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Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von guenni » Do 26. Jan 2017, 17:23

Aria hat geschrieben:Deshalb schlage ich vor, diese Diskussion hier abzubrechen. Ich jedenfalls werde nicht mehr direkt darauf eingehen, obwohl das sicher zum gesellschaftlichen Wandel, dem Thema dieses Threads, gehört. Wir sollten lieber abwarten, wie die Reaktionen auf die protektionistischen Maßnahmen der neuen US-Regierung sein werden – wir können das Thema später wieder aufgreifen. Danke.


bummler hat mit seinem ökonomischen sachverstand vieles geschrieben, das zum widerspruch auffordert. aber ich erspare mir auch hier endlose diskussionen.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Hans H. » Fr 27. Jan 2017, 00:37

Zu jeder seiner Ausführungen müsste man eigentlich einen ganzen Absatz zur Klarstellung schreiben. Das ist so viel an falsch verstandenen Zusammenhängen, dass es au mich erschreckend wirkt. Aber ich schließe mich guenni an und erspare auch mir hier endlose Diskussionen.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Bummler » Fr 27. Jan 2017, 12:19

Na hoffentlich spart ihr nicht an der falschen Stelle. :mrgreen:

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Hans H. » Fr 27. Jan 2017, 22:15

Nun, da will ich heute mal einen Anfang machen und wenigstens zu einigen wenigen der Argumente von Bummler etwas schreiben, aber nicht zu allen, denn das wäre mir jetzt auch noch zu viel.
Bummler hat geschrieben:Ja, das erinnert mich an die "Wende". Die ostdeutschen Produkte waren nicht konkurrenzfähig und wir hätten ja bloß bessere Produkte herstellen brauchen, dann wären wir auch konkurrenzfähig geworden. Das ist gescheitert und im nachhinein sind sich die Experten einig, dass Ostdeutschland mit etwas mehr Protektionismus heute noch eine Industrie hätte.

Das ist ein im Osten weitverbreiteter Irrglaube, der auf einer ziemlich starken Unkenntnis der ökonomischen Zusammenhänge basiert: Protektionismus schützt immer dann, aber auch nur dann, wenn Produkte in gleicher oder zumindest fast gleicher Qualität aus dem Ausland deutlich billiger angeboten werden. Dann sorgt man mit Zöllen dafür, dass sie im eigenen Land nicht oder nur wenig billiger sind und die inländischen Produkte weiter gekauft werden. Mit Protektionismus gegenüber den chinesischen Solarmodulen hätte man daher tatsächlich die deutsche Produktion retten können, was aber mit viel größeren anderen Nachteilen (z.B. bei den Autoexporten) verbunden gewesen wäre. Das war außerdem mehr als 25 Jahre nach der Wende.

Protektionismus kann aber niemals die eigene Produktion retten, wenn sie in der Qualität deutlich schlechter ist, als die eingeführte. Dann hätte man mit der damaligen nahe an der Insolvenz liegenden DDR-Wirtschaft weitermachen und sich total abkapseln müssen. Mit der geöffneten Grenze ging das aber nicht. Da geht nur entweder - oder. Außerdem war ja die Wirtschaft der DDR kurz davor, dass auch der staatliche Dienst nicht mehr hätte bezahlt werden können. Eine wesentliche Ursache für das Nachgeben in der DDR-Regierung in Bezug auf die Öffnung der Grenze war ja schließlich die drohende Staatspleite. Mit der Öffnung der Grenze wollte aber fast kein Mensch in der ehemaligen DDR mehr viele der eigenen Produkte kaufen, weil man eine viel bessere Qualität aus dem Westen bekam. Aber diese Qualität war auch ohne jeden Protektionismus bereits deutlich teurer. Dennoch hat man sie haben wollen!

Auch der Handel im Osten hat von diesen neuen Produkten erheblich profitiert, denn die Gewinnspanne war dann ja bereits ein Gewinn im Osten. Hätte man diesen "Import" aus den west-Bundesländern mit Protektionismus behindert, wäre die Wirtschaft noch viel schlechter ins Laufen gekommen und es wäre den Menschen noch sehr lange sehr schlecht gegangen. Die Arbeitslosigkeit wäre innerhalb weniger Jahre auf über 50% angestiegen, weil nichts, aber wirklich überhaupt nichts in der Wirtschaft mehr funktioniert hätte.

