Nacktheit: Sexualisierung und Schönheitswahn

[HTJ]

Ich will mich ja nicht um irgendwelche Rocklängen streiten. Darum geht es ja nur indirekt. Bis jetzt hat ja noch niemand wirklich Gründe für die veränderte Einstellung zu Nacktheit und FKK vorbringen können. Dass sich Phasen eben einfach so abwechseln ohne Grund glaube ich nicht. Nichts passiert ohne Grund. Das beste Beispiel ist der von Aria vorgetragene Fakt, dass Gesellschaften zu Gewalt neigen, wenn es ein Überschuss an jungen Männern gibt, die am wirtschaftlichen Leben nicht teilhaben können. Gewalt fängt eben nicht bei Mord und Todschlag oder Krieg an. Das Problem ist nur, dass es bei den Rocklängen und Einstellung zu Nacktheit und FKK immer um gefühlten Wohlstand geht. Sicher geht es den Menschen heutzutage gut gegenüber vorhergehenden Jahrhunderten. Aber der von mir angesprochene Neoliberalismus zwingt eben die Menschen, nicht aus der Reihe zu tanzen, und man muss einen perfekten Körper haben, um fit fürs Arbeitsleben zu sein.

[Tim007]

Aber der von mir angesprochene Neoliberalismus zwingt eben die Menschen, nicht aus der Reihe zu tanzen, und man muss einen perfekten Körper haben, um fit fürs Arbeitsleben zu sein.

Eine seltsame Schlussfolgerung.

Abgesehen davon, dass man fürs Arbeitsleben wohl kaum einen "perfekten Körper" braucht, ist genau das Gegenteil zutreffend. Wenn Menschen, wie in der DDR, durch den Staat drangsaliert werden, suchen sie sich Freiräume im Privaten. Dazu gehört auch FKK.

[Aria]

Bis jetzt hat ja noch niemand wirklich Gründe für die veränderte Einstellung zu Nacktheit und FKK vorbringen können. Dass sich Phasen eben einfach so abwechseln ohne Grund glaube ich nicht.

Natürlich geschieht nichts ohne Grund. Auch der Wechsel zwischen den Phasen Laissez-faire und verstärkten Kontrolle lässt sich erklären. Darüber habe ich schon mehrfach geschrieben, zuletzt wohl hier. Das war vor deiner Anmeldung im Forum, aber weil ich die Diskussion mit dir als angenehm empfinde, kopiere ich meinen Beitrag hierher, damit auch du was dazu sagen kannst – Folgendes ist ein Zitat:

Vielen Dank, Hans H., für deinen Beitrag vom Di 25. Jul 2017, 00:20, aus dem ich nur das zitieren möchte:

Das Thema der "sexuellen Revolution" ist auch sehr viel vielschichtiger, als so pauschal dahin geschrieben.

Das ist natürlich wahr. Aber wahr ist auch, dass die ehemaligen 68er heute alle im Rentenalter sind, was fast automatisch mit sich bringt, dass sie konservativer geworden sind. Wenn man 40 Jahre alt wird, ist es gewöhnlich Schluss mit der Aufsässigkeit, da versucht man, sich in Arbeitsprozesse zu integrieren, um für die Familie sorgen zu können.

Denn obwohl der junge Marx was von permanenter Revolution schrieb, sind auch Revoluzzer ganz normale Menschen, die Familien gründen, Kinder haben möchten, etc. Solche Prozesse kann man immer wieder beobachten, derzeit läuft das in Kolumbien ab: Nach dem Krieg kommen die Kinder.

Was ich sagen wollte: Nach jeder Phase der (stürmischen) Veränderungen kommt die Phase der Konsolidierung, danach die der (teilweisen) Restauration zu früheren Verhältnissen. Diesen Verlauf kann man nach allen Revolutionen beobachten. Das bedeutet meistens, jedoch nicht immer: 2 Schritte vorwärts, 1 Schritt zurück.

Wir befinden uns derzeit in der Phase der Restauration, die schätzungsweise noch 20 oder 30 Jahre dauern wird – wenn wir Glück haben, weniger, wenn wir Pech haben, mehr. Das bedeutet zunächst noch mehr Gesetze, die die Bürgerrechte einschränken werden, dies natürlich mit voller Zustimmung der Bevölkerung, denn die Politik folgt immer den Stimmungen im Volk, das in seiner Mehrheit meistens konservativ eingestellt ist. Veränderungen in die Gegenrichtung kann es nur geben, wenn es der Jugend zu viel wird an Einschränkungen, doch derzeit sieht es nicht danach aus.


