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Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Bummler » Mo 24. Okt 2016, 09:29

Aria hat geschrieben:
Klar, jetzt kannst du wieder sagen, auch Spießer sind Bürger und haben Bürgerrechte. Das stelle ich nicht in Abrede, bin nur fassungslos, dass wir offenbar bald wieder so viele solche Bürger haben werden wie zuletzt in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts.


Ich denke die Ursachen dafür sind klar.

1. Die Menschen brauchen Halt und Orientierung. Die Politik ist aber nicht mehr in der Lage dies zu geben. Eine politische Verlässlichkeit ist nicht mehr gegeben. Zum Beispiel hat Rot-Grün die Sozialgesetze (Hartz) installiert, was einst Thema der Schwarzen war und die CDU ist für Multikulti und bunte Gesellschaft, was einst Thema der Grünen war. Und so weiter. Alles ist durcheinander. Und wenn jemand sagt: "Die Rente ist sicher" dann wird er ausgelacht (dabei sollte sie sicher sein!). Was ist denn noch sicher? Außer dem Tod?

2. Die materiellen Grundlagen haben sich geändert. Insbesondere gibt es KEINEN sicheren Arbeitsplatz mehr. Eigentlich müsste dieser Punkt unter 1. stehen, weil er existenziell ist. Konnte man als Spießbürger früher bei der Bahn oder der Bank sein Leben fristen, dann wird man heutzutage mit genau demselben Problem konfrontiert, wie es die Arbeiter in Kohle und (nach China ausgelagerter) Industrie in den letzten dreißig oder vierzig Jahren hatten.
Wo also soll die Nische für Spießbürger herkommen, damit sie ihr Auskommen haben?

3. Die Gewalt in Gesellschaft und Medien nimmt zu. Neue Formen und Methoden kommen auf (Terror, Reichsbürger, Clowns..) und bereichern die ohnehin schon üppig gefüllte Kriminalstatistik. Dazu kommen Umgangsformen im öffentlichen Leben, die von Rücksichtslosigkeit geprägt sind und teilweise im Fernsehen oder Internet noch verteidigt bzw. popularisiert werden.

Das sind für mich schön gewichtige Gründe für das Erstarken des Spieß- und Kleinbürgertums und für eine Renaissance des Biedermeier.

Ordnung und Sicherheit sind elemtare Grundlagen für das Funktionieren einer Gesellschaft. Wenn diese Grundlagen nicht mehr gewährleistet sind, dann bröckelt die Gesellschaft und wird sich ändern. Der Ruf nach mehr Freiheit wird verhallen und ins Gegenteil umschlagen, in den Ruf nach mehr Sicherheit.

Das ist der Wandel, den unsere Gesellschaft derzeit durchmacht. Allerdings sind nicht irgendwelche kulturellen oder religiösen oder philosophischen Hintergründe die Ursache, sondern die wirtschaftlichen und politischen Grundlagen.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Aria » Mo 24. Okt 2016, 15:48

Bummler hat geschrieben:Eine politische Verlässlichkeit ist nicht mehr gegeben.
Das ist wahr – die Positionen der Parteien sind nicht mehr so klar, wie sie einmal waren. Aber die Zeiten sind auch nicht mehr so, wie sie einmal waren. Einen Beruf ergreifen und sicher sein, ihn vorzugsweise in einem Betrieb bis zur Rente auszuüben, das war mal. Es gibt kaum noch Berufe, in denen das einmal Gelernte dafür ausreichte. Dazu kommt, dass es für einfache Tätigkeiten kaum noch Stellen gibt – das machen jetzt zunehmend computergesteuerte Maschinen. Das bedeutet: Die einstige Arbeiterklasse gibt es kaum noch, denn wer nicht bereit ist, lebenslang zu lernen und sich weiter zu bilden, der verliert den Anschluss und letztlich auch seine Arbeit. Weil er nicht mehr gebraucht wird.

Wer dann aufgibt und die Schuld dafür bei den Parteien sucht, der will nicht begreifen, dass die Welt sich verändert hat. Sie veränderte und verändert sich ohnehin ständig, nur verliefen diese Veränderungen früher langsamer als heute. Und den Kampf, gute Produkte möglichst preiswert zu produzieren, den gab es schon immer. Das ist also nichts Neues.

