie es nicht anders gelernt und wohl auch niemals das Tabu hinterfragt hat. Aber nicht nur die Mehrheit der Angezogenen denkt so, auch die Mehrheit der FKK-ler erkennt das Tabu als gültig an – wäre dem anders, würden sie nichts dagegen haben, nackt unter angezogenen zu sein. Die meisten FKK-ler fühlen sich nur stark, wenn sie in der Mehrheit sind, also wenn an dem betreffenden Ort das Tabu, Sexualorgane betreffend, aufgehoben ist.

Aber selbst dort fürchten sie sich davor, dass ihre Sexualität sichtbar werden könnte. Deswegen vermeiden sie Körperkontakte untereinander, die an Textilstränden normal sind. Erfahrene FKK-ler wissen das, aber die Anfänger in Sachen FKK werden extra darauf hingewiesen.

Fazit: Hinter diesem Nacktheitstabu steckt Sexualitätstabu. Und solange die Gesellschaft – und damit auch die FKK-ler! – nicht gelassener mit Sexualität umgeht, solange wird es bei der Akzeptanz der öffentlichen Nacktheit keine Fortschritte geben.

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Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von Shiva205 » Di 10. Dez 2019, 23:50

Aria hat geschrieben:solange die Gesellschaft – und damit auch die FKK-ler! – nicht gelassener mit Sexualität umgeht, solange wird es bei der Akzeptanz der öffentlichen Nacktheit keine Fortschritte geben.

Ja, das kann ich voll unterstreichen.

Ab und zu sehe ich auch Lichtblicke. Als ich dieses Jahr mit einer Cousine eine Bergtour machte, hab ich sie gefragt, ob sie ein Gipfel-Nacktfoto von mir machen könnte. Ich hab dann die sonst noch Herumstehenden gefragt, ob das für sie ok sei, und niemand hat irgendwelche Einwände gehabt.

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Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von Bummler » Mi 11. Dez 2019, 11:36

Shiva205 hat geschrieben:
Aria hat geschrieben:solange die Gesellschaft – ... – nicht gelassener mit Sexualität umgeht, ....

Ja, das kann ich voll unterstreichen.


Was angesichts der Skandale hinsichtlich sexuellem Missbrauchs, egal ob in der Kirche oder im Business wohl ein frommer Wunsch ist.
Diese Gesellschaft wird mit Sexualität nicht gelassener umgehen. Dafür gibt es für sie keinen Grund. Diese Gesellschaft gibt lediglich einzelnen die Möglichkeit ihre Sexualität auszuleben, aber immer nur in geschützten Räumen, niemals in der Öffentlichkeit.
Es gibt also auch für uns keinen Grund gelassener mit Sexualität umzugehen.
Und das gleiche gilt für öffentliche Nacktheit.

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Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von Aria » Mi 11. Dez 2019, 13:48

Bummler hat geschrieben:Diese Gesellschaft wird mit Sexualität nicht gelassener umgehen. Dafür gibt es für sie keinen Grund. Diese Gesellschaft gibt lediglich einzelnen die Möglichkeit ihre Sexualität auszuleben, aber immer nur in geschützten Räumen, niemals in der Öffentlichkeit.
Was du hier betreibst, Bummler, ist willentliches Missverstehen, denn es geht hier eben nicht um das Ausleben der Sexualität in der Öffentlichkeit – Zitat aus meinem letzten Posting: Nur die Sexualorgane sind mit einem Tabu belegt sind, nicht der übrige Körper. Es geht also nur um dieses Tabu, nicht um das Ausleben der Sexualität in der Öffentlichkeit, wie mir manche hier unterstellen.

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Re: Darf Nacktheit auch Provokation sein?

Beitrag von Shiva205 » Mi 11. Dez 2019, 14:37

... gelassener mit Sexualität umgehen ...
Bummler hat geschrieben:Was angesichts der Skandale hinsichtlich sexuellem Missbrauchs, egal ob in der Kirche oder im Business wohl ein frommer Wunsch ist.

Ja, diese Altlasten müssen immer noch abgearbeitet werden - durch enttabuisierte Kommunikation. Die Auflösung des Sex-Tabus beginnt damit, dass man offen und ehrlich darüber redet. Ich werte die Tatsache, dass es "Skandale" gibt, erst mal positiv: Die Tatsachen kommen ans Licht, sie werden nicht mehr totgeschwiegen. Irgendwann wird man sich dann vielleicht fragen, warum die Kirchenleute sich an Kindern vergehen mussten. Und dann werden vielleicht das sexuelle Selbstbestimmungsrecht und die Einvernehmlichkeit im Vordergrund stehen und nicht mehr der Schrei nach Verboten und Reglementierungen, die nur wieder neue finstere Ecken in unserer Gesellschaft generieren.

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