Dieselbe Qualität nun in den eigenen Werken herzustellen, ging nicht von heute auf morgen. Dazu braucht man die Erfahrung und die Kenntnisse der Produktion im Westen, die sich dort in über 30 Jahren entwickelt hatte. Dazu war ein langer Lern-Weg erforderlich und der "Import" von Know How über Fachleute und Manager aus dem Westen. Und es hat in vielen Fällen ja funktioniert: BMW, Porsche, mehr als 100 Firmen auf dem Areal der Leuna-Werke und auch DHL hat mindestens einen erfolgreichen Standort (Leipzig). Also, mit etwas Geduld war viel möglich, aber nicht alles.

Dann vergiss mal nicht: Die Miete in den Städten wie Leipzig, Dresden und ähnlichen (nur außer Berlin) liegt für eine 120-qm Wohnung im Schnitt um 800 Euro pro Monat niedriger, als im Raum Frankfurt, Köln, Stuttgart, München etc. Die geringeren Löhne bei gleicher Arbeit machen aber im Osten keinesfalls 800 Euro im Monat mehr aus. Diese Unterschiede sind schon deutlich geringer.

Noch krasser ist es, wenn man ein Haus kauft. Im nahen Einzugsbereich von Leipzig und Dresden kann man noch Häuser mit 135 qm und 400 bis 600 qm Grundstück für 120.000 bis 150.000 Euro bekommen. Gleich alte und gleich große Häuser, aber mit deutlich weniger Grundstück kosten hier in ähnlicher Entfernung von den Städten 450.000 bis 650.000 Euro. Da zahlt man bei der günstigsten Finanzierung mit unter 1% Zinsen deutlich über 1000 Euro mehr monatlich ab, als im Osten.

Deshalb ist diese ständige Jammerei in den ehemaligen DDR-Ländern wirklich nicht mehr angebracht. Klar, jetzt kommt das Argument: Aber in Meck.-VP. sieht es anders aus. Ja, dann vergleich aber auch die Regionen der Industrieruinen in großen Bereichen des Ruhrgebietes. Da gibt es dieselbe Arbeitslosigkeit und auch große soziale Probleme. Nur billigen Wohnraum in Plattenbauten haben wir in solchen Regionen nicht. Die Menschen müssen deutlich tiefer in die Tasche greifen, um überhaupt ein warmes Zimmer zu haben, als in Meck.-VP.!
Genauso ergeht es den meisten Schwellenländern, die nicht hochkommen, weil die eigene Industrie gegen die Marktführer keine Chance haben.
Auch das ist eine Frage der Qualität der Produkte. Korea war auch mal ein Schwellenland. Indien ist es heute noch und hat Regionen, in denen die Industrie blüht. Natürlich nur bestimmte Regionen und in anderen nicht, denn das ist eigentlich nicht ein Land, wenn auch es ein politischer Staat ist.
Es ist also sinnvoll abzuwägen, ob man die eigene Industrie der überlegenen Konkurrenz aussetzt, oder im Interesse der eigenen Bevölkerung agiert.
Wie gesagt, das ist überhaupt nur möglich, wenn dieselbe Qualität billiger aus dem Ausland kommt. Deshalb will Trump Strafzölle einführen für hochwertige deutsche Autos, die in Mexiko hergestellt werden. Ansonsten kann sich ein Land mit schlechterer eigener Qualität nur absolut abkapseln und kann dann nichts importieren und nichts exportieren. Das hilft vor allem den Menschen im eigenen Land am wenigsten.
Weil letztendlich ein Importüberschuss auch schlecht ist (für die eigene Bevölkerung) und zwar genau in denselbem Maße wie ein Exportüberschuss gut ist (für die andere Bevölkerung). Anzustreben wäre eine Balance, wie auch immer.