PS: Aus deinem Beitrag vom Di 25. Jul 2017, 12:33 zitiere ich das:

Wer kann heute noch in feinster dienstlicher Kleidung mit Krawatte in der Mittags-Runde mit Kollegen und Geschäftspartnern, wenn über den vergangenen Sonntag gesprochen wird, sagen, dass er an dem See xx war, weil man da nackt baden kann? In den 1970ger Jahren waren solche Gespräche auch in Firmen und auch in Gesprächsrunden der leitenden Mitarbeiter möglich, ohne dass irgend jemand "schräg" reagiert hätte. Schon seit Anfang der 1990ger Jahre wurde es unmöglich in dienstlichen Gesprächskreisen so etwas zu äußern.

Das bestätigt voll die Ansicht, dass wir uns seit den 90er Jahren in Restauration zu den Verhältnissen vor 68 befinden.

[Campingliesel]

Aber der von mir angesprochene Neoliberalismus zwingt eben die Menschen, nicht aus der Reihe zu tanzen, und man muss einen perfekten Körper haben, um fit fürs Arbeitsleben zu sein.

Eine seltsame Schlussfolgerung.

Abgesehen davon, dass man fürs Arbeitsleben wohl kaum einen "perfekten Körper" braucht, ist genau das Gegenteil zutreffend. Wenn Menschen, wie in der DDR, durch den Staat drangsaliert werden, suchen sie sich Freiräume im Privaten. Dazu gehört auch FKK.

In bestimmten Berufen, wo es um die äußerliche Erscheinung geht, kommt es schon oft auf einen perfekten Körper an. Oder zumindest gut gestylt, vorteilhaft angezogen. Es soll schon Leute gegeben haben, die einen bestimmten Job wegen wesentlich zuviel Übergewicht nicht bekommen haben. Oder wer eben wirklich als potthäßlich betrachtet wird, bekommt kaum einen Job in einer Bank oder Firma, wo es auch auf die äußere Erscheinung und Präsentation ankommt. Sicher kann man in manchen Fällen durch die richtige passende Frisur, Make-up, Kleidung ganz gut nachhelfen, aber das ist oft auch teuer und anstrengend, wenn man sich jeden Tag so aufstylen muß.

[Tim007]

Das stimmt. Gut aussehende Menschen hatten und haben es besser, und eine Stewardess mit 120 kg Lebendgewicht wird in ihrem Job keine Karriere machen können.

Ich gehe jedoch davon aus, dass HTJ das nicht gemeint hat. Der Mensch muss funktionieren. Der grausame Neoliberalismus zwingt ihn dazu, seine 16 Stunden am Fließband abzuarbeiten ...

[Eule]

@ HTJ
Dein Startposting habe ich erst jetzt lesen können. Mir wird nicht deutlich, worauf du mit diesem Posting zielst. Da werden verschiedene Sachverhalte miteinander vermengt, so dass ein differenzierte Eingehen auf dein Posting schwer möglich ist. Jedoch fand ich in deinen Ausführungen keinen Bezug zum Thema, welches du diesem Thread gegeben hast. In welchem Bezug steht der Bericht über das marokkanische Human zum Thema der Nacktheit: Sexualisierung und Schönheitswahn? Natürlich könnte ich jetzt etwas dazu sagen. Aber es geht dort doch nur um eine natürliche und entspannte Nacktheit, ohne jeglichen Bezug zur Sexualisierung und zum Schönheitswahn. Was hat die Zeit des "Wirtschaftswunder" mit dem hiesigen Thema zu tun? Was hat der Neoliberalismus mit dem Thema zu tun und warum sprichst du dich gegen die Eigenverantwortung aus? Muss ich davon ausgehen, dass es dir an einer verbindlichen und allgemeinen gültigen Regelung des Lebens geht, welches sich im Punkte der Nacktheit im Sinne der Sexuaslisierung und des Schönheitswahns negativ auswirkt?

Du sprichst die wirtschaftliche Entwicklung an und verweist dann auf die Entwicklung der Mode. Welche Bedeutung hat nun die Entwicklung der Wirtschaft und die der Mode auf die von dir hier aufgeworfene Fragestellung? Ich kann dir hier soziologisch, wirtschaftspolitisch, nach den verschiedenen politischen Theorien antworten und eine Fülle von unterschiedlichen und sich widersprechenden Aussagen bringen, die jede für sich gesehen korrekt und richtig sind.

Siehst du die Nacktheit im Sinne einer Sexualisierung und eines Schönheitswahns, oder als ein Gegensatz zu ihr? Du solltest schon konkreter sagen, welche Meinung du hast und was du hier erörtern möchtest.

[Campingliesel]

@ HTJ

Sicher gibt es auch eine Sexualisierung (@ Campingliesel) Aber nicht in der Form, daß die Menschen beim FKK Angst haben dort sexuelle Aktivitäten zu erwarten. Sondern daß in den Medien in den 1990er Jahren meist Nacktheit zusammen mit dem Rotlicht-Milieu gezeigt wurede.

Vollkommen richtig erfaßt! Genau diese hergestellte Verbindung ist es, die die FKK kaputt macht und was ich unter der Sexualisierung der FKK auch verstehe.

