Apropos, weil du Historiker erwähnt hast, ich kenne da einen Siegfried Prokop, der schreibt recht anschaulich, z.B. hier:
https://www.freitag.de/autoren/der-frei ... hne-schuld
Die Regierung Kohl ging 1990 davon aus, dass nach einer kurzen Zeitspanne des gewiss schmerzhaften Übergangs sich im Osten so etwas wie ein "Wirtschaftswunder" nach dem Muster der alten Bundesrepublik vollziehen würde. Deshalb dachte niemand daran, etwas im Westen zu verändern, der Osten sollte sich dem Westen vollends anpassen. So stand denn auch die Entwicklung ostdeutscher Potenziale bei der Ausformung der Einheit nicht auf der Tagesordnung, sondern der Institutionen-, Eliten-, und Ressourcentransfer von West nach Ost. Dabei wurde in den neuen Bundesländern nicht nur die Positionselite verdrängt, sondern auch ein großer Teil der Funktionselite. Dank dieser Politik hat Ostdeutschland für viele Jahre die Fähigkeit verloren, sich aus eigener Arbeit zu ernähren. Die Perspektive eines selbsttragenden Aufschwungs verschwand gleichwohl in weiter Ferne. Ostdeutschlands Perspektive bleibt die einer alimentierten "Sonderzone".
Gestern gab es hierzu auch einen Fernsehbeitrag, in dem diverse Fragen gestellt wurden.
1. Die ostdeutschen Stahlarbeiter erhielten kurz nach der Wende aufgrund neuer Tarifverträge 30% mehr Lohn, obwohl die (damals noch nicht übernommenen) DDR- Betriebe keine höheren Erlöse erwirtschafteten. Die Weitergabe dieser Zusatzkosten an die Auftraggeber war nicht möglich, deshalb brachen die Aufträge ganz weg.
Die Frage ist, ob die Stahlarbeiter zu ihrem bisherigen Lohn weiter gearbeitet hätten oder abgewandert wären.
Wie hätte man die Abwanderung bei der Garantie der Freizügigkeit verhindern können?
2. Die DDR-Betriebe mussten in der Planwirtschaft einen Großteil ihrer Erlöse an den Staat abführen, hatten also kein Eigenkapital.
Diese Fähigkeit hatte sie bereits vorher und nicht erst durch die Vereinigung verloren.Dank dieser Politik hat Ostdeutschland für viele Jahre die Fähigkeit verloren, sich aus eigener Arbeit zu ernähren.
Hätte ohne die Abschaffung der DDR-Währung ein System zweier unterschiedlicher Währungen funktionieren können?
Hätte man die DDR-Funktionäre in ihren Ämtern lassen sollen, um die gewohnte Verwaltung sicherzustellen?
Dies ist nur ein kleiner Teil von Fragen, die sicher je nach Sichtweise anders beantwortet werden können.
Die "Goldgräberstimmung" hat auf beiden Seiten Krisengewinnler hervorgebracht und Verlierer produziert. Ich will hier nur an Verkehrsminister Krause erinnern, der als Minister und Mensch kläglich versagt hat.
Trotz aller Mängel ist die Wiedervereinigung ohne Beispiel, das Wichtigste ist, dass sie friedlich vonstatten ging.