Das ist richtig, da der Exportüberschuss zu den Problemen in anderen Ländern führt, die man dann stützen muss, solange sie in der EU sind. Über die Folgen in nicht EU-Landern will ich mich hier nicht auslassen, da die total verschieden sind, ob wir über Zentralafrika, USA, Südamerika oder asiatische Länder reden. Ein Land sollte aber auch nicht auf Dauer die Balance ausschließlich mit Energie-Rohstoffen herstellen wie Russland mit dem Erdgas. Das gibt es noch lange. Die Erschöpfung werden nicht einmal unsere Enkel erleben. Aber wenn das mal soweit ist, bricht die Wirtschaft zusammen. Die haben es trotz riesiger Flächen bis heute nicht geschafft, eine Landwirtschaft aufzubauen, die ohne Importe das eigene Land ernähren kann.
Nun muss man aber auch einmal anmerken, warum Deutschland so gut geworden ist. Nämlich durch Reformen, die letztendlich den Arbeitnehmern Nachteile gebracht und zumindest in Europa einen Wettbewerb zur Einschränkung der Sozialsysteme entfacht hat.
Unter dem Motto "wir wollen die Sozialsysteme erhalten" wurden Arbeitslosengeld, Renteneintritt, Niedriglohnsektor, Kündigungsgesetze usw. "angepasst".
Nein, diese Reformen, so schlecht sie teilweise auf gelungen sind, haben nichts dazu beigetragen, dass es Deutschland besser geht. Die wurden gemacht, weil die Sozialsysteme nicht finanzierbar geblieben wären, als der Anteil der nicht arbeitenden älteren Bevölkerung immer größer wurde. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Das Motto "wir wollen die Sozialsysteme erhalten" war also zwingend notwendig, sonst wären die heute bereits zusammengebrochen (also zahlungsunfähig).

Der Weg, wie man diese Reformen gemacht hat, kann berechtigterweise kritisiert werden, denn vieles war nicht gut gelungen. Aber die Vorbilder aus anderen Ländern haben alle ihre Schwächen. Das Gesundheitssystem von Schweden möchte ich z.B. hier nicht haben. Was aber meiner Meinung nach besser und sozialer ist, als bei uns, ist das System der Rentenversicherung in der Schweiz. Beim Gesundheitssystem sind die auch einen deutlichen Schritt weiter, als wir, aber das was hier als "Bürgerversicherung" angepriesen wird, immer mit Hinweisen auf die Schweiz, ist bisher in den veröffentlichten Modellen weit entfernt von dem dortigen System.
Wenn jetzt aufgrund der Sondereinnahmen die Kitaplätze kostenlos wären oder so, aber das passiert ja nicht. Im Gegenteil, vor dem Hintergrund das ja andere Nationen nachziehen könnten wird schon mal von der Rente mit 75 palavert.

Also, von Rente mit 75 redet keine der größeren Fraktionen ernsthaft. Das waren nur unbedeutende Einzelstimmen. Wenn es mal eine Rentenversicherungspflicht für alle gäbe (inkl. aller Freiberuflichen, Gewerbetreibenden, Geschäftsführer etc., und natürlich auch für Beamte ohne jegliche Anders-Stellung den "Normal-Berufstätigen" gegenüber, dann könnte man dieses Geschwätz der Rente mit 75 vergessen. Die Rentenversicherung ist ja deshalb nicht mehr sozial, weil zu große Schichten der Bevölkerung sich dieser entziehen können. Natürlich muss je nach Altersstruktur der Bevölkerung die Beitragsbemessungsgrenze auch deutlich oberhalb der Bemessungsgrenze für die Rentenzahlung liegen. Der Abstand muss flexibel sein und sich nach dem Verhältnis Beitragszahler / Rentenbezieher richten. Nur so eine Reform geht bei uns wahrscheinlich nicht, weil denn jeder klagt, der irgendwie schlechter gestellt wird.

Was die kostenlosen Kitaplätze betrifft: da bin ich voll bei dir! Wenn der Staat meint, wir brauchen mehr Nachwuchs, und dann diejenigen, die Kinder bekommen derartig abzockt, wie zurzeit, dann stimmt da irgend etwas in der "Logik der Denke" der Verantwortlichen nicht. Und die kostenlosen Kitaplätze wären genau so gut bezahlbar, wie die kostenlose Schule bezahlbar ist. Natürlich muss man die Prioritäten in einigen Bereichen dazu anders sortieren.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Zett » Fr 27. Jan 2017, 22:40

Hans H. hat geschrieben:Mit der Öffnung der Grenze wollte aber fast kein Mensch in der ehemaligen DDR mehr viele der eigenen Produkte kaufen, weil man eine viel bessere Qualität aus dem Westen bekam.
Blos mal dazu eine Anmerkung: Da ist sehr viel durch die Werbung (die sich die reichen Wessi-Konzerne leisten konnten) kaputt geworben worden. Dem hätte man bundesstaatlich entgegenwirken können. Und da ist massig durch Treuhand kaputtgemacht worden, weil man gute Ostbetriebe, die entsprechenden Westbetrieben nun Konkurrenz waren, einfach plattgemacht hat. Z.B. sollen - soweit ich weiß - die ostdeutschen Kalibergbaue um einiges besser gewesen sein als die Westkonkurrenz.

