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Gesundheitswahn

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Re: Gesundheitswahn

Beitrag von hajo » Fr 2. Jun 2017, 14:22

Kartunger hat geschrieben:
Aria hat geschrieben:...Ich frage mich, warum so unvergleichlich viele dennoch meinen, sie leiden unter Lebensmittelallergie.
...


Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Patientenakten unvollständig sind. ;) Viele werden einfach durch das Vermeiden der Nahrungsmittel, die sie nicht vertragen, die Symptome lindern, ohne dafür einen Arzt aufzusuchen.
Richtig!
Ich zumindest hab mir nie etwas dabei gedacht, wenn jemand im Verwandten- oder Bekanntenkreis sagte: "nein, das ist nichts für mich. Das vertrag ich nicht. Haste vielleicht stattdessen...?"
Das kam immer wieder vor.
Es kommt ja auch vor, dass man etwas "einfach nicht mag!". Wenn man das "nur sieht, wird einem schlecht!"

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Re: Gesundheitswahn

Beitrag von Aria » Fr 2. Jun 2017, 19:05

hajo hat geschrieben:Ich zumindest hab mir nie etwas dabei gedacht, wenn jemand im Verwandten- oder Bekanntenkreis sagte: "nein, das ist nichts für mich. Das vertrag ich nicht. Haste vielleicht stattdessen...?"
Das kam immer wieder vor.
Ja, es gibt aber auch eingebildeten Allergiker, die nur meinen, etwas nicht vertragen zu können. So habe erst kürzlich eine meiner Bekannten mich gefragt, ob ich Dinkelbrot zu Hause hätte, denn sie vertrage keinen Weizen. Auf meine Frage, warum denn das, sagte sie: Wegen des Glutens im Weizen. Daraufhin ich: Dinkel sei auch eine Weizensorte und enthalte zudem mehr Gluten als gewöhnlicher Weizen. Trotzdem bestand sie auf ihrer Meinung, dass sie Weizen nicht vertrage und brachte ihr eigenes Dinkelbrot mit.

Dinkel ist meiner Meinung nach eine Modegetreidesorte, die im Mittelalter mangels Alternativen viel angebaut, aber bis vor 20 oder so Jahren wegen geringer Erträge kaum angebaut wurde und so in Vergessenheit geriet. Dieser Hype ums Dinkel ist typisch und auch simpel zu erklären: Wenn oder weil man meint, früher lebten die Menschen gesünder, dann müssten auch Getreidesorten aus jener Zeit besser gewesen sein. Und schon finden sich pfiffige Menschen, die in alten Büchern nach alten Rezepten bzw. Beschreibungen suchen, und finden bei Hildegard von Bingen, der Heiligen der katholischen Kirche und der Öko-Bewegung, entsprechende Einträge, was kein Wunder ist, denn zu ihrer Lebzeiten gab es kaum was anderes. etc.

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Re: Gesundheitswahn

Beitrag von Hans H. » Mo 5. Jun 2017, 02:18

Mit "Hype" hat Dinkel nun aber überhaupt nichts zu tun.
- Es gibt mehr Menschen, als sie es selbst wissen, die Verdauungsbeschwerden bis hin zum Reizdarm haben, die sie u.a. vom Weizen bekommen (bei ebenso vielen auch vom Hafer) und die bei sehr vielen von denen mit Dinkel nicht auftreten.
- Wenn jemand frei von Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen ist, solange er auf Weizen verzichtet, aber diese Erscheinungen innerhalb von drei bis vier Stunden nach einem Weizenbrötchen oder einer Scheibe Weizenbrot bekommt, finde ich es nicht angebracht von einer "Meinung" oder "Einbildung" zu sprechen.
- Viele Menschen haben sogar chronische Kopfschmerzen wegbekommen, als sie stur auf Weizen verzichtet haben. Das ist nicht die Meinung dieser Menschen, sondern medizinisch erwiesen.
- Gluten des Dinkels hat eine deutlich andere Eiweiß-Zusammensetzung, als Gluten des Weizens, also ist die Aussage zur Menge nicht relevant, sondern es geht bei den Unverträglichkeiten um das spezifische Weizen-Gluten, von dem nur wenige strukturähnliche Proteine auch im Dinkel sind. Nur bei Zöliakie ist das egal, da darf überhaupt kein Gluten aufgenommen werden, nicht einmal in Spuren aus den Verarbeitungsmaschinen. Auch andere Getreidearten enthalten "Kleber-Eiweiße", was ja im Prinzip das Gluten ist, und können zu Unverträglichkeiten führen.
- Dinkel hat um ca 3% mehr Eiweiß als Weizen und ist daher besonders für Vegetarier interessant.
- Dinkel hat von allen Mineralstoffen und Spurenelementen mehr als Weizen (Werte um 20% bis 30% mehr).
- Auch das mit der Erntemenge muss man relativieren, weil Dinkel auch in Hochlagen wächst (bis 1000 m), wo man keinen Weizen ernten kann (die "Ötzis" haben damals vor 5000 Jahren auch Dinkel angebaut).
- Dinkel ist erheblich resistenter gegenüber Schädlingsbefall und bringt daher in der Bio-Landwirtschaft effektiv höhere Erträge als Weizen.
- In Wasserschutzgebieten mit Begrenzung der Pestizidmengen gilt letzteres ebenso. Da wird oft Dinkel angebaut, weil mit den Begrenzungen der Pilzbefall bei Weizen zu stark wird. Man geht davon aus, dass es an den Spelzen liegt, die das Dinkelkorn schützen.

