bc53 hat geschrieben:Meine zugegebenermaßen schrägen Beispiele waren religiöse Riten und damit Hochkultur. Auch bei uns war ja die Hochkultur eng mit der
Religion verbunden. Es war die Kirche, die bei Tillmann Riemenschneider die Heiligenfiguren bestellte. Es war die Kirche, die bei Mathias Grünewald den Isenheimer Altar in Auftrag gab. Es war die Kirche, die bei J. S. Bach das Weihnachts-Oratorium und bei Mozart die Spatzen-Messe, die Krönungsmesse und die Sonstwas-Messe bestellte. Es war die Kirche, die in ihren Klöstern Nord-Europa das Lesen und das Schreiben beibrachte. Es gibt aber nicht nur Hochkultur. Zur deutschen Kultur gehören neben Albrecht Dürer, Ludwig van Beethoven und Herrmann
Hesse auch Sauerkraut-Essen, Garten-Zwerg-Aufstellen, Baggersee-Schwimmen und Nacktwandern - sofern man auch weniger elitäre
Tätigkeiten zur Gesamt-Kultur zählt. Das hieße, daß eigentlich alle Nacktionen zu mindest ein bißchen deutsche oder deutschsprachige
Kultur enthalten. Naturisten, die das Kürzel FKK ablehnen, praktizieren demnach trotzdem Freikörper-Kultur. Nackt-Kultur oder
Freikörper-Kultur - was soll da der Unterschied sein? Es wurde doch oft genug darauf hingewiesen, daß man sich ohne Klamotten frei
fühlt. Also - alles FKK, weil man sich frei von Klamotten und der mitteleuropäischen Kultur zugehörig fühlt? Ich persönlich hätte gegen diese
Les-Art nix einzuwenden!
Du hast völlig recht. Was zu früheren Zeiten alles passiert ist, war eben so aus damaliger Sicht, und in unseren heutigen Augen oft grausam, unverständlich, weil wir wesentlich mehr wissen und das meiste, was die Leute damals an Aberglauben hatten, heute aufgeklärt wurde. Wir können uns heute kaum vorstellen, wie es ist, keinerlei Medien zu haben, nicht lesen und schreiben zu können, nur der Willkür von Kirche und Staat ausgeliefert zu sein, keine soziale Absicherung zu haben, von persönlichen Rechten ganz zu schweigen. Und Gott sei Dank gab es doch immer mal wieder kluge Köpfe, die etwas entdeckt und durchgesetzt haben, wovon wir heute noch profitieren, selbst wenn derjenige diese Erkenntnisse mit dem Leben bezahlt hat. Nur hat das eben sehr viel länger gedauert, bis neue Erkenntnisse beim Volk angekommen sind. Und es dauert ja sogar heute noch lange, trotz aller Schulbildung, Medien, die jedem zugänglich ist. Und man wundert sich oft, wie wenig trotz allem die Leute auch heute wissen. Und wieviele Volksirrtümer immer noch bestehen. Viele halten da auch lieber daran fest, nur weil sie zu bequem sind, mal ein Buch zu lesen oder noch einfacher im Internet nachzuschauen.
Unsere heutige FKK hat demnach auch absolut nichts mit den früheren Einstellungen zur Nacktheit zu tun. Oder auch in den Völkern, die heute noch weitgehend nackt leben.
Zwischen Nacktkultur und Freikörperkultur ist tatsächlich kein Unterschied. Und heißt mit dem Fremdwort eben Nudismus, wie eben in fast allen anderen europäischen Ländern, wo es erlaubt ist. Und Naturismus ist halt eine Form davon, weil die Naturisten sich lieber wandernd durch die Natur bewegen wollen als an einem Touristenstrand zu sein. Obowhl ein Badestrand auch in einer sehr natürlichen Umgebung sein kann wie an den vielen Seen z.b. die nicht mit riesigen Hotelburgen zugestopft sind.
Trotzdem ist unsere heutige Beziehung zur Natur im Vergleich zu früheren Zeiten wesentlich geringer. Damals war man viel mehr darauf angewiesen, zu wissen, was man wann und wo in der Natur findet, welche Zeichen der Natur man wie deuten muß.
Wir leben nunmal in der mitteleuropäischen Kultur, auch wenn die in den einzelnen Ländern unterschiedlich ist und auch bis in die amerikanischen Länder weitergetragen wurde.
FKK heißt einfach, sich nicht nur frei von den Klamotten zu bewegen, sondern auch frei von Prestigedenken zu sein und den anderen in seinen körperlichen Eigenschaften zu akzeptieren, wie er ist. Es heißt aber NICHT, daß man keine Anstandsregeln mehr zu befolgen braucht, daß man machen kann was man will ohne Rücksicht auf andere und nur seinen persönlichen Gelüsten folgen darf, die eigentlich niemand was angehen und nicht in die Öffentlichkeit gehören. Und wer das nicht kapiert oder kapieren will, ist in meinen Augen einfach dumm, egoistisch und primitiv.