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von riedfritz » Fr 27. Jan 2017, 23:12

Da ist sehr viel durch die Werbung (die sich die reichen Wessi-Konzerne leisten konnten) kaputt geworben worden. Dem hätte man bundesstaatlich entgegenwirken können.
Die Qualität der "Ostprodukte" war größtenteils ein Ergebnis der staatlich beeinflußten Werbung der DDR. Der Vergleich mit den anderen Comecon-Staaten war eben kein Vergleich mit dem Weltniveau. Übrigens, wozu braucht ein Staat mit Planwirtschaft Werbung?
Zett, Du hast 25 Jahre Zeit gehabt, zu begreifen, daß Werbung nur in geringstem Umfang vom "Bundesstaat" überwacht wird weil man dem mündigen Bürger ein eigenes Urteil zutraut.


Viele Grüße,

Fritz

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Zett » Sa 28. Jan 2017, 00:18

Ach Fritz, wie so oft: voll daneben!

In der DDR gab es ab den frühen 70er Jahren keine Werbung mehr. Für was auch? Es gab fast nichts, was es nicht immer häufiger nicht gab. Z.B. wurde alles, was die lieben Westdeutschen bei Neckermann und Co. verramschen konnten, zwangsexportiert, damit unsere "lieben Brüder" in Moskau wieder Devisen bekommen konnten.

Mit dem "Da ist sehr viel durch die Werbung (die sich die reichen Wessi-Konzerne leisten konnten) kaputt geworben worden. Dem hätte man bundesstaatlich entgegenwirken können" meinte ich, dass man z.B. für Ostprodukte hätte Werbung aus Steuermitteln finanzieren können, man bei Westprodukten, wo entsprechende auch im Osten produziert wurden, einen Hinweis verpflichtend hätte machen können - oder was weiß ich auch immer. Es hätte sicherlich viele Möglichkeiten gegeben, mehr Chancengleichheit durch staatlichen Eingriff herzustellen und damit mehr ostdeutsche Wirtschaft erfolgreich in das bundesdeutsche Wirtschaftssystem einzuführen. Offensichtlich fehlte es allerdings am Wille der Politik.

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Eule » Sa 28. Jan 2017, 02:01

