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Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Bummler » Di 27. Okt 2020, 11:42

Eule hat geschrieben:Jetzt versuche ich mal sehr provokativ und plakativ zwei Gegenpole für unsere Diskussion hier aufzustellen,...


Wozu?

Der erste Pol ist von Aria mit der neuen Prüderie beschrieben worden.
...
Der zweite Pol ist der Verlust an Werten.


Das sind nun gesellschaftliche Probleme, bei denen die FKK erstmal überhaupt keine Rolle spielt und die auch nicht gegensätzlich sind.
Wobei die Entwicklung zwar beklagt wird, die Ursache jedoch (Pol drei) nicht gesehen werden darf.

Aber du wirst uns bestimmt noch überraschen.

:mrgreen:

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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Aria » Di 27. Okt 2020, 14:52

Eule hat geschrieben:Der erste Pol ist von Aria mit der neuen Prüderie beschrieben worden. Hier weiche ich nur insofern von Arias Gedanken ab, indem ich sage, die alte Prüderie bricht wieder stark hervor.
Natürlich ist die Prüderie alt, schließlich gibt es dieses Verhalten wahrscheinlich schon immer, obwohl das Wort selbst erst seit dem 18. Jahrhundert belegt ist. Sie tritt mal mehr, mal weniger stark hervor. Ob wir sie neu oder alt nennen ist nicht so wichtig, schließlich könnten wir zu Neonazis auch schlicht Nazis sagen: Da dient dieses Neo auch nur zur besseren Unterscheidung.

Jetzt sind wir zweifellos in einer sich verstärkenden Phase der Prüderie, die nicht nur unsere Gesellschaft erfasst hat, sondern auch andere. Dem war schon immer so: Die viktorianische Moral, selbst Nachfolgerin des Libertinismus und der Aufklärung, hat sich seinerzeit auch beinahe auf dem ganzen Globus verbreitet, wie auch die sexuelle Revolution der 68er-Bewegung zumindest alle christlichen Länder – dabei auch jene hinter dem eisernen Vorhang! – erfasste.

Und weil nach jeder Revolution die Zeit der Reaktionäre anbricht, geschah das auch bald nach „68“. Reaktionäre haben die Macht übernommen und sie werden sie nicht so schnell wieder abgeben, weil sie für Werte und Normen eintreten, denen man kaum widersprechen kann, ohne sich selbst zu belasten.


Bummler hat geschrieben:Das sind nun gesellschaftliche Probleme, bei denen die FKK erstmal überhaupt keine Rolle spielt und die auch nicht gegensätzlich sind.
Wir FKK-ler sind Teil der Gesellschaft, ihre Probleme sind also auch unsere. Mehr noch: Weil wir so etwas wie Exoten in dieser Gesellschaft sind, müssen wir bestrebt sein, alles zu bejahen, was außerhalb unserer Besonderheit – der öffentlichen Nacktheit – liegt. Deswegen verhalten sich FKK-ler zu den sexuellen Themen z.B. prüder als die Textiler.

 
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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Eule » Di 27. Okt 2020, 16:38

@ Bummler
Dass diese beiden Poole auch in einer Beziehung zueinander stehen, habe ich schon ausgedrückt. Jedoch, und darum die Bemerkung plakativ von mir, kann man darin Gegensätze erkennen.

Der erste Pol ist von Aria mit der neuen Prüderie beschrieben worden.
...
Der zweite Pol ist der Verlust an Werten.
Das sind nun gesellschaftliche Probleme, bei denen die FKK erstmal überhaupt keine Rolle spielt und die auch nicht gegensätzlich sind.
Es ist richtig, wie du es hier sagst. Die FKK spielt in unserer Gesellschaft eine untergeordnete Rolle. Jedoch spielt die Frage der Prüderie für die FKK eine große Rolle, weil je prüder die Gesellschaft wird desto mehr wird die FKK "moralisch" abgelehnt.
Wobei die Entwicklung zwar beklagt wird, die Ursache jedoch (Pol drei) nicht gesehen werden darf.
Wenn du dir die Entwicklung des Kapitalismusses und die der FKK seit 1900 ansiehst, dann wirst du unschwer feststellen, dass sich diese beide Gedankengänge völlig unabhängig voneinander entwickelt haben und es keine direkte Verbindung von dem Einen zum Anderen gibt. Ich habe keine Erkenntnisse darüber, dass die Entwicklung der FKK in der DDR mit der wirtschaftlichen Lage der DDR in einem direkten Bezug zueinander gesetzt werden kann.