Neu ist nur, dass es aufgrund der neuen Kommunikations- und Transportmöglichkeiten mehr Konkurrenz gibt als früher. Aber als die Dampfmaschine und in der Folge die Eisenbahn und Dampfschifffahrt erfunden wurden, waren die Veränderungen nicht minder gravierend – Millionen verloren damals die früher sicher geglaubte Arbeit.

Die Zerstörung der Dampfmaschinen brachte nichts, man musste sich anpassen und man passte sich auch an. Durch die Bildungsoffensive (Humboldt) und durch den Zusammenschluss der deutschen Länder zum Deutschen Zollverein (1833) und etwas später (1871) zum Deutschen Reich, was neue, größere Märkte schuf und Deutschland zu einer Wirtschaftsmacht machte. Die EU bewirkte das gleiche, nur sind hier die Märkte noch größer und noch offener für die deutsche Wirtschaft.

Und man muss sich auch jetzt durch die Globalisierung entstandenen veränderten Bedingungen anpassen. Wer aber, wie die AfD, durch die Abschottung Deutschlands verspricht zu alten Verhältnissen zurückkehren zu können, der will Verhältnisse schaffen wie vor der Machtübernahme der Nazis in den 30er Jahren, als sich Nationalstaaten einigelten und dadurch der Welthandel fast gänzlich zum erliegen kam, was die damalige Wirtschaftskrise noch verstärkte.

Wer dem Nationalismus und Isolationismus das Wort redet, sollte nach Großbritannien schauen: Nach der Brexit-Entscheidung werden international tätigen Firmen die Insel verlassen, weil sie dort nun erschwerte Bedingungen (Zölle, keinen freien Zugang zu EU-Markt mehr) erwarten. Allein, weil dies erwartet wird, ist die britische Währung um 20% im Wert gesunken.

Ergo: Es hat keinen Sinn, den alten Zeiten nachzutrauern, denn sie werden nicht wieder kommen.


Bummler hat geschrieben:Die Gewalt in Gesellschaft und Medien nimmt zu.
Das stimmt nicht – lese das nächste Mal die Statistik über die Kriminalität in Deutschland, bevor du Solches verbreitest.


Bummler hat geschrieben:Ordnung und Sicherheit sind elemtare Grundlagen für das Funktionieren einer Gesellschaft. Wenn diese Grundlagen nicht mehr gewährleistet sind, dann bröckelt die Gesellschaft und wird sich ändern. Der Ruf nach mehr Freiheit wird verhallen und ins Gegenteil umschlagen, in den Ruf nach mehr Sicherheit.
Ich sehe das nicht. Jedenfalls haben wir nicht weniger Ordnung und Sicherheit als vor 10 oder 40 Jahren.

Außerdem, frei nach Benjamin Franklin: "Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren."

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Bummler » Di 25. Okt 2016, 15:40

Ergo: Es hat keinen Sinn, den alten Zeiten nachzutrauern, denn sie werden nicht wieder kommen.


Freilich hat das keinen Sinn, also das Nachtrauern. Aber wie geht man um mit Veränderungen die einen betreffen und die man nicht gewollt hat?

Wer dann aufgibt und die Schuld dafür bei den Parteien sucht, der will nicht begreifen, dass die Welt sich verändert hat.


Die Welt verändert sich aber nicht von allein. Sie wird von Menschen verändert.
Ich habe zufällig einen Artikel über die San (https://de.wikipedia.org/wiki/San_(Volk)) gelesen, der betroffen macht.
Das ist jetzt natürlich sehr weit hergeholt, aber m.E. symptomatisch. Das Volk und diese Kultur wird untergehen, wenn sein Lebensraum nicht geschützt wird.

Wem obliegt nun die Verantwortung? Dem Volk selbst? Immerhin kannst Du ja argumentieren, dass Roy Sesana
( https://de.wikipedia.org/wiki/Roy_Sesana ) sich ja für das Volk einsetzt oder trägt die Verantwortung die Gesellschaft, also die politisch Verantwortlichen in den Staaten wo die San jetzt leben?