@ Bummler
Trump ist Pragmatiker. Er hat erkannt das die "Globalisierung", also weltweiter Handel, nicht das geliefert hat was sie versprochen hat, nämlich Wohlstand für alle.
ist es Aufgabe der "Globalisierung", Wohlstand für alle zu schaffen? Das wäre mir neu.
Die ostdeutschen Produkte waren nicht konkurrenzfähig und wir hätten ja bloß bessere Produkte herstellen brauchen, dann wären wir auch konkurrenzfähig geworden.
Das ist eine sehr verkürzte und auch nicht richtige Sicht der Wirtschaftslage in der ehemaligen DDR. Die DDR-Industrie war technisch teilweise, ich betone ausdrücklich teilweise, auf den Stand der 50ger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Auch wurden Produkte hergestellt, die so auf dem Weltmarkt keine Chance hatten, weil das Produkt als solches überholt war. Ich rede hier aus einer persönlichen Erfahrung heraus. Denn ich hatte versucht, einen Industriebetrieb zurück zu erhalten. Dieses scheiterte nur daran, dass dieser Betrieb ein halbes Jahr vor dem entscheidenden Stichtag enteignet wurde. Von meiner Familie und weiteren potentiellen Eigentümern war ich der Einzige, der diese Firma von innen gesehen und mit den verantwortlichen Personen dort gesprochen hatte. Diese Firma war in seinem Haupterwerbszweig nicht überlebensfähig, weil entsprechende Betriebe in der Bundesrepublik ca. 10-15 Jahre vorher geschlossen wurden. Jedoch war in diesem Betrieb eine Produktionsmöglichkeit erhalten, wenn es auch nicht mehr genutzt wurde, die als eine Sonderform und Spartenbetrieb hätte fortgeführt werden können. Ob dieses nur eine theoretische Möglichkeit war, konnte ich ja nicht mehr überprüfen, da mir der Zugriff auf diese Produktionsmöglichkeit nicht offen stand. Du solltest die Lage der DDR-Wirtschaft zur damaligen Zeit sehr kritisch sehen. Ja, mir ist es auch bekannt, dass einige Betriebe von "Westunternehmen" ausgeplündert wurden, obgleich diese Betriebe eine reale Überlebenschance hatten.
Das ist gescheitert und im nachhinein sind sich die Experten einig, dass Ostdeutschland mit etwas mehr Protektionismus heute noch eine Industrie hätte.
Gut, ich habe damals gesagt, als die DDR eine Mauer brauchte, hatte sie keine mehr. Aber die Begründung war etwas anders, als die, die du hier anbietest.
Es ist also sinnvoll abzuwägen, ob man die eigene Industrie der überlegenen Konkurrenz aussetzt, oder im Interesse der eigenen Bevölkerung agiert.
Dieses ist ein Irrtum. Ein sich dem Welthandel versperren führt zu einer Verarmung der Bevölkerung. Der angebliche Schutz wird somit zum Faktor einer Verelendung.
Weil letztendlich ein Importüberschuss auch schlecht ist (für die eigene Bevölkerung) und zwar genau in denselbem Maße wie ein Exportüberschuss gut ist (für die andere Bevölkerung). Anzustreben wäre eine Balance, wie auch immer.
Das Modell der Balance, so wie du dieses ansprichst, ist doch viel komplizierter.
Nun muss man aber auch einmal anmerken, warum Deutschland so gut geworden ist. Nämlich durch Reformen, die letztendlich den Arbeitnehmern Nachteile gebracht und zumindest in Europa einen Wettbewerb zur Einschränkung der Sozialsysteme entfacht hat.
Das ist eine verengte Sicht, wie diese von den Linken vertreten wird. Mit der Agenda 2020 wurde ein theoretischer Fehler gestartet, weil das Denken der Verantwortlichen in einem alten Gesellschaftsmodell gefangen war und ist und von den Gewerkschaften leider aufrecht gehalten wird.
Unter dem Motto "wir wollen die Sozialsysteme erhalten" wurden Arbeitslosengeld, Renteneintritt, Niedriglohnsektor, Kündigungsgesetze usw. "angepasst".
Es fand keine Anpassung statt, es war eine Neuorientierung. Nur war das Modell der Neuorientierung ein veraltetes Gesellschaftsmodell, welches auf die Herausforderungen der Neuzeit nicht einging.
Mit dem Erfolg das es unserer Wirtschaft ganz gut geht (wobei diese Feststellung auch pauschal ist), während andere Nationen (z.B. Frankreich) plötzlich im Regen stehen.
Ja, dieses kannst du so sagen. Aber du solltest gleichzeitig auch sagen, dass in diesen Ländern ebenfalls eine Neuorientierung stattfinden muss. Nur sollte diese Neuorientierung sich an den Anforderungen der modernen Gesellschaft orientieren.
Da in den USA so was schon mal gar nicht möglich ist, weil deren Sozialsysteme im Vergleich mit europäischen praktisch nicht existieren, kann Trump gar nicht anders als sich abschotten.
Hier irrst du. Du musst die amerikanische Denkkultur berücksichtigen und dann fragen, wie kann eine Veränderung herbeigeführt werden. Abschotten führt nur zu einer weiteren "Verelendung".
Also letztendlich macht die AfD (wobei es "die" gar nicht gibt, da gibt es innerhalb mehr unterschiedliche Richtungen als in allen anderen Parteien zusammen) nicht Deutschland schlecht, sondern sie will als Alternative zur gegenwärtigen geopolitisch ausgerichteten Wirtschaftspolitik, die zu Sozialabbau und Vertiefung der sozialen Spannung führt (und damit die populistischen und rechten Strömungen befeuert), eine national ausgerichtete Wirtschaftspolitik.
Das freut aber die AfD. Denn das ist genau nicht ihr Ziel.
Was unter Berücksichtigung und in Abwägung aller Faktoren zumindest vernünftig erscheint.
Da du kein Mensch aus der Wirtschaft bist, kann es dir so erscheinen. Die AfD ist eine rechtspopulistische Partei ohne jeglichen wirtschaftlichen Sachverstand. Sie arbeiten nicht mit Fakten, sie arbeiten mit Emotionen.
Einig sind wir uns dahingehend, das diese Politik zu einem Abbau des Exportüberschusses führen wird und damit natürlich zu Verlusten bei den Einnahmen.
Welche Bedeutung hat dieser Einnahmeverlust?
Aber wenn es dadurch zu einer Stabilisierung vor allem der mittelständischen Wirtschaft kommt, dann wird das langfristig das bessere und vor allem das nachhaltigere Konzept sein.
Diese deine Auffassung kann ich nicht teilen. Mir fehlt hier der Bezug zu dieser deiner Meinung.
Dieser Exportüberschuss kommt ja nicht überall an.
Hier verwechselst du jetzt die wirtschaftliche Grundlage mit deren Ergebnisverteilung.
Wenn jetzt aufgrund der Sondereinnahmen die Kitaplätze kostenlos wären oder so, aber das passiert ja nicht.
Die öffentliche Hand hat doch die Mehreinnahmen, die durch diesen Exportüberschuss erwirtschaftet wurden. Hier unterliegst du einem Denkfehler.