[Campingliesel]

Wer kann heute noch in feinster dienstlicher Kleidung mit Krawatte in der Mittags-Runde mit Kollegen und Geschäftspartnern, wenn über den vergangenen Sonntag gesprochen wird, sagen, dass er an dem See xx war, weil man da nackt baden kann? In den 1970ger Jahren waren solche Gespräche auch in Firmen und auch in Gesprächsrunden der leitenden Mitarbeiter möglich, ohne dass irgend jemand "schräg" reagiert hätte. Schon seit Anfang der 1990ger Jahre wurde es unmöglich in dienstlichen Gesprächskreisen so etwas zu äußern.

Wenn man zufällig in der Nähe eines solchen Sees gewohnt hat, der FKK-Platz bekannt war, dann konnte es möglich sein, daß darüber auch so offen geredet wurde. ABer solche offenen FKK-Plätze gab es in den 70ern in der BRD äußerst selten.

In unserer Gegend gab es jedenfalls nichts dergleichen. Es gab mehrere FKK-Vereine in Bayern, auch den einen oder anderen an den großen Bayrischen Seen, der dort vielleicht bekannt war, aber nicht in Nordbayern. Und hier wurde jedenfalls in Kollegenkreisen oder in der Schule nie darüber gesprochen, wenn jemand FKK machte. Das einzige, was hie und da jemandem auffallen konnte, war, wenn jemand keine weißen Ränder oder Streifen durch Badekleidung hatte. Und selbst da wurde eher mal die Ausrede gebraucht, daß es vom Solarium käme als daß man zugab, daß man FKK macht.
In anderen BL, wo es kaum bekannte und offene FKK-Möglichkeiten gab, war es mit Sicherheit ähnlich.

[Blood Moors]

ABer solche offenen FKK-Plätze gab es in den 70ern in der BRD äußerst selten.

Ich glaube, du bist die Einzige, die hier ständig diese Behauptung aufstellt. Von anderen Usern wurde hier schon sehr oft bestätigt, dass in den 1970er Jahren die wilde FKK förmlich explodierte, die dann Ende der 90er Jahre langsam wieder abebbte. Auch wenn du nichts anderes als deinen FKK-Verein gekannt hast, kannst du das ruhig mal zur Kenntnis nehmen. Brauchst dich nicht zu wundern, dass dir hier von gewissen Usern Starrsinn vorgeworfen wird.

[Campingliesel]

ABer solche offenen FKK-Plätze gab es in den 70ern in der BRD äußerst selten.

Ich glaube, du bist die Einzige, die hier ständig diese Behauptung aufstellt. Von anderen Usern wurde hier schon sehr oft bestätigt, dass in den 1970er Jahren die wilde FKK förmlich explodierte, die dann Ende der 90er Jahre langsam wieder abebbte. Auch wenn du nichts anderes als deinen FKK-Verein gekannt hast, kannst du das ruhig mal zur Kenntnis nehmen. Brauchst dich nicht zu wundern, dass dir hier von gewissen Usern Starrsinn vorgeworfen wird.

Wo bitte soll die wilde FKK in der BRD in den 70ern denn explodiert sein? Ich könnte mir das evtl an der Nord- und Ostseeküste, auf den Inseln und im Hinterland vorstellen.
Aber in der eher südlichen Hälfte von D fand die Explosion eher erst nach der Wende statt, als es plötzlich an vielen Seen solche Plätze gab, wo vorher nie jemand auch nur daran dachte. Oder daß Vereine sich daraufhin auch als offene Campingplätze öffneten, um nicht ganz unterzugehen.
Ich kannte auch jemanden aus NRW, den ich mal im Urlaub in den 70ern kennengelernt hatte. Seine Familie machte in NRW keine FKK, weil es kaum Möglichkeiten gab und in die Vereine kam man nur schlecht rein, weil sie alle zu voll waren. Und er kannte sich in NRW schon sehr gut aus und hat auch sicher nach Möglichkeiten gesucht.

Warum waren denn die Wartelisten in den Vereinen damals immer noch so lange, wenn es schon soviele freie Plätze gegeben hätte? Und selbst in den 80ern war es teilweise noch so, wo es sonst keine Möglichkeiten gab? Viele begnügten sich halt dann mit einem FKK-Urlaub oder ein paar Kurzurlaube, die es nicht so weit bis ans Meer hatten.
Ich habe ja schon öfter eingeräumt, daß die Situation im Norden von D sicher etwas anders war als im Süden oder mehr in der Mitte.

Nur weil ich hier scheinbar die Einzige bin, die das schreibt, weil es auch nicht soviele User gibt, die aus Bayern sind und erstrecht nicht, die sich an den Themen beteiligen, muß ich noch lange nicht unrecht damit haben, so wie ich es sehe.