Wer dem Nationalismus und Isolationismus das Wort redet, sollte nach Großbritannien schauen:


Ich habe mich sehr über die Abstimmung gefreut. Das Thema ist sehr komplex, aber ich freue mich über das Selbstbewusstsein und die Selbstbestimmung der Briten. Klar wird es auch Bereiche geben, die durch den Austritt aus der EU Nachteile haben werden. Aber, wie das eben so ist, wird es auch Gewinner geben. Das sollte man nicht unterschlagen und schon gar nicht am Währungskurs festmachen.
Im übrigen hatten sich die Schweizer auch vom Euro gelöst und ihr Währungskurs ist gestiegen, was ja nun auch nicht besser ist.

Und man muss sich auch jetzt durch die Globalisierung entstandenen veränderten Bedingungen anpassen.


Oder die Globalisierung den Erfordernissen der Menschen anpassen. DAS wäre intelligent.

Wenn also z.B. jetzt wegen der "Globalisierung" Menschen von Arbeit "frei gesetzt werden", dann sollte doch denen ein Ausgleich gezahlt werden und zwar von denen, die einen Vorteil aus der Globalisierung ziehen.
Wenn es also der Wirtschaft nützt, den heimischen Markt den Chinesen preis zu geben, um auf dem chinesischen Markt ihre Produkte absetzen zu können, dann sollte der Handel doch so laufen, dass die Leute die nun nicht mehr Lichteln herstellen weil der Chinese das billiger kann, in den Vorruhestand oder so gehen können.


Nein ! Da wird das Rentenalter rauf gesetzt....

WO ist da der Fortschritt?

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Eule » Di 25. Okt 2016, 22:52

@ Aria
Dein letzter Beitrag ist einfach klasse! :D Ich stehe da voll und ganz bei dir.

@ Bummler
Deine Argumente können mich nicht überzeugen. Gegen jede Form der Modernität und den damit verbundenen Veränderungen gab es Ängste und Widerstände, die durchaus nicht unbegründet waren. Die Veränderung unserer industriellen Welt mit dem gleichzeitigen Einhergehen von einer Verminderung der benötigten menschlichen Arbeitskräfte wird von vielen durchaus und aus ihrer Sicht durchaus begründeten Gründen abgelehnt. Doch diese Entwicklung wird nicht aufzuhalten sein. Wir werden uns jetzt mit einer Frage der vollständigen Umkrempelung unserer Gesellschaft beschäftigen müssen. Wer sich nicht für Politik Interessiert, der darf sich wie die britische Jugend nicht darüber beschwehren, dass die politischen Entscheidungen ihre Interessen nicht vertritt. Parteien sind nicht Träger einer unveränderten Meinung (Dogmen), Parteien sind Träger der Meinungen ihrer Mitglieder. Wenn du politisch was bewegen willst, dann gehe in eine Partei und vertrete dort deine Meinung. Den Parteien vorzuwerfen, sie seinen nicht mehr Träger eines verlässlichen Willens, der hat das politische Parteiensystem und ihre funktionsweise nicht verstanden.

Ja, früher war alles besser und sicherer. Bedenke mal, wieviel Arbeitszeit man früher aufbringen musste, um ein Brot zu kaufen und wieviel Arbeitszeit heute? War früher wirklich alles sicherer, nur weil die Informationen über die tatsächliche Lage nicht global war, sondern nur bezüglich eines kleineren Lebensraumes?

Es stimmt, zu meiner Lehrzeit erhielt ein Arbeitnehmer das Bundesverdienstkreutz, wenn er 50 Jahre bei einer Firma gearbeitet hat. Heute gilt so ein Mensch als unflexibel und unbrauchbar. Du musst heute drei verschiedene Berufe erlernen, um in deinem Berufsleben aktiv bleiben zu können. Also, diese drei Berufe nicht sofort, sondern im Laufe deines Berufslebens.

Nationalstaatsdenken im Sinne der Staatsidee des 19. und 20. Jahrhunderts sind heute nicht mehr überlebensfähig. Europa als Staatenbund ist nicht konkurrenzfähig, Europa muss ein echter Bundesstaat werden. Die europäische Situation jetzt ist mit der deutschen Situation von 1806 - 1871 vergleichbar. Wir haben nur jetzt bald keine Zeit mehr, uns kleinstaatlichem Denken hinzugeben, wenn wir in der Welt ernst genommen werden wollen.