Ansonsten ist zu ergänzen, dass ein ganz wichtiger Faktor für die bessere Verträglichkeit des Brotes nach alten Rezepten der Natursauerteig ist. In der langen Gärzeit werden viele Eiweißstoffe so verändert, dass es damit die Unverträglichkeiten nicht gibt. Brot ist ein uraltes Lebensmittel, das über Jahrtausende auch gesund war für die Menschen. Erst jetzt mit den Industrie-Backmischungen, mit denen viel Zeit in der Vorbereitung gespart wird, und in Verbindung mit den Hochzucht-Getreidesorten, die nur mit viel Dünger und mit viel Pestiziden ihre Ertrags-Vorteile einbringen sind die Unverträglichkeiten aufgekommen. Wie schon früher geschrieben, ist nach der Einschätzung der Ärzte, die sich seit vielen Jahren mit Ernährung und Darmgesundheit beschäftigen bei 80% der Menschen in Europa der Darm nicht in Ordnung und die Ursache für viele Folgekrankheiten (eine Quelle sind u.a. die Bücher der Hamburger Ärzte, die die Sendung "Die Ernährungs-Docs" machen, aber es gibt auch andere Spezialisten auf dem Gebiet, wie in der Bodensee-Klinik und soweit ich mich erinnere war eine weitere ähnliche in Bad Pyrmont. Ob letzterer Ort stimmt, weiß ich im Moment nicht genau, da ich jetzt nicht recherchieren will.)

Die großen Erfolge, die in nicht wenigen Fällen schon bei einer Ernährungsumstellung auf Dinkelgebäck und Natursauerteigbrote eintreten, kann man nun wirklich nicht mit Mode abtun. Man muss nur bereit sein, sich ein wenig weitergehend mit dem Thema zu befassen. Dann vergisst man sehr schnell das Wort Mode in diesem Zusammenhang.

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Re: Gesundheitswahn

Beitrag von Zett » Mo 5. Jun 2017, 10:11

@Hans H.
Schöner, wertvoller Beitrag!

 

Re: Gesundheitswahn

Beitrag von hajo » Mo 5. Jun 2017, 10:44

Hans H. hat geschrieben:Mit "Hype" hat Dinkel nun aber überhaupt nichts zu tun.
Ich gehe davon aus, dein Beitrag ist keine Antwort auf Aria.
Hans H. hat geschrieben:... Nur bei Zöliakie ist das egal, da darf überhaupt kein Gluten aufgenommen werden, nicht einmal in Spuren aus den Verarbeitungsmaschinen.
Richtig.
Wenn also jemand behauptet, wegen des Glutens keinen Weizen zu vertragen (m. E. wäre das ein Hinweis auf Zöliakie), aber behauptet, Dinkel sei kein Problem (so schildert das Aria), halte ich das auch für ein wenig nachdenkenswert.
Es soll ja neben den Placeboeffekten auch Noceboeffekte geben.

Alle deine anderen Ausführungen haben natürlich nichts mit Arias Beitrag zu tun, daher gehe ich da auch nicht drauf ein.

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Re: Gesundheitswahn

Beitrag von Hans H. » Mo 5. Jun 2017, 14:51

@hajo: das war schon zum Großen Teil eine Antwort auf Aria, denn sie hatte das Wort "Hype" eingebracht.