Dann doch lieber die AfD.
Wenn das deine politische Meinung und Einstellung ist, dann kannst du mir nur leidtun. Ja, dann muss ich an deinen politischen Sachverstand zweifeln.

@ Aria
Wer das nicht sehen will
Bummler hat geschrieben:
Dann doch lieber die AfD.

weil er gefühlsmäßig anderer Meinung ist, den kann man mit Argumenten nicht erreichen. Deshalb schlage ich vor, diese Diskussion hier abzubrechen. Ich jedenfalls werde nicht mehr direkt darauf eingehen, obwohl das sicher zum gesellschaftlichen Wandel, dem Thema dieses Threads, gehört. Wir sollten lieber abwarten, wie die Reaktionen auf die protektionistischen Maßnahmen der neuen US-Regierung sein werden – wir können das Thema später wieder aufgreifen. Danke.
Diese deine Meinung teile ich nicht. Natürlich kann und darf Bummler die AfD wählen. Er soll dann aber wissen, dass ich dieses für falsch halte und dann an seine politische Vernunft zweifle.

@ guenni
bummler hat mit seinem ökonomischen sachverstand vieles geschrieben, das zum widerspruch auffordert. aber ich erspare mir auch hier endlose diskussionen.
Wie soll Bummler auf seinen Irrtum aufmerksam werden, wenn ihm ein aufklärerisches Gespräch versagt wird?

@ Hans H
Protektionismus schützt immer dann, aber auch nur dann, wenn Produkte in gleicher oder zumindest fast gleicher Qualität aus dem Ausland deutlich billiger angeboten werden.
Protektionismus soll die eigene Wirtschaft, unabhängig von der erbrachten Qualität, schützen.
Mit Protektionismus gegenüber den chinesischen Solarmodulen hätte man daher tatsächlich die deutsche Produktion retten können, was aber mit viel größeren anderen Nachteilen (z.B. bei den Autoexporten) verbunden gewesen wäre.
Nein, hier siehst du nicht den richtigen Zusammenhang. Die deutschen Solarmodule hätten vor chinesischen geschützt werden müssen, nicht weil diese dort billiger produziert wurden. Sie hätten geschützt werden müssen, weil der Staat dort die Produktionskosten durch Zuschüsse gesenkt hat, also eine marktverfälschende Subventionierung vornahm. Das ist ein anderer Sachverhalt!
Protektionismus kann aber niemals die eigene Produktion retten, wenn sie in der Qualität deutlich schlechter ist, als die eingeführte.
Doch, dieses ist oftmals der entscheidende Grund für diese Maßnahmen.
Dann hätte man mit der damaligen nahe an der Insolvenz liegenden DDR-Wirtschaft weitermachen und sich total abkapseln müssen.
Mit dieser Feststellung gehst du nicht auf die Gründe ein, warum die DDR-Wirtschaft nahe an der Insolvenz war.
Eine wesentliche Ursache für das Nachgeben in der DDR-Regierung in Bezug auf die Öffnung der Grenze war ja schließlich die drohende Staatspleite.
Diese Begründung höre ich jetzt zum ersten Male. Ich halte sie für nicht zutreffend.
Mit der Öffnung der Grenze wollte aber fast kein Mensch in der ehemaligen DDR mehr viele der eigenen Produkte kaufen, weil man eine viel bessere Qualität aus dem Westen bekam.
Ich denke, du warst zur Wendezeit nicht in der DDR und hattest wohl auch keine Kontakte dorthin. Sonst könntest du mit dieser deiner Erklärung nicht so deutlich danebenliegen.
Hätte man diesen "Import" aus den west-Bundesländern mit Protektionismus behindert, wäre die Wirtschaft noch viel schlechter ins Laufen gekommen und es wäre den Menschen noch sehr lange sehr schlecht gegangen. Die Arbeitslosigkeit wäre innerhalb weniger Jahre auf über 50% angestiegen, weil nichts, aber wirklich überhaupt nichts in der Wirtschaft mehr funktioniert hätte.
Eine sehr gewagte, dennoch falsche, Aussage. Der DDR ist der "Ostmarkt" weggebrochen und der gesamte "Ostmarkt" hätte abgeschottet werden müssen. Aber dieses hätte am Staatsbankrott nicht geändert.
Zu deinen weiteren wirtschaftlichen Ausführungen will ich jetzt keine Stellung nehmen. Hier werden Vermutungen, Vorurteile und Fakten durcheinander gemengt. Es ist eben nicht unbedingt alles falsch, was du da ausführst, nur eben richtig ist es auch nicht.