@ Aria
Bei dir setze ich voraus, dass du dich mit den Themen, die du bearbeitest, auseinander setzt und nicht nur vordergründig dahin plapperst. Darum kann ich auch sagen, dass ich mit deinen Feststellungen dem Grunde nach einig gehe. Wir unterscheiden uns nur in der Frage der Bewertung der einzelnen Schritte.

Du äußerst hier, dass die 68-Bewegung mit ihrer"Befreiung der Sexualität" oder besser der Nacktheit als solches, zu einer moralischen Veränderung innerhalb unserer Gesellschaft im Sinne einer liberalen Moralvorstellung geführt habe. Der Begriff "FKK" wurde überall genutzt, auch wenn es sich um eine nudistische Freizeitgestaltung und Urlaube handelte. Die Nacktheit als solches wurde öffentlicher und von einer größeren Anzahl junger Menschen ausgeübt. Für dich, und so habe ich dich verstanden, ist dieses ein deutlicher Einschnitt in das moralische Verständnis der Gesamtbevölkerung gewesen. Diese Entwicklung ist jetzt rückläufig und für dich beginnt jetzt wieder eine Phase der Prüderie, also eine neue Prüderie.
Ich hingegen betrachte diese von dir völlig korrekt beschriebene Beobachtung nur als eine Modewelle, die zu keiner grundlegenden Veränderung im moralischen Verständnis der Gesamtbevölkerung führte. Diese prüde Grundeinstellung wurde nur teilweise überdeckt, ohne sich im Grundbewusstsein verankern zu können.

War die "sexuelle Revolution" erfolg- und nutzlos? Nein, sie hat uns einen gewaltigen Schritt vorangebracht, im Sinne der Befreiung der Sexualität vom Tabu des Unaussprechlichen. Über die Sexualität als solches kann jetzt offen gesprochen werden. Weiter hat die Bewegung zur Anerkennung der Homosexualität einen deutlichen Schub bekommen. Hier wurde viel erreicht, wenngleich noch vieles zu tun ist. Die Homosexualität ist leider immer noch nicht als eine normale und gleichberechtigte Ausdrucksart der Sexualität angesehen. Der Makel der Strafbarkeit ist zwar weg, die völlige Gleichstellung mit der heterosexuellen Ehe ist noch immer nicht erreicht. Die im letzten Jahrzehnt begonnene Gender-Bewegung hat die Gesamtbevölkerung darauf gestoßen, dass es neben den beiden klassischen sexuellen Begegnungsformen noch eine Vielzahl von sexuellen Problemfeldern gibt, die man auch berücksichtigen muss. So eindeutig ist eben die Natur nicht, wie wir es immer angenommen haben. Diese beiden Problemfelder, Homosexualität und Gender, haben jedoch keinen Einfluss auf die FKK, auch wenn sich dieses im persönlichen Empfinden und Erleben anders darstellen kann.

Wenn wir uns der Frage zuwenden, wie können wir die FreiKörperKultur und den Nudismus, also die Nacktheit als solches, zu einer entspannten Duldung durch die Gesamtbevölkerung hinführen, werden wir sicherlich wieder völlig einig gehen. Deine Sorge in Richtung einer Verfestigung der Prüderie in Richtung der 1950-ger Jahre teile ich nicht, auch wenn ich deine Sorge aufgrund der augenblicklichen hysterischen Gesamtlage für durchaus berechtigt halte. Auch weiß ich von der Verantwortung und dem Versagen der kath. Kirchenleitung in dieser Frage, deine Kritik dem Grunde nach berechtigt ist, auch wenn ich sie oft für überzogen halte. Da liegt uns Katholiken, die hier eine Änderung und Reform der kirchlichen Morallehre herbeiführen möchten, noch viel Arbeit vor uns. Ich weiß, Pan hielt die kath. Kirche für nicht reformfähig. Und ich hoffe, dass die kath. Amtskirche nicht wieder 500 Jahre braucht, um ihre Fehlbeurteilung einzusehen. Auch wenn ich nicht erwarte, dass diese kath. Morallehre noch zu meinen Lebzeiten reformiert wird, obgleich ich dieses hoffe, so arbeite ich weiter daran, dieses Ziel zu erreichen.