Zur Unverträglichkeit: Eine Unverträglichkeit gegenüber den Kleber-Eiweißen wie dem Weizen-Gluten oder auch anderen aus anderen Getreidearten hat zunächst einmal nichts mit einer Allergie zu tun. Unverträglichkeit und Allergie sind zwei ziemlich verschiedene Dinge, nämlich bei einer Allergie gibt es eine direkte Reaktion der eigenen Antikörper gegen ein Fremdeiweiß in Verbindung mit Histamin-Ausschüttung und der Folge einer heftigen akuten endzündlichen Reaktion. Zöliakie ist eine Allergie gegenüber einem Eiweiß, das sowohl im Gluten des Weizens als auch des Dinkels gleichermaßen enthalten ist. Aber beide enthalten auch eine Reihe weiterer Eiweißstoffe, und die sind zum Teil recht verschieden.

Was Aria weiter vorn von der Harvard Studie zitiert hatte und mit dem Satz "An der Zöliakie, bei der sich Antikörper gegen Gluten bilden, das in Weizen und anderem Getreide vorhanden ist, leiden in Deutschland nur 0,9 Prozent", das bezieht sich nur auf die Zöliakie, die auch als Lebensmittelallergie leicht getestet werden kann, hat aber nichts mit der viel häufigeren und in keinem Allergietest feszustellenden Unverträglichkeit zu tun, die über längere Zeit zu chronischen Entzündungen, Reizdarm, Morbus Crohn etc. führt. Da spielen die Eiweißstoffe aus Weizen und oft (oder sogar häufiger) auch aus rohem Hafer (z.B. bei übermäßigem Verzehr von Haferflocken) eine erhebliche Rolle, und da ist erwiesen, dass die Eiweißstoffe aus Dinkel viel weniger diese Unverträglichkeiten verursachen. Und noch einmal: dafür sind die Roggenbrote und Dinkel-Roggen-Mischbrote, die mit Natursauerteig und entsprechend langer Gärzeit hergestellt werden am verträglichsten.

- Wenn also jemand behauptet, wegen des Glutens keinen Weizen zu vertragen ist das kein Hinweis auf Zöliakie. Lediglich "wegen des Glutens" ist etwas unklar ausgedrückt (s. weiter unten) und diese unklare (nur "halbrichtige") Ausdrucksweise habe ich oft zugegebenermaßen auch verwendet.

- Der Patient mit Zöliakie muss nicht nur auf Weizen und Dinkel voll verzichten, sondern auch darauf achten, dass sein Brot nicht über Geräte hergestellt wurde, mit denen zuvor auch mal Weizenteig bearbeitet worden ist.

- Das ist aber ein ganz anderer Fall, als der, wenn jemand behauptet, mit Dinkel sei das kein Problem. Und ich gehe davon aus, dass diese Menschen alle den Unterschied selbst gespürt haben.

Allerdings: mit dem Gluten wird das immer etwas "halbrichtig" ausgedrückt, da ja alle alten Weizenarten wie Dinkel, Einkorn und weitere mehr Eiweiß enthalten als Weizen, und dieses Eiweiß allgemein als Gluten bezeichnet wird - obwohl die Eiweiße recht unterschiedlich sind. Man muss da also eigentlich unterscheiden und vom Weizen-Gluten sprechen, oder besser von Eiweißstoffen im Weizen, solange man nicht genau weiß, welche die Unverträglichkeiten verursachen, die keine Allergie sind.

Übrigens hatte ich im letzten Beitrag ganz das Dünger-Argument vergessen: Dinkel wächst auch auf sehr kargen Böden, die für Weizen ungeeignet sind, und benötigt kaum Dünger, auf vielen Böden zunächst einmal gar keinen. Fruchtwechsel oder gelegentliche Kompostdüngung reichen, die Fruchtbarkeit solcher nährstoffarmer Böden für Dinkel zu erhalten. Die hohen Kunstdüngermengen, mit denen die Weizenernte erhöht wird, können bei Dinkel den Ertrag nicht positiv beeinflussen. Wahrscheinlich ist sogar das das wichtigere Argument in den Wasserschutzgebieten als das Argument der viel geringeren oder gar nicht benötigten Pestizidmengen.

