Eine sehr spezielle Tour unter sehr speziellen Umständen.
Samstag, 15 Juli ist große Hitze angesagt. Daher wähle ich diesen 3000er im Stubaital. Außerdem ist er ohne Gletscherkontakt gehbar. Koomot sagt 1720 hm und ca. 18 km und 10,5 h Gehzeit (die Angaben stimmen leider immer nur sehr bedingt. insbesonders die Zeitangaben sind entweder viel zu lang oder auch zu kurz, wenn es zum Klettern wird). Immerhin heißt es die letzten 400 hm ein interessanter Blockgrat zum Gipfel.
Pünktlich um 8:00 geht es bei der Grawa-Alm los. Mit dem breitesten Wasserfall (angeblich).
Es geht also hinunter zum Fuße des Wasserfalls und dann in langen, flachen Kehren (fast kinderwagentauglich) hinauf. Daher nehme ich das nächste Steiglein entlang des Wasserfalls, nicht bedenkend das es ja heißt: "Für Abkürzungen haben wir keine Zeit." Als der Weg doch nicht mehr gekommen ist, schaue ich auf die Karte und sehe, dass er weit vom Wasserfall weg zieht. Also quer durch den Wald. hat leider gar nicht funktioniert, weil da hausgroße Felsblöcke im Wald liegen über die ich keinesfalls vernünftig drüber komme. Daher gut 50 hm wieder hinunter bis es mühsam aber doch richtung Weg geht.
Dafür wird es dann schon fast idyllisch
Der Zutritt ins Hochtal Sulzenaualm wird streng bewacht:
Keinen Millimeter ist er ausgewichen. Übrigens die lange Querung hierher ist sowohl auf Koomot als auch bei Suunto sehr falsch eingezeichnet (zusätzlich 110 hm Abstieg!).
Die Sulzenaualm ist sehr speziell und auch so früh schon "gut besetzt" (über Geschmack lässt sich nicht streiten!).
Ein imposanter Talschluss mit der Sulzenauhütte bereits sichtbar unmittelbar an der Geländekante.
Diese Morgenstimmungen sind schon besonders.
Es ist heute irgendwie für mich mühsam zu gehen. Ich bin recht langsam (700 hm und 1:45 h). Bis zur Hütte trinke ich bereits meine 1,5 l Wasser. Vor der Sulzenauhütte schlüpfe ich in meine kurze Hose. Während der kurzen Rast erfahre ich von der Wirtin noch, dass der Weg hinauf zum blauen See verlegt worden ist (die Brücke über den Bach oben gibt es nicht mehr).
Es geht also über diese Brücke und den nächsten Aufschwung hinauf (bereits wieder mit der Hose im Rucksack) zum Blauen See. Die Terrasse ist zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger leer.
Der Blaue See ist mit Steinmännchen gespickt - ein spezieller Anblick. Das Bad hebe ich mir für nachher auf.
Nach dem See geht es entlang der Seitenmoräne hinauf zum Aussichtspunkt Hundsheim (2822 m).
Wegen der angesagten Hitze habe ich sogar meinen Sonnenhut mitgenommen um Schatten auf Kopf und Nacken zu haben.
Mit dem ersten Blick auf den langen Grat:
Da bläst der Wind jedoch schon so stark, dass an den Sonnenhut gar nicht zu denken ist (außer als fliegende Untertasse). Hier treffe ich auch vier junge Leute, die sogleich fragen ob mir nicht kalt ist. Sie rasten nämlich mit Goretexjacke und Haube. Etwas windgeschützt mache ich auch nochmals Rast bevor es dann an den Grat geht.
Blick auf die schon eher mickrige Fernerstube. Vom Aperer Freiger Ferner ist außer einem Schneefeld nichts mehr zu sehen.
Drei von den vieren starten los. Auf mein "bis später" höre ich nur: "Am Gipfel wohl". Nach 15 min Pause folge ich. Die ersten ca. 70 hm sind noch Gehgelände bis zum eigentlichen Grataufschwung. Ab dort wird es spannend. Die Markierungen sind recht blass und nur bedingt sichtbar. D.h. immer wieder suchen, den nächsten Block erklettern und schauen ob jetzt da die Markierung sichtbar ist (ev. in Richtung Abstieg). Ein Verhauer hier bedeutet zurückkraxeln und einiges an Zeit- und Kraftverlust.
Bald habe ich die drei eingeholt und überholt. Der Wind ist nun durchgehend so stark, dass an ein aufrechtes Gehen auf diesen Blöcken (fast) nicht mehr zu denken ist. Dazu kommen die Böen und sehr unterschiedliche Windstärken je nach dem auf welcher Seite des Grates der Weg gerade verläuft.
Ein paar Impressionen dieses Grats:
Blick nach oben...
... und zurück
Ich überlege ernsthaft umzudrehen. Doch noch ist es machbar. Zwar sehr mühsam und mittlerweile durch den Wind auch richtig kalt (weiße Finger - Raynaud-Syndrom - nichts dramatisches jedoch ein Zeichen. Hatte ich schon lange nicht mehr. Allerdings heuer im Winter auch nicht entsprechend trainiert.). So arbeite ich mich stetig höchst konzentriert hinauf. 2x kommen wir Menschen entgegen. Das bedeutet, dass der Gipfel doch machbar ist. Zwei Einheimische geben mir unaufgefordert den Rat-Schlag: "Jetzt musst du dir sofort was anziehen. Der Sturm wird noch schlimmer." Der zweite Teil hat meines Erachtens (im Nachhinein) nicht gestimmt. Er blieb nur sehr konstant sehr stark. Die drei anderen sehe ich auch nicht mehr und so denke ich sie haben umgedreht.
Schließlich erreiche ich nach 50 min die Gipfelkuppe. Das Kreuz ist etwas unterhalb, fast in einer kleinen Mulde. Dies ergibt einen relativ windgeschützten Platz. Mein erster 3000er-Gipfel, den ich nackt erreicht habe. Sofort das Gipfelfoto...
...und dann sofort anziehen. Diesmal die Turnschuhe auch wegen der Socken (=wärmer) und sicherer hier im Abstieg.
20 min, einen Apfel und 1/2 kg Kirschen später verlasse ich diesen heute doch recht ungemütlich Ort. Wirklich aufgewärmt habe ich mich immer noch nicht (das Zittern ist weniger geworden - wie nach dem Schwimmen im Natureispalast!). Nun treffen auch die drei anderen ein. Gebückt über die Gipfelkuppe gehe ich zum Einstieg in den Grat. Der Abstieg dauert genauso lange wie der Aufstieg. Allerdings mit den paar Fotopausen.
Im Blick zurück (vom eigentlich Beginn des Grats) schaut er ja gar nicht so schlimm aus (und bei besseren Bedingungen ist er sicher viel angenehmer).
Am Hundsheim schlüpfe ich wieder aus der Wäsche und nehme die Variante in Richtung Fernerstube.
Der Gletscher ist jedoch ewig weit weg. Daher auch kein Problem.
Schließlich komme ich doch wieder am Blauen See an und es folgt das obligatorische Bad:
und nochmals eine ausgiebige Rast:
in Mitten der Steinmänner
Von der Hütte nehme ich Steig entlang des Wasserfalls:
Diesmal ist die Sulzenalm mit echten Menschen voll. Da wechsle ich in den angepassten-Modus und marschiere in meiner kurzen Hose vorbei.
Nach 10,5 Stunden ist diese sehr spezielle Tour nun auch beendet. Koomot hat nur bedingt recht, denn es waren sicherlich 1,5 Stunden Pause dabei.