Der gesellschaftliche Wandel wird in der Tat bestimmt von der Entwicklung der Industrieorganisation. Nicht, welche übernationalen Gesellschaften sich bilden, sondern, wie diese Industriebetriebe organisatorisch aufgebaut, geführt und kontrolliert werden. Der Mensch steht jetzt wieder in Konkurrenz zur Machine, jetzt nicht von der mechanischen Arbeit aus gesehen, sondern von der geistigen Leistungskapazität gesehen. Wir werden jetzt einen Weg finden müssen, dass der Mensch, der für den Arbeitsprozess nicht benötigt wird, eine ihm sinngebende Tätigkeit findet, die gleichzeitig im Sinne der Volkswirtschaft jedoch nicht produktiv ist. Dieses neue Gesellschaftsmodell trägt den Namen "Freizeitgesellschaft". Hier ist jedoch nicht eine Urlaubsgesellschaft gemeint, eine Gellschaft in Freizeit- und Vergüngungsparks, sonder eine Gesellschaft, deren sinngebendes Kriterium jetzt noch nicht benannt werden kann, also noch entwickelt werden muss. Bist du bereit, daran mitzuarbeiten?

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Bummler » Mi 26. Okt 2016, 08:54

@Eule
Wir werden jetzt einen Weg finden müssen, dass der Mensch, der für den Arbeitsprozess nicht benötigt wird, eine ihm sinngebende Tätigkeit findet, die gleichzeitig im Sinne der Volkswirtschaft jedoch nicht produktiv ist. Dieses neue Gesellschaftsmodell trägt den Namen "Freizeitgesellschaft".


Das sag ich doch. Oder besser die kritischen Vordenker. Ich plapper nur nach.
http://www.heise.de/tp/artikel/29/29286/1.html

Generationen von Ökonomen haben sich damit beschäftigt, die Marktwirtschaft zu analysieren und die Produktivität zu steigern – heute ist die Marktwirtschaft so produktiv, dass ein Festhalten am eingeschlagenen Weg die Marktwirtschaft selbst bedroht. Ohne einen tief greifenden Paradigmenwechsel und ohne Utopien wird die Gesellschaft am Fortschritt scheitern.


Insofern scheinen mir aber die gesellschaftlichen Veränderungen infolge ökonomischer Gründe für den gesellschaftlichen Wandel prägnanter, als die von Aria genannten religiösen Gründe. Nicht die Rückkehr religiös begründeter Prüderie ist die Ursache für den gesellschaftlichen Wandel, sondern die sich massiv ändernden materiellen Lebensgrundlagen.
Der Hinweis von Aria, dass es diese Änderungen ökonomischer Art schon immer gab ist zwar richtig, übersieht aber den relativ störungsfreien Wirtschaftaufschwung der 60-er und 70-er Jahre, eben mit Vollbeschäftigung, hüben und drüben.
Die Sorglosigkeit, in der man in dieser Zeit materiell leben konnte, ist durch die Entwicklungen seit den 80-er Jahren vorbei.
Also jetzt nicht blitzartig, sondern mehr Schritt für Schritt.

Auch jetzt werden durch die positiven wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland viele Bedenken abgetan, aber die nächste Krise kommt, auch das ist sicher.

Denn auch "Gesetze", zumindest die im ökonomischen Bereich, können ungültig werden.
So galt beispielsweise das Mooresche Gesetz jahrzehntelang. Nun ist es offensichtlich am Ende.
Ähnlich wird es dem Mantra ergehen, das von der Öffnung der Märkte ein Wirtschaftswachstum prophezeit, weil absehbar ist dass irgendwann alle Märkte offen sind und keine weiteren mehr geöffnet werden können. Die Sache geht ja auf Adam Smith zurück, der sich gegen den Merkantilismus der Engländer gewandt hatte und damit mehrere hundert Jahre recht behalten sollte. Nur wie lange noch?

Der Witz ist ja eigentlich, dass die Problematik mit der "Freizeitgesellschaft" auch nicht neu ist, sondern von schon vor hundert Jahren thematisiert wurde:

http://diepresse.com/home/wirtschaft/in ... nes-Vision

Es war eine nette, kleine Gesellschaft des Political Economy Clubs im englischen Cambridge, die 1928 vermutlich den Eindruck bekam, dass John Maynard Keynes einen ziemlichen Schuss hat. Der Klub, gegründet übrigens von James Mill, dem Vater des libertären John Stuart Mill, hörte erstmals, wie sich Keynes das Leben in 100 Jahren vorstellt.