Der Anbau verursacht also zunächst deutlich geringere Kosten. Nur in hochindustrialisierten Ländern, in denen am Ende die Arbeitszeit ausschlaggebend ist, bleibt es ein Kostennachteil wegen der größeren Flächen, die gesät und gemäht werden müssen. In Süd-Osteuropa und Indien gibt es Berechnungen, dass es für die Landwirte vorteilhaft ist, Dinkel und andere alte Sorten (auch bei Gemüse) anzubauen, weil das finanzielle Risiko viel geringer ist. Man hat nicht die kostenintensiven Dünger und Pestizidmengen zu finanzieren. Wenn es dann Ausfälle durch Dürreperioden gibt, hat man nur Arbeitszeit verloren, aber kein vorfinanziertes Geld investiert. Hinzu kommt noch, dass alte Sorten selbst vermehrt werden können, während es bei den Hochzuchtsorten wegen der Patentlage verboten ist, eigenes Saatgut aus der Ernte herzustellen. Damit wurden schon viele Landwirte in Indien von der Saatgut- und Pestizid-Industrie in den Ruin getrieben.

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Re: Gesundheitswahn

Beitrag von Aria » Mo 5. Jun 2017, 18:13

Vielen Dank, Hans H., für die Mühe, die du dir gemacht hast mit dem auseinanderfieseln der einzelnen Bestandteile von verschiedenen Getreidesorten. Aber ob 3% mehr oder weniger eines Stoffes in einer Pflanze vorhanden ist, dürfte bei der Auswahl dieser Pflanze zum bevorzugten Lebensmittel kaum eine Rolle spielen. Auch ich finde, die langsame Gärung durch Sauerteig macht das Brot bekömmlicher, aber weite Teile Europas kennen solche Brote gar nicht, ohne dass sie deswegen mehr unter Brot-Unverträglichkeit leiden würden als z.B. wir Deutsche.

Nein, gerade beim unseren gegenwärtigen Überfluss an Lebensmitteln ist etwas ganz anderes entscheidend: Was ist gerade in? Ähnliches gilt z.B. auch für Krankheiten: Wenn im Fernsehen am Abend über eine bestimmte Krankheit diskutiert wurde, sind am nächsten Tag die Sprechzimmer voll von Leuten, die behaupten, gerade diese Krankheit bzw. Symptome bei sich beobachtet zu haben.

Damit ein Lebensmittel in werden kann, muss jemand das erst mal lancieren (und viele müssen das dann glauben). Das geschieht mit Betonung gewisser Eigenschaften des „neuen“ alten Lebensmittels (hier z.B. Dinkels), wozu mittelalterliche Rezepturen oder „Expertisen“ berühmter Klosterfrauen herhalten müssen – besonders oft wird dazu die heilige (der Öko-Bewegung) Hildegard von Bingen bemüht –, und andererseits müssen den anderen, ähnlichen Lebensmitteln schlechte Eigenschaften angedichtet werden, auf dass das neue Alte umso strahlenden erscheinen kann.

So glaube ich z.B. nicht, dass Morbus Crohn durch Lebensmittelunverträglichkeit verursacht wird, wie du schreibst, sondern diese Krankheit es mit sich bringt, dass man bestimmte Lebensmittel nicht mehr verträgt. Jedenfalls ist die Ursache für diese Krankheit nach wie vor unbekannt – aber falls du da neuere Daten hast, nur her damit.

Zuletzt hier ein Dokument, das die Berichte, die in dem Weizen den neue Bösewicht sehen, kritisch unter die Lupe nimmt: http://ptaforum.pharmazeutische-zeitung ... hp?id=6183

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Re: Gesundheitswahn

Beitrag von Hans H. » Mo 5. Jun 2017, 21:24

@Aria: danke für diesen Link.
Der Artikel bestätigt ja im Prinzip, was ich schrieb, lediglich von der Diskussion über Gluten müssen wir uns wohl bei den Unverträglichkeiten, die nichts mit Zöliakie zu tun haben, ganz verabschieden. Es war eigentlich zu vermuten, dass es dabei um ein anderes Protein aus dem Weizen geht, aber es war eben immer das einfachste, von dem Stoff (dem Gluten) zu reden, den inzwischen vom Namen her jeder kennt. Da muss ich mich "an die eigene Nase fassen", oft mangels genaueren Wissens vom Gluten gesprochen zu haben, weil das eben irgendwie (aber nicht wirklich korrekt) für das Eiweiß im Weizen und anderen Getreiden steht. Aber der schon lange bestehende Widerspruch, nämlich dass die alten Sorten mehr Kleber-Eiweiß enthalten, hat es eigentlich nahe gelegt, dass hier andere Eiweißstoffe des Weizens eine wesentliche Rolle spielen. Übrigens, den zitierten Dr. William Davis und den noch genannten Neurologen habe ich nie in meiner Argumentation zitiert, weil die mit ihren Aussagen in der Wissenschaft allein da stehen.

