von BOeinNackter » Di 5. Jul 2022, 14:30
@HTJ
Du hast das sehr gut geschildert. Alerdings gab es, vor allem für VereinsnaturistInnen in den 60ern keine Blüte der FKK sondern einfach mehr Nackte an den Stränden. Nacktbaden wurde fast zu einer Art Mode. in den 70ern gab es von verschiedenen Reiseunternehmen Spezialkataloge für FKK. Der DFK und die Vereine sahen diese Entwicklung allerdings offensichtlich kritisch. Sie vermuteten irgendwie unkontrollierte, unsaubere Nacktheit in den Urlaubsorten. Die Vielfalt der Angebote stellte auch eine Konkurrenz für die Angebote des DFK dar, dem nichts bessereres einfiel, als nur den eigenen Angeboten das Siegel echter Freikörperkultur zu verleihen. Das ist heute Geschichte aber noch heute gibt es Vereinsmitglieder, die sich sittlich über diese wilde Nacktheit erheben.
Die Befreiung der Sexualität brachte tatsächlich mehr Auseinandersetzung und Informationen, auch die Überlegung, wie man es seinen Kindern erzählt. Zuletzt erlaubte man es den Schlen, dieses Problem zu lösen.
Da sich alles über Sex besser verkaufen ließ, wurden besonders die weiblichen Körper als Werbemittel und Ware immer offener ausgebeutet. Statt nun nur gegen diese Vermarktung anzugehen wurde die ganze Idee einer sexuellen Befreiung in Mitleidenschaft gezogen. Auch mit den Vorstellungen von perfektem Sex wurde viel Schaden für die Einstellung zum eigenen Körper angerichtet. Sex wurde manchen zu einer Art Sport. Dazu kam immer mehr Ideen und Ansprüche an die Optimierung von Körperformen und Körperfähigkeiten.
Die massenhafte, mediale Verbreitung von Sexfilmen und Pornografie in Privatfernsehen, Videos und Internet machte das alles noch allgegenwärtiger.
Was uns allen nie wirklich gelungen ist, ist, uns zuzugestehen, 1. unseren realen, eigenen Körper, unsere eigene Sexualität, unsere eigenen Gefühle kennenzulernen und 2. ordentliche, wahrhaftige Gespräche über Sexualität zu führen. Eigentlich wäre das für Naturisten naheliegend. Leider haben aber Naturisten fast genau so viele Probleme über ihre Nacktheit und ihre Sexualität zu reden, wie alle anderen. Naturistische Nacktheit wird ja sogar als asexuell bezeichnet. Über dieses in diesem Bereich nicht vorhandene wird eben auch nicht geredet, wohl nicht mal unter SexualpartnerInnen.
Jetzt habe ich schon mehrfach einen Satz von Anna Halprin zitiert:
Nacktheit wird immer mit etwas Verbotenem verbunden, der Sexualität. Andererseits, was ist so schlimm an Sexualität?
Ich kenne Menschen, die sich nie unter anderen Leuten ausziehen würden, für die sexuelle Fragen aber ein Problem sind. Naturisten, die platt behaupten, Nacktheit habe nichts mit Sexualität zu tun, finden solche Leute etwas merkwürdig. Aha, so sind sie, die NaturistInnen, eigenartig, verschroben, unverständlich.
Wenn man erzählt, was man so alles nackt macht, kommt kaum jemand auf den Gedanken, dass das alles mit Sexualität zu tun hat. Sicher könnte man auch angezogene Menschen fragen, welche sexuellen Gefühle beim Kaffeetrinken, Essen, Wandern, Gärtnern, Massieren, Schwimmen, Lesen, Ballspielen oder beim Tanzen wach werden. Wer tut das? Ist schon der Genuß einer Speise, ein Duft, eine Berührung oder das Wohlgefühl von Luft oder Wasser auf der Haut etwas sexuelles? Wird es etwas Schlimmes, wenn es so sein sollte? Die Frage danach, was denn so schlimm daran ist, sollte uns immer in den Kopf kommen, wenn es um Sexualität geht.
Im Übrigen geht es bei der Entblößung von Penis, Vulva und Anus nicht nur um Sexualität, sondern auch um Ausscheidung. Nackt wird auch dieser Aspekt unseres Körpers und seiner natürlichen Funktion offenbar.