...

Zwei Jahre später konnte es die ganze Welt lesen, als der britische Ökonom seine Visionen in einem bemerkenswerten Aufsatz zusammenfasste: „Economic Possibilities for our Grandchildren“ („Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder“). Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise meinte Keynes, dass aufgrund des Fortschritts, der immer höheren Produktivität und des steigenden Vermögens „das wirtschaftliche Problem innerhalb von hundert Jahren gelöst sein dürfte“. Die Menschen werden im Jahr 2030 von den „drückenden wirtschaftlichen Sorgen erlöst sein“, ihr größtes Problem werde es vielmehr sein, „wie die Freizeit auszufüllen ist“. Denn „Drei-Stunden-Schichten oder eine Fünfzehn-Stunden-Woche“ seien völlig ausreichend, um die Lebensbedürfnisse zu befriedigen.



Ja, was wurde daraus? Genau genommen hat sich mit Hartz IV ja die Vision bestätigt.
Nur so richtig glücklich sind die Hartzis damit nicht, oder nicht alle.

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Tim007 » Mi 26. Okt 2016, 09:30

Ach ja, die Freizeitgesellschaft.

Diese sieht so aus, dass immer weniger immer mehr arbeiten.
Ich weiß, wovon ich "rede".

Die Wahrheit sieht anders aus.
"20 Stunden bei vollem Lohnausgleich", werden die Gewerkschaften irgendwann fordern.

Und die Konsequenz? "Arbeit" wird immer teurer.
Menschen werden weiter wegrationalisiert. Es besteht keine Konkurrenzfähigkeit mehr.

Und die Abwärtsspirale nimmt Fahrt auf.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Bummler » Mi 26. Okt 2016, 13:49

Tim007 hat geschrieben:Und die Abwärtsspirale nimmt Fahrt auf.


Das hatten die Gegner des Mindestlohnes auch prognostiziert.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Garfield » Mi 26. Okt 2016, 17:12

Bummler hat geschrieben:
Tim007 hat geschrieben:Und die Abwärtsspirale nimmt Fahrt auf.


Das hatten die Gegner des Mindestlohnes auch prognostiziert.

Da hat Tim aber recht, beim Mindestlohn gibt es zig ausnahmen, so das es ein sehr schlechtes Beispiel ist. Spätesten wenn die KI (künstliche Intelligenz) voll entwickelt und ausgereift ist braucht keiner mehr angestellte, evtl. vielleicht noch Manager, aber den Rest machen alles Computer und Roboter. Selbst fahrende Autos sind kurz vor der Marktreife, dann wird irgendwann auch der Zwang abgeschafft, daß immer noch ein Fahrer da sein muß der im Notfall eingreifen kann und kein Mensch braucht mehr LKW-Fahrer.

Das Roboter automatisch das gewünschte Produkt aus dem Regal holen und an der gewünschten Stelle abliefert gibt es heute schon. In meiner Apotheke gibt PTA die Medikamente in den Computer ein und dann sieht man durch ein Fenster wie der Roboter die Regale abfährt, die Medikamente aus dem Regal nimmt und an der Stelle, an dem der Kunde und die PTA wartet die Medikamente in der entsprechenden Lade ablegt.

In naher Zukunft wird keiner mehr Arbeiter und Angestellte brauchen, da dann Computer alles alleine steuern können. Fünfzig Jahre sehe ich in diesem Fall als nahe Zukunft an. Aber ich glaube nicht das es so lange dauert.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Aria » Mi 26. Okt 2016, 20:46

Bummler hat geschrieben:Wenn also z.B. jetzt wegen der "Globalisierung" Menschen von Arbeit "frei gesetzt werden", dann sollte doch denen ein Ausgleich gezahlt werden und zwar von denen, die einen Vorteil aus der Globalisierung ziehen.
Ausgleich zahlen? Vielleicht von dir, da du ja auch Nutznießer bist, wenn du ein Produkt billiger bekommst als früher?

Nein, das hätte keinen Sinn – ebenso wenig wie die in den 50er Jahren durchgesetzte! Forderung der englischen Gewerkschaften war, auch auf E-Loks müsse, wie auf den Dampf-Loks, ein Heizer mitfahren (erst Margaret Thatcher hat 20 Jahre später mit diesem Unsinn aufräumen können).