Reaktionäre haben die Macht übernommen und sie werden sie nicht so schnell wieder abgeben, weil sie für Werte und Normen eintreten, denen man kaum widersprechen kann, ohne sich selbst zu belasten.
Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Reaktionäre sind ehemalige 68-ger. Andere sind gesellschaftspolitisch in eine bedauerliche Untätigkeit gefallen und stehen für einen gesellschaftspolitischen Diskurs nicht mehr zur Verfügung. Die "68-ger Revolution" war zwar eine Protestbewegung, aber im Grunde genommen unpolitisch. Auch wenn man die Grünen als ein Kind dieser Bewegung bezeichnen kann, so fehlt ihnen heute ein Reformgedanke. Sie handeln sogar, wenn sie an der Macht sind, gegen ihre Grundsätze, um an der Macht zu bleiben. So geschehen hier in NRW.

Die Jugend wird jetzt wieder aktiv. Man kann darin eine Wiederbelebung der Reformbewegung sehen, ohne dass diese jetzt die damalige Bandbreite erreicht hat. Es sind vielmehr viele Einzelaktionen, die noch nicht verbunden sind. Bei der fff-Bewegung sehe ich erste Anzeichen hierfür und hoffe, dass diese sich in dieser Richtung weiter entwickelt. Wenn Bummler feststellt, dass dieses alle keinen Bezug zur FKK und zum Nudismus habe, so ist dieses richtig. Aber dieser Bezug muß aus der Gruppe der FKK'ler und Nudisten erstellt und angeboten werden. Hier sehe ich einen von vielen möglichen Weg/en.

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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Aria » Di 27. Okt 2020, 18:23

Eule hat geschrieben:Die FKK spielt in unserer Gesellschaft eine untergeordnete Rolle. Jedoch spielt die Frage der Prüderie für die FKK eine große Rolle, weil je prüder die Gesellschaft wird desto mehr wird die FKK "moralisch" abgelehnt.
Eine absolut richtige Feststellung, was man auch bei den Anfängen der FKK-Bewegung sehen konnte: Die ersten FKK-Befürworter riskierten anfangs für ihre Einstellung oft noch Gefängnis.

Eule hat geschrieben:Ich hingegen betrachte diese von dir völlig korrekt beschriebene Beobachtung nur als eine Modewelle, die zu keiner grundlegenden Veränderung im moralischen Verständnis der Gesamtbevölkerung führte.
Wäre diese Modewellentheorie wahr, dürfte es nie zu einer Änderung im moralischen Verständnis der Gesamtbevölkerung kommen, sprich wir müssten immer noch auf dem Stand der alten Griechen, Römer oder der (barbarischen) Germanen sein oder, weil das zeitlich näher liegt, im viktorianischen Zeitalter verharren.

Eule hat geschrieben:Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Reaktionäre sind ehemalige 68-ger. Andere sind gesellschaftspolitisch in eine bedauerliche Untätigkeit gefallen und stehen für einen gesellschaftspolitischen Diskurs nicht mehr zur Verfügung.
Nein, die Wende zu mehr Prüderie haben Kinder der 68er eingeleitet. Und ihre Kindeskinder.

Es ist ein Irrglaube, dass diejenigen, die die Institutionen und Regierungsstellen besetzen, irgendetwas in der Sachen Moral zu sagen haben: Sie sind immer Getriebene, sprich sie müssen tun, was die Mehrheit des Volkes direkt oder indirekt will, sonst werden sie abgewählt. Und die Mehrheit des Volkes ist nach 68 geboren, also prüder eingestellt als ihre (Groß-)Väter und (Groß-)Mütter. Das ist alles.

 
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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Eule » Di 27. Okt 2020, 18:44

@ Aria
Und die Mehrheit des Volkes ist nach 68 geboren, also prüder eingestellt als ihre (Groß-)Väter und (Groß-)Mütter. Das ist alles.
Aber warum? :roll: Was hat diese Generation den veranlasst, sich von der Freiheit abzuwenden und der Prüderie zuzuwenden? :roll:

 
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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Campingliesel » Di 27. Okt 2020, 19:00

Eule hat geschrieben:@ Aria
Und die Mehrheit des Volkes ist nach 68 geboren, also prüder eingestellt als ihre (Groß-)Väter und (Groß-)Mütter. Das ist alles.
Aber warum? :roll: Was hat diese Generation den veranlasst, sich von der Freiheit abzuwenden und der Prüderie zuzuwenden? :roll:


Da kommt IHR vermutlich NIE drauf!

Und wieso sollte ausgerechnet 1968 so eine bestimmte Zeitgrenze sein? Nur wegen der angeblichen sog. 68er Revolution? Da solltest Du mal den gesamten Artikel über diese ganze Geschichte lesen. Es ist ja absolut nicht so, daß alle, die nach 1968 geboren wurden, plötzlich viel prüder waren als die vorhergehenden Jahrgänge. Ich weiß nicht, wie Du immer wieder auf so einen Blödsinn kommst.
Der Kernpunkt dieser Bewegung war jedenfalls keineswegs Sexualität und Prüderie.

 
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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Campingliesel » Di 27. Okt 2020, 19:17

Abgesehen mal davon: Die Leute, die nach 1968 geboren wurden, waren in den 80er Jahren im jugendlichen Alter und die waren noch kein bißchen prüder als alle vorhergehenden Jugendgenerationen - auch wenn der DFK was anderes schreibt, aber das stimmte eben so nicht.

Erst die, die 1980 und später geboren wurden, fingen im Jugendalter mit der Prüderie langsam an, also in den 90ern.
Es kann natürlich sein, daß die Jugend und jungen Leute in den 80ern etwas vereinsmüde geworden sind und lieber auf vereinslose Plätze gingen, aber prüde waren sie keinesfalls und von der FKK abgewendet haben sie sich auch nicht.

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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Aria » Di 27. Okt 2020, 20:59

Eule hat geschrieben:@ Aria
Und die Mehrheit des Volkes ist nach 68 geboren, also prüder eingestellt als ihre (Groß-)Väter und (Groß-)Mütter. Das ist alles.
Aber warum? :roll: Was hat diese Generation den veranlasst, sich von der Freiheit abzuwenden und der Prüderie zuzuwenden? :roll:
Kinder wollen nicht so sein, wie ihre Eltern. Sie wurden zwar – bei den FKK-lern sogar durch Beispiel – dazu erzogen, sich nicht ihrer Sexualität und ihrer Nacktheit zu schämen, aber um erwachsen zu werden mussten sie sich von ihnen emanzipieren. Am leichtesten geht das über die Moral: Wer früher streng erzogen wurde, plädiert nun für mehr Freiheit, und wer mit viel Freiheit erzogen wurde, plädiert anschließend für mehr Grenzen und Normen.

Das kam dem späteren Bundeskanzler Kohl zupass, der bekanntlich bei der 68-Bewegung nicht mitmachte, weil er rechts war und daher die Linken und die 68-er verachtete, so dass er mit seinem Spruch von der „geistig-moralischen Wende“ den sich wandelnden Zeitgeist traf, der ihn Mitte der 1980er Jahre ins Bundeskanzleramt brachte; 10 Jahre zuvor hätte er keine Chance gehabt.

Die Kinder der „68-er“ Kinder verstärkten diesen neuen Zeitgeist noch, weil ihnen der ihrer Eltern nicht weit genug ging. Seit Mitte der 1990er Jahre dreht sich die Schraube des Zeitgeistes immer weiter in Richtung mehr Kontrolle, verstärkt noch durch Internet, wo jeder Fehltritt einzelner Menschen lautstark kommentiert wird. Dadurch wird ein öffentlicher Druck aufgebaut, der die Politik dazu zwingt, auch auf dem Gebiet der Moral immer neu Gesetze zu verabschieden oder alte zu verschärfen.

Warum das? Die 68-er haben viele Gesetze und Normen über Bord geworfen, was aber eine Folge hatte, die keiner vermutete: Während man früher die Schuld für alles Schlechte und Misslungene dem Schicksal oder dem Gott oder dem Teufel oder der Obrigkeit, also dem Staat in die Schuhe schieben konnte, wurden die Menschen durch die erlangte Freiheit auf sich selbst geworfen, sprich sie wurden für alles selbst verantwortlich. Aber aus der Verhaltensforschung weiß man, dass Menschen stabile Verhältnisse innerhalb einer Gruppe/Gesellschaft präferieren; sie wollen wissen, voran sie sind. Und sie wollen geführt werden, um sich selbst zu entlasten, um bei gesellschaftlichen Ereignissen von Bedeutung einen Verantwortlichen/Schuldigen zu haben.

An dieser Stelle sind wir jetzt: Selbst wenn es uns mehrheitlich besser geht als je in unserer Geschichte zuvor, wird an den Institutionen des Staates rumgemeckert wie nie zuvor: Weil der Staat angeblich nicht stark genug erscheint, nicht hart genug oder zu uneinheitlich durchgreift. Nur die alt 68-er und jene, die eine humanistische Bildung genossen haben, sperren sich noch, dem allgemeinen Ruf nach mehr Staat nachzugeben – und werden deswegen als Gutmenschen beschimpft.

Man muss sich das einmal vorstellen: Ein guter Mensch wird beschimpft, weil er gut ist, weil er sich seiner Verantwortung als Mensch stellt, weil er human handelt.

 
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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Campingliesel » Di 27. Okt 2020, 21:16

@Aria:

Kinder wollen nicht so sein, wie ihre Eltern. Sie wurden zwar – bei den FKK-lern sogar durch Beispiel – dazu erzogen, sich nicht ihrer Sexualität und ihrer Nacktheit zu schämen, aber um erwachsen zu werden mussten sie sich von ihnen emanzipieren. Am leichtesten geht das über die Moral: Wer früher streng erzogen wurde, plädiert nun für mehr Freiheit, und wer mit viel Freiheit erzogen wurde, plädiert anschließend für mehr Grenzen und Normen.


Ich habe Dir das schon mal gesagt, daß das Quatsch ist und man das auch absolut nicht auf alles verallgemeinern kann. Das ist viel zu pauschal und allgemein gesagt. Du gehst da wohl wieder mal von Dir selbst aus.

KInder wollen vielleicht nicht ganz genauso sein wie die Eltern, sondern machen manches eben anders, weil die Möglichkeiten und Mittel auch andere sind, aber das heißt nicht, daß sie sich in allem gegen die Eltern stellen. Meine Brüder und ich sind auch nicht genauso wie die Eltern waren, aber es gibt trotzdem Ähnlichkeiten und auch Unterschiede. Aber wir haben nie etwas prinzipiell anders gemacht, nur um uns gegen die Eltern zu stellen und das war auch nicht nötig, um erwachsen zu werden. Wir hatten nicht das Gefühl wie Du vielleicht, uns von den Eltern zu emanzipieren zu müssen. Und im Punkt FKK schon mal gar nicht. Warum meine Kinder nun im Punkt FKK anders denken, habe ich schon mehrmals erklärt, aber es ging ihnen sicher nicht einfach darum, sich mir entgegen zu stellen. Sie hatten eben einfach nicht diese enge Begeisterung und Beständigkeit für die FKK entwickelt, und in den 90ern war dieses Thema bei uns nicht aktuell, weil ich auch keine FKK wegen mangelnder Gelegenheit gemacht habe. Und nicht, weil ich plötzlich prüde Ansichten hatte und diese den Kindern vermittelt hätte.
Wenn es heute nicht das Problem mit der Smartphone-Knipserei gäbe und manche anderen sexuellen Dinge, die fälschlicherweise im Zusammenhang mit der FKK immer wieder passieren oder bekannt werden würden, vor allem im Internet, hätten sie sicher auch nichts gegen die FKK. In die Sauna gehen sie ja auch.

 
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Re: Welche Gründe siehst du für das Aussterben von FKK?

Beitrag von Eule » Mi 28. Okt 2020, 01:19

Eigentlich wollte ich abwarten, ob noch weitere Beiträge von anderen Usern kommen. Da jedoch CL wieder fleißig dabei ist, mit ihrem Unverständnis, besser Nichtverstehen, diese Diskussion wieder zu vermüllen, will ich direkt antworten und so den Faden für alle sichtbar erhalten.


@ Aria
Kinder wollen nicht so sein, wie ihre Eltern.
Dieses hätte ich früher auch so gesagt, bin mir heute jedoch nicht mehr sicher, ob man dieses so pauschal sagen darf und kann. Kinder wollen ihre Position selbst bestimmen und sie wollen dieses in eigener Verantwortung ausführen. Sie wollen sich selbst in dem erkennen, was sie machen. Der gesamtgesellschaftliche Anspruch an die Kinder bis zu den 68'ger Jahren war der, dass sie das Lebenswerk ihrer Vorfahren fortzuführen hatten und dieses als ein unbedingtes und erstrebenswertes Ziel verstanden. Gegen diese Haltung und gegen die aus dieser Haltung erwachsenen Ordnung richtete sich der Spruch: "Unter den Talaren ist der Mief von tausend Jahren!" Die Sexualität, die Nacktheit der 68'ger verbunden mit der Forderung der freien Liebe war ein probates Mittel, diesen Protest auszudrücken und das biedere Bürgertum zu verschrecken.

Es ist ein deutsches Trauerspiel, dass es den Studenten nicht gelingt, die Bevölkerung mit ihren Gedanken zu erreichen und diese mitzunehmen. In der breiten Bevölkerung kam nur der Protest gegen den Vietnamkrieg und sein Antiamerikanimus einerseits und anderseits die Befreiung der engen sexuellen Normen durch den Nudismus, hier FKK genannt, an. Wer modern sein wollte, machte unbekleidet Urlaub, sonnte sich und badete unbekleidet. Die Form war das Ziel, die Form war der Inhalt.

Ich habe den Eindruck, dass du den Begriff der moralischen Wende von Helmut Kohl zu verengt siehst. Natürlich, Kohl war ein konservativer Politiker, der eine Ordnung wieder herstellen wollte, weil sich die 68'ger als anarchisch darstellten. Er hast aber nicht das Ziel gehabt, die alte Ordnung der 1950-ger Jahre wieder herzustellen. Zumindest in dieser Richtung hat er nichts unternommen. Es sollte eine Wende im moralischen Verständnis erreicht werden und dieses in dem Sinne, dass ein jeder einzelne Bürger Verantwortung für sich und das Gemeinwesen übernehmen müsse. Dem stand das Verständnis der lustbetonten 68'ger Anarchie gegenüber, die statt Verantwortung der Lust freien Raum geben wollten.

Da dieser 68'ger Anarchie ein politisches Konzept fehlte, was typisch für eine Anarchie ist, war sie im großen Raum politisch wirkungslos verpufft. Dieser Fehlschlag führte zur Gründung der RAF (1. Generation). Ulrike Meinhof wollte die sozialen Verkrustungen aufbrechen und dieses notfalls mit Gewalt. Und damit geriet sie in die Verstrickungen des Terrors und sie konnte sich daraus nicht mehr befreien. Das brave Bürgertum sah nur diesen Terror und litt darunter. Somit war dieser Weg zu einer neuen sozialen Ordnung zu finden, gescheitert.

Der Prager Frühling war für uns ein sehr interessanten Modell, weil es ja einen neuen Weg zwischen dem Kapitalismus und dem Sozialismus finden und entwickeln wollte. Für mich persönlich stand die Frage an, ob das Modell der sozialen Marktwirtschaft, so wie dieses in der Bundesrepublik damals noch bestand, jetzt von der sozialistischen Seite neu formuliert würde oder wie dieses neue Modell denn aussehen würde. Während meiner Abschlussprüfungen wurde dieses Modell von den Panzern des Warschauer Pakte niedergewalzt. Diese Ereignisse in Prag haben uns seinerzeit mehr beschäftigt und beunruhigt, als unsere Abschlussprüfungen.

Bezogen auf unser Thema stellt sich die Frage, welche Auswirkungen hier zu erkennen sind. Der Ruf nach der "freien Liebe" führte zu einem Nudismus, der keinerlei sexuelle Ausprägung beinhaltete. Es war ein formaler Akt, der die eigene Modernität beweisen sollte, ohne diesem einen Sinn zu geben. Der DFK verstand es nicht, weil wohl ebenfalls dem braven Bürgertum angehörig, diese Welle als eine große Chance zu sehen und dem formalen Handeln dieser Nudisten einen tieferen Sinn zu eröffnen. Der DFK hat die sog. freien FKK'ler als moralisch nicht integer abgelehnt und befürchtete so in ein schlechtes Licht gesetzt zu werden. Als die Well der Modernität sich in eine relative Normalität wandelte, verlor diese Welle ihren Reitz. Sie lief einfach aus.

Warum sollen die Kinder der 68'ger und der Teilnehmer an der nudistischen Welle ein Verhalten ihrer Eltern übernehmen und verteidigen, wenn diesem Verhalten kein innerer Wert zugeordnet wurde. Ein Baum, der nur aus der Rinde besteht, bricht auch zusammen und vermodert. Welche Freiheit vermittelt die FKK? Cl hat auf diese Fragen mehrmals nicht geantwortet, weil sie der FKK keinen Sinn zuordnen kann. Sie verbleit in einer formalen Begründung und glaubt damit, den Kern der Sache getroffen zu haben. Diese Sprachlosigkeit habe ich jedoch nicht nur bei CL erlebt, sondern bei vielen Menschen, die sich als überzeugte FKK'ler bezeichneten. Nur ein moralisches Überlegenheitsgefühl den Textilern gegenüber vermag nicht sinnstiftend zu sein.

Insbesondere die Jugend von Heute ist nach der Frage eines Sinnes für das gesellschaftliche Handeln. Sie fordert eine Nachhaltigkeit, eine Verantwortung der Natur gegenüber und sie steht damit, ohne es zu wissen, der Philosophie der Reformbewegung und der FKK nahe. Wer jetzt der Jugend mit altbackenen Begründungen kommt, darf sich nicht wundern, als solches verstanden und abgelehnt zu werden.

Die Beschimpfung einiger User hier mit dem Vokabular der AfD trifft mich nicht. Diese User begreifen nicht, dass sie einem Ideal des 19. Jahrhunderts anhängen, was zu zwei Weltkriegen führte oder sie plappern halt gedanken- und sinnlos Parolen nach, die sie von der AfD hören.

Aber aus der Verhaltensforschung weiß man, dass Menschen stabile Verhältnisse innerhalb einer Gruppe/Gesellschaft präferieren; sie wollen wissen, voran sie sind. Und sie wollen geführt werden, um sich selbst zu entlasten, um bei gesellschaftlichen Ereignissen von Bedeutung einen Verantwortlichen/Schuldigen zu haben.
Ja, dieses ist ein Verhalten, welches mir große Sorgen macht. Je besser es uns wirtschaftlich geht, desto stärker bildet sich dieses Verhalten. Aus dieser Beobachtung heraus habe ich ja den Satz geprägt:"Wer für sein Handeln die Verantwortung los geworden ist, der handelt verantwortungslos!"

Zusammenfassend bedeutet es für mich, wir müssen der heutigen Jugend und ihren Eltern einen Sinn anbieten, welcher innhalb der FKK und/oder des Nudismusses zu finden ist. Gelingt uns diese sinnerklärende bzw. -stiftende Begründung nicht, dann verbleibt die FKK und der Nudismus in seiner altbackenen Begründung gefangen.

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