@ HTJ
Du kannst dir deine Gedanken darüber machen, ob der Mensch nur deswegen nackt ist, weil er sein Fell verloren hat oder nicht. Du kannst dir hier auch eine Theorie ausdenken, die deine Ansicht stützt. Nur bezweifle ich, dass deine Theorie, so wie du sie hier in groben Zügen vorgestellt hast, einer wissenschaftlichen Überprüfung standhält. Bedenke, deine Theorie ist im wissenschaftlichen Sinne falsch und widerlegt, wenn nur ein Aussagebestandteil sich als nicht zutreffend erweist.
Um zu einer belastbaren Theoriebildung zu kommen, musst du die Faktoren deiner Theorie benennen und sagen, was der Normalzustand ist. Der Begriff "Nackt" beschreibt immer ein Fehlen. Was fehlt, wird dann aus der Sache selbst deutlich oder extra aufgeführt. Bei dir wird dieser Normalzustand nicht benannt, sondern du sagst nur, der Mensch ist nicht nackt, weil er sein Fell verloren hat.
Der erste Beweis dieser deiner Aussage lautet, der Mensch ist nicht nackt, weil se sein Fell verloren hat, denn das Fell, welches der Mensch noch besitzt, reicht nicht aus, um ihn im Winter zu wärmen. Damit hast du jetzt zwei Negationen gesetzt, die miteinander in keiner Beziehung stehen. Diese beiden Negationen sind vielmehr dazu geeignet, die Theorie zu bestätigen, dass der Mensch mit dem Verlust des Felles nackt wurde, weil sein Restfell, welches der Mensch noch besitzt, diesen nicht vor den Witterungseinflüssen schützt.
Dein zweiter Beweis bezieht sich auf die Zivilisationsgeschichte des Menschen und die hierdurch veränderte Gestaltung der Umhüllung des Menschen, also seine Kleidung. Die Grundfrage, warum sich der Mensch bekleidet hat und unter welchen Voraussetzungen, wird von dir nicht betrachtet und übersprungen. Welche Bedeutung hat die Kleidung, welche Funktion? Wie unterscheidet sich der bekleidete Körper vom natürlichen Körper oder ist der bekleidete Körper der natürliche Körper?
Dein dritter Beweis soll den zweiten Beweis untermauern und du beziehst dich hier auf einen bestimmten Teil der menschlichen Zivilisationsgeschichte.
Dein vierter Beweis, der deine Theorie insgesamt belegen und erhärten soll, geht leider in seinem Ansatz schon daneben. Du sagst hier:
Es wäre durchaus denkbar, wenn der Mensch sein Fell behalten hätte, und es ihm trotzdem zu kalt wäre, er dann über dem Fell Kleidung getragen hätte, was dann wieder zur sozialen Norm geworden wäre.
Warum geht dieser doch so logisch klingende Satz daneben? Nun, du bringst hier zwei Faktoren zusammen, die jeder für sich einzeln für ihre Richtigkeit zu deiner Theoriebildung einstehen müssen und zusammen keine Wahrheit abbilden können, wenn nur eine der Faktoren nicht zutreffend ist. Weiter hast du dir die Frage nicht gestellt, ob der Mensch als vollständiger Fellträger nicht über ein Sommer- und Winterfell verfügen würde, wie dieses bei den Fellträgern unserer Breiten in der Regel zutrifft?
HTJ, mit diesem meinen Beitrag will ich deinen Gedankengang nicht verwerfen oder zerstören. Auch will ich jetzt noch keine Stellung zu deiner Theoriebildung von der Sache hier gesehen vornehmen. Mein Anliegen ist es, deine Theoriebildung im formalen Bereich zu unterstützen, damit die dort vorhandenen Fehler und Schwächen von dir erkannt und behoben werden können. Wenn deine Theoriebildung von der Form her stabil ist, dann können wir uns inhaltlich auseinander setzen.
Mein erster Vorschlag ist, beginne keine Theorie damit, dass eine andere falsch sei. Nur wenn du nachweisen willst, dass die Theorie falsch ist, der Mensch sei nackt, weil er sein Fell verloren habe, kannst du mit dieser Negation beginnen. Dieser Gegenbeweis, den du damit antreten willst, formuliert jedoch keine neue Theorie. Sie erweist sich als eine positive Beweisführung, wenn sie zutrifft, und als eine negative, wenn sie eben nicht zutrifft. Es bleibt dabei aber eben nur um eine Beweisführung.
Dass du die Nacktheit und den Fellverlust im Threadthema gegenüber stellst ist völlig korrekt und sehr gut. Stell dir jetzt das Thema in zwei Spalten vor. In der einen Spalte trägst du die Sachverhalte ein, die für dich für die Nacktheit relevant sind. Auf der anderen Seite, nämlich den Fellverlust, trägst du die Sachverhalte ein, die keinen Bezug zum Fell oder zum Verlust des Felles haben. So darf, um bei deinem Beispiel zu bleiben, der Schutz vor den Widrigkeiten der Natur bei der Nacktheit keine Rolle spielen, weil dieses beim Fellverlust als eine Folge des Fellverlustes angesehen werden kann und die Kleidung das Fell hier somit ersetzt oder ergänzt. Weiter dürfen zivilisatorische Sachverhalte nur insoweit eine Rolle spielen, soweit diese unabhängig von der Nacktheit und dem Fellverlust bestehen bleiben und keine Ersatzfunktion erfüllen können.
Du hast dich hier an ein großes Thema heran gewagt und zur Diskussion gestellt. Damit hast du meinen vollen Respekt. Ich hoffe nun, dass sich weitere User bereit finden, mit dir gemeinsam eine Begründung für eine Beweisführung gegen die Theorie, dass der Mensch nackt sei, weil er sein Fell verloren hat, entwickeln oder es sogar zu einer Theoriebildung kommt, die den Nacktheitsbegriff des Menschen vom Fellverlust loslöst und neu bestimmt.