In dem Artikel steht:
Die Symptome ähneln denen der Zöliakie, auch Reizdarmpa­tienten klagen über vergleichbare Beschwerden. Wissenschaftler der Charité in Berlin vermuten, dass bis zu 20 Prozent der Reizdarmpatienten in Wirklichkeit besonders empfindlich auf Weizen reagieren.

Dann folgt unter "Hochleistungsweizen schuld?" aus der Uniklinik Mainz die Aussage:
Das Wissenschaftlerteam um Schuppan fand heraus, dass wahrscheinlich Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) die Beschwerden verursachen. Diese Proteinbestandteile kommen in Getreide als natürliche Abwehrstoffe gegen Parasiten und Krankheiten vor. Die Abwehrstoffe sind zwar auch in alten Getreidesorten vorhanden, doch moderne Züchtungen enthalten etwa zwei- bis dreimal so viel ATIs.

Das bestätigt also, dass es Eiweißstoffe gibt, die diese Unverträglichkeiten verursachen. Leider schreibt der Artikel aber nichts über den Hafer, dessen Proteine sich deutlich vom Weizen-Gluten unterscheiden. Interessant wäre, ob jetzt diese "ATI" darin in ähnlicher Form vorkommen.
Weiter unten kommt dann noch Folgendes:
Ob ATIs die einzige Ursache für die Weizensensitivität sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Möglicherweise lösen auch sogenannte FODMAPs bei empfindlichen Personen Beschwerden aus. Die Abkürzung steht für »Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide And Polyole«. Diese nicht resorbierbaren, von Darmbakterien aber fermentierbaren Zucker und Polyalkohole kommen natürlicherweise in Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten vor.
Das ist jetzt eine Aussage, die ich auch von den Hamburger Ernährungsmedizinern bereits gehört habe. Diese Theorie würde erklären, warum es bei vielen Menschen ein recht langsamer Prozess ist, durch den sich die Darmgesundheit verschlechtert (also bei denen anders als bei direkt fühlbarer Unverträglichkeit nicht schon nach einer Mahlzeit gleich mit direkten Folgen spürbar weil sich die Darmflora erst nach und nach ändert), und warum diese nach einer Darmkur zur Erneuerung der Darmflora sich nur dann langfristig gesund halten, wenn sie die Aufnahme von Weizen deutlich reduzieren. (Auch hier wieder: keinesfalls ein Voll-Verzicht, wie bei Zöliakie, da es ganz andere Zusammenhänge sind).

Im letzten Abschnitt folgt:
Würden jedoch alle Menschen kohlenhydratreiche Fertigprodukte meiden und weniger verarbeitete Lebensmittel sowie mehr Vollkornprodukte essen, könnte sich das tatsächlich positiv auf ihre Gesundheit – und ihr Gewicht – auswirken.
Auch das entspricht ja voll meinen mehrfach im Verlauf des Threads über lange Zeit geäußerten Aussagen. Allerdings bin und bleibe ich ein scharfer Kritiker der DGE, z.B. aus diesem Grund:
Und die Experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) weisen in ihrer Kohlenhydratleitlinie aus dem Jahr 2011 überzeugend auf die gesundheitsförderlichen Wirkungen von Vollkornprodukten hin.
Das weiß ich bereits seit den 1970ger Jahren aus der damaligen Literatur, die mit einem Buch von Dr. Bruker begann und von weiteren Autoren/innen fortgesetzt wurde. Nur damals hat die DGE die eindeutig belegten Erkenntnisse von Dr. Bruker nicht ernst genommen! Er und alle, die ihm geglaubt haben wurden als Spinner bezeichnet. Was hatte ich nicht für Diskussionen in der Firma (Pharma-Branche)! Das war oft ätzend. Die DGE hat ca. 35 Jahre gebraucht, das zu verstehen. Wie lange wird sie z.B. noch brauchen um die Gefahren zu verstehen, die von gehärteten Fetten ausgehen, die heute schon in den USA verboten sind und in Dänemark gegen extreme Lobby-Widerstände auch auf ein sehr niedriges Maß begrenzt wurden. Die DGE braucht eben erst Hunderttausend Beweise, bis sie reagiert. Klare Erfahrungen von hunderten von Ärzten nehmen sie nicht ernst.