Übrigens: Briten, die du anscheinend bewunderst, haben viel zu lange an alten Technologien – wie z.B. auch Nordrhein-Westfallen und die DDR – festgehalten und dadurch Anschluss verloren. Das haben sie bis heute nicht wieder aufgeholt, und jetzt, da sie sich wieder isolieren wollen, werden sie auch bei ihrer – einzig funktionierenden – Finanzbranche die Marktführerschaft verlieren. So kann sich ein Volk vor lauter Stolz selbst ins Abseits reiten.

Garfield hat geschrieben:In naher Zukunft wird keiner mehr Arbeiter und Angestellte brauchen, da dann Computer alles alleine steuern können.
Ja, so wird’s kommen. Und als Lösung bleibt dann nur noch Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) für alle, damit die von Maschinen produzierten Waren auch gekauft werden können. BGE sollte ausreichend sein, wer mehr Geld will, kann bzw. muss arbeiten – wenn er die gewünschte Qualifikation hat. Finanziert würde das durch wesentlich höhere indirekte Steuern (MwSt >= 50 %).

Da gleichzeitig die Personalkosten sinken würden (die Maschinen gehen nicht in Rente und werden nicht krank), würden die Produkte am Ende im Inland gleichviel kosten, ins Ausland könnten sie aber, weil ohne MwSt-Aufschlag, wesentlich billiger verkauft werden, ja sie wären fast konkurrenzlos billig. Das würde auch andere Länder veranlassen, auf BGE umzusteigen, nur jemand müsste den Anfang machen: In der Schweiz waren wider Erwarten zuletzt (im Jahr 2016) mehr als 23 % dafür, BGE einzuführen. Es ist denkbar, dass diese Prozentzahl in 20 Jahren auf mehr als 50 % steigt.

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Eule » Do 27. Okt 2016, 00:20

@ Bummler
Deine Reaktion und die von dir gezeigten Artikel fußen noch auf unserer alten und jetzt noch gültigen Arbeitsgesellschaft. Der Mensch definiert sich größtenteils noch durch und über die Berufstätigkeit.

Das Modell der Arbeitsgesellschaft wird durch die Industrie 4.0 abgelöst werden und die neue, sich daraus bildende Gesellschaft wird sich nicht mehr durch oder über die Arbeit verwirklichen können. Der Begriff der Arbeitslosigkeit wird dann nur noch zu einem Begriff der Vergangenheit und alten Gesellschaft werden. 40, 60 oder gar 80% der Bevölkerung werden keiner Berufstätigkeit mehr nachgehen, weil deren Arbeitskraft nicht mehr benötigt wird. Diesen Menschen musst du eine Möglichkeit geben, sich sinnerfüllend betätigen zu können. Viele Denkmodelle, die sich mit diesem Problem beschäftigen, sind noch zu sehr in der Organisationsstruktur unserer jetzigen Gesellschaft gebunden. Darum kommt die Diskussion, wie diese sog. "Freizeitgesellschaft" sinngebend für alle organisiert und refinanziert wird, noch nicht richtig in Gang.

@ Tim
Im Mittelalter wurde die knappe Arbeit über die Bildung der Innung auf alle Betriebe des Ortes verteilt. Heute geht dieses nicht mehr. Die "Freizeitgesellschaft" wird zwei unterschiedliche Versorgungssysteme aufbauen, einmal eine Lohnzahlung für die Menschen, die in einem Erwerbsleben stehen und einmal in einer Grundvergütung (BGE), die oberhalb des Arbeitslosengeldes liegt, jedoch geringer als die Lohnzahlungen sein wird.

Der erste Testlauf mit 20.000 Menschen für das BGE ist in Finnland gestartet. Ob dieser Versuch zu einem Erfolg führt, wage ich zu bezweifeln. Denn diese Menschen werden nur finanziell besser versorgt und sonst sich selbst überlassen. Wenn ich es richtig gelesen habe, so fehlt hier der sinngebende Impuls und die Führung zu einem solchen.

Mir ist es nicht bekannt, ob in der Wissenschaft, Wirtschaft, Politik oder sonstigen gesellschaftlich relevanten Gruppen das Problem einer "Freizeitgesellschaft" durchdacht und entwickelt wird. Hier muss ein völlig neues Gesellschaftskonzept entwickelt werden.

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