@ riedfritz
Die Qualität der "Ostprodukte" war größtenteils ein Ergebnis der staatlich beeinflussten Werbung der DDR.
Mir ist es völlig neu, dass die Werbung die Qualität eines Produktes beeinflussen soll.

@ Zett
Es wäre meiner Ansicht nach viel besser und aussagefähiger gewesen, wenn du festgestellt hättest, dass viele Produkte aus der DDR denen aus dem Westen durchaus die Stirn bieten konnten und es heute sogar tun. Das Bild der DDR-Wirtschaft und deren Produkte kann nicht mit so einfachen Argumentationsketten dargestellt werden. Es muss schon viel differenzierter gedacht und gesprochen werden.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Hans H. » Sa 28. Jan 2017, 02:09

Es gibt ja tatsächlich einige Beispiele für Produkte, die "made in GDR" eine Qualität hatten, so dass sie in den 1980ger Jahren noch gut in den Westen exportiert werden konnten und Devisenbringer waren. Ich nehme jetzt mal nur das Beispiel Pouch (Zelte, Faltboote). Wir hatten aus diesem Werk ein recht hochpreisiges WoWa-Vorzelt und was stand wohl auf dem Stoff drauf? "Trevira", also eine Faser, die damals aus Bad Hersfeld kam und der Rohstoff aus Gersthofen.

Man hat in der DDR den Stoff aus der Faser gewebt, beschichtet und die Zelte genäht. Die früheren Konkurrenten in Westdeutschland gab es zur Zeit der Wende schon nicht mehr, weil diese Produktionslinien in ganz Westeuropa nicht mehr rentabel waren. Wer hat also hier mit welcher Werbung dazu geführt, dass Pouch diese Produktion nicht weiterführen konnte? Wie sollten die etwas schaffen können, was kein Unternehmen in Westeuropa mehr konnte?

Was ist mit der anderen Produktlinie, den Faltbooten? Die waren deutlich schwerer, als die von Klepper. Klepper ist aber keineswegs ein reicher Wessi-Konzern gewesen. Da hätte man sehr schnell leichtere Boote in konkurrenzfähiger Qualität herstellen müssen, aber woher sollte das Know-how kommen? Nur wenn Klepper die übernommen hätte, wäre ein Know-how Transfer möglich gewesen, aber dieses kleine Nischen-Geschäft war zu klein, als dass man einen weiteren Produktionsstandort neben Rosenheim hätte übernehmen können. Es lief auch weiterhin immer schlechter, da es Billig-Konkurrenz aus Russland gibt. Deshalb gibt es heute auch den Produktionsstandort Rosenheim nicht mehr. Es lief dort zwar noch ca. 20 Jahre länger, als bei Pouch, aber die Klepper-Boote werden jetzt in Polen hergestellt.

Gegen diese Entwicklung hätte keine Politik etwas unternehmen können. Das war jetzt nur ein Beispiel, also einer Firma aber zweier Produktlinien. Ähnlich gelaufene Beispiele gibt es viele.

@Zett: Jetzt bring doch du mal ein Gegenbeispiel für eine Produktion, die gut genug war, dass sie hätte weiter laufen können, und für die die internationalen Rahmenbedingungen so sind, dass die Produktion in Mitteleuropa