Zu deiner Frage, Aria:
So glaube ich z.B. nicht, dass Morbus Crohn durch Lebensmittelunverträglichkeit verursacht wird, ....

Meine Aussage beruhte allein auf der eines Ernährungsmediziners. Ob es dazu weitere Literatur gibt, weiß ich nicht. Seine Erfahrung war die, dass nach langer Zeit einer Unverträglichkeit, die zuerst lange nicht gespürt wird, aber schon über Jahre zu unregelmäßigem Stuhlgang (und nicht der gesunden Konsistenz) führt, dann irgend wann in einen mit Beschwerden gefühlten Reizdarm übergeht nach weiteren vielen Jahren sich bis hin zum Morbus Crohn weiterentwickeln kann. Nach seiner Aussage ist zuerst das Ungleichgewicht in der Ernährung der Auslöser und dann die langsame aber chronische Schädigung über viele Jahre die Hauptursache.

Der Weizen kann dabei eine Rolle spielen, wenn die Unverträglichkeit vorliegt, aber selbst dann ist er meistens nur ein Faktor unter vielen im Rahmen der nicht ausgewogenen Ernährung und damit auch dauerhaften fehlerhaften Zusammensetzung der Darmflora.

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Re: Gesundheitswahn

Beitrag von Hans H. » Mo 5. Jun 2017, 21:35

Nachtrag: Dieses Buch hatte ich bereits ein Mal zitiert: https://www.weltbild.de/artikel/buch/al ... oC12zw_wcB Ich bin jetzt in der Mitte angelangt, lese aber immer nur kleine Stückchen weiter, weil ich nich anderes zu tun habe. Also, ich würde es unbedingt weiterempfehlen.

Jetzt sehe ich da noch den Satz in deinen Beitrag, Aria:
Auch ich finde, die langsame Gärung durch Sauerteig macht das Brot bekömmlicher, aber weite Teile Europas kennen solche Brote gar nicht, ohne dass sie deswegen mehr unter Brot-Unverträglichkeit leiden würden als z.B. wir Deutsche.
Da muss man zumindest bei den Franzosen und Südeuropäern, die ursprünglich nur das Weizen-Weißbrot kennen berücksichtigen, dass sie in ihrer gewohnten Ernährungsweise nur sehr viel weniger Brot essen, als wir.

Wo jetzt das Sauerteigbrot ursprünglich noch verbreitet war, außer in den Alpenländern und Deutschland, das weiß ich nicht. In Österreich hatte ich mal erfahren, dass es dort gerade in den Bergen eine uralte Back-Kultur mit Natursauerteig gibt.

 

Re: Gesundheitswahn

Beitrag von hajo » Mo 5. Jun 2017, 23:59

Hans H. hat geschrieben:Was Aria weiter vorn von der Harvard Studie zitiert hatte und mit dem Satz "An der Zöliakie, bei der sich Antikörper gegen Gluten bilden, das in Weizen und anderem Getreide vorhanden ist, leiden in Deutschland nur 0,9 Prozent", das bezieht sich nur auf die Zöliakie, die auch als Lebensmittelallergie leicht getestet werden kann, hat aber nichts mit der viel häufigeren und in keinem Allergietest feszustellenden Unverträglichkeit zu tun, die über längere Zeit zu chronischen Entzündungen, Reizdarm, Morbus Crohn etc. führt.
Was genau willst du damit sagen?
Wenn ich sage: "Ich hab mir am 17.5. in den linken Zeigefinger geschnitten", dann sagst du: das bezieht sich nur auf den linken Zeigefinger von HaJo, in den er sich am 17.5.geschnitten hat, hat aber nichts mit den viel häufigeren Verletzungen zu tun, die gar nicht in Hajos Haushalt stattfinden.
Ich halte das für eine ziemlich schlichte "Argumentation".
Ich gehe darauf daher nicht näher ein.
Denn ich vermute zweierlei:
Zum einen einen geradezu religiösen Eifer und zum anderen das, was ich aus der Frühzeit meines Lernens auch noch sehr gut kenne:
Begeisterte mich ein Buch, hatte ich über längere Zeit in betreffenden Diskussionen kaum andere Argumente als die angelesenen...

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