Eigentlich wollte ich abwarten, ob noch weitere Beiträge von anderen Usern kommen. Da jedoch CL wieder fleißig dabei ist, mit ihrem Unverständnis, besser Nichtverstehen, diese Diskussion wieder zu vermüllen, will ich direkt antworten und so den Faden für alle sichtbar erhalten.
@ Aria
Kinder wollen nicht so sein, wie ihre Eltern.
Dieses hätte ich früher auch so gesagt, bin mir heute jedoch nicht mehr sicher, ob man dieses so pauschal sagen darf und kann. Kinder wollen ihre Position selbst bestimmen und sie wollen dieses in eigener Verantwortung ausführen. Sie wollen sich selbst in dem erkennen, was sie machen. Der gesamtgesellschaftliche Anspruch an die Kinder bis zu den 68'ger Jahren war der, dass sie das Lebenswerk ihrer Vorfahren fortzuführen hatten und dieses als ein unbedingtes und erstrebenswertes Ziel verstanden. Gegen diese Haltung und gegen die aus dieser Haltung erwachsenen Ordnung richtete sich der Spruch: "Unter den Talaren ist der Mief von tausend Jahren!" Die Sexualität, die Nacktheit der 68'ger verbunden mit der Forderung der freien Liebe war ein probates Mittel, diesen Protest auszudrücken und das biedere Bürgertum zu verschrecken.
Es ist ein deutsches Trauerspiel, dass es den Studenten nicht gelingt, die Bevölkerung mit ihren Gedanken zu erreichen und diese mitzunehmen. In der breiten Bevölkerung kam nur der Protest gegen den Vietnamkrieg und sein Antiamerikanimus einerseits und anderseits die Befreiung der engen sexuellen Normen durch den Nudismus, hier FKK genannt, an. Wer modern sein wollte, machte unbekleidet Urlaub, sonnte sich und badete unbekleidet. Die Form war das Ziel, die Form war der Inhalt.
Ich habe den Eindruck, dass du den Begriff der moralischen Wende von Helmut Kohl zu verengt siehst. Natürlich, Kohl war ein konservativer Politiker, der eine Ordnung wieder herstellen wollte, weil sich die 68'ger als anarchisch darstellten. Er hast aber nicht das Ziel gehabt, die alte Ordnung der 1950-ger Jahre wieder herzustellen. Zumindest in dieser Richtung hat er nichts unternommen. Es sollte eine Wende im moralischen Verständnis erreicht werden und dieses in dem Sinne, dass ein jeder einzelne Bürger Verantwortung für sich und das Gemeinwesen übernehmen müsse. Dem stand das Verständnis der lustbetonten 68'ger Anarchie gegenüber, die statt Verantwortung der Lust freien Raum geben wollten.
Da dieser 68'ger Anarchie ein politisches Konzept fehlte, was typisch für eine Anarchie ist, war sie im großen Raum politisch wirkungslos verpufft. Dieser Fehlschlag führte zur Gründung der RAF (1. Generation). Ulrike Meinhof wollte die sozialen Verkrustungen aufbrechen und dieses notfalls mit Gewalt. Und damit geriet sie in die Verstrickungen des Terrors und sie konnte sich daraus nicht mehr befreien. Das brave Bürgertum sah nur diesen Terror und litt darunter. Somit war dieser Weg zu einer neuen sozialen Ordnung zu finden, gescheitert.
Der Prager Frühling war für uns ein sehr interessanten Modell, weil es ja einen neuen Weg zwischen dem Kapitalismus und dem Sozialismus finden und entwickeln wollte. Für mich persönlich stand die Frage an, ob das Modell der sozialen Marktwirtschaft, so wie dieses in der Bundesrepublik damals noch bestand, jetzt von der sozialistischen Seite neu formuliert würde oder wie dieses neue Modell denn aussehen würde. Während meiner Abschlussprüfungen wurde dieses Modell von den Panzern des Warschauer Pakte niedergewalzt. Diese Ereignisse in Prag haben uns seinerzeit mehr beschäftigt und beunruhigt, als unsere Abschlussprüfungen.
Bezogen auf unser Thema stellt sich die Frage, welche Auswirkungen hier zu erkennen sind. Der Ruf nach der "freien Liebe" führte zu einem Nudismus, der keinerlei sexuelle Ausprägung beinhaltete. Es war ein formaler Akt, der die eigene Modernität beweisen sollte, ohne diesem einen Sinn zu geben. Der DFK verstand es nicht, weil wohl ebenfalls dem braven Bürgertum angehörig, diese Welle als eine große Chance zu sehen und dem formalen Handeln dieser Nudisten einen tieferen Sinn zu eröffnen. Der DFK hat die sog. freien FKK'ler als moralisch nicht integer abgelehnt und befürchtete so in ein schlechtes Licht gesetzt zu werden. Als die Well der Modernität sich in eine relative Normalität wandelte, verlor diese Welle ihren Reitz. Sie lief einfach aus.
Warum sollen die Kinder der 68'ger und der Teilnehmer an der nudistischen Welle ein Verhalten ihrer Eltern übernehmen und verteidigen, wenn diesem Verhalten kein innerer Wert zugeordnet wurde. Ein Baum, der nur aus der Rinde besteht, bricht auch zusammen und vermodert. Welche Freiheit vermittelt die FKK? Cl hat auf diese Fragen mehrmals nicht geantwortet, weil sie der FKK keinen Sinn zuordnen kann. Sie verbleit in einer formalen Begründung und glaubt damit, den Kern der Sache getroffen zu haben. Diese Sprachlosigkeit habe ich jedoch nicht nur bei CL erlebt, sondern bei vielen Menschen, die sich als überzeugte FKK'ler bezeichneten. Nur ein moralisches Überlegenheitsgefühl den Textilern gegenüber vermag nicht sinnstiftend zu sein.
Insbesondere die Jugend von Heute ist nach der Frage eines Sinnes für das gesellschaftliche Handeln. Sie fordert eine Nachhaltigkeit, eine Verantwortung der Natur gegenüber und sie steht damit, ohne es zu wissen, der Philosophie der Reformbewegung und der FKK nahe. Wer jetzt der Jugend mit altbackenen Begründungen kommt, darf sich nicht wundern, als solches verstanden und abgelehnt zu werden.
Die Beschimpfung einiger User hier mit dem Vokabular der AfD trifft mich nicht. Diese User begreifen nicht, dass sie einem Ideal des 19. Jahrhunderts anhängen, was zu zwei Weltkriegen führte oder sie plappern halt gedanken- und sinnlos Parolen nach, die sie von der AfD hören.
Aber aus der Verhaltensforschung weiß man, dass Menschen stabile Verhältnisse innerhalb einer Gruppe/Gesellschaft präferieren; sie wollen wissen, voran sie sind. Und sie wollen geführt werden, um sich selbst zu entlasten, um bei gesellschaftlichen Ereignissen von Bedeutung einen Verantwortlichen/Schuldigen zu haben.
Ja, dieses ist ein Verhalten, welches mir große Sorgen macht. Je besser es uns wirtschaftlich geht, desto stärker bildet sich dieses Verhalten. Aus dieser Beobachtung heraus habe ich ja den Satz geprägt:
"Wer für sein Handeln die Verantwortung los geworden ist, der handelt verantwortungslos!" Zusammenfassend bedeutet es für mich, wir müssen der heutigen Jugend und ihren Eltern einen Sinn anbieten, welcher innhalb der FKK und/oder des Nudismusses zu finden ist. Gelingt uns diese sinnerklärende bzw. -stiftende Begründung nicht, dann verbleibt die FKK und der Nudismus in seiner altbackenen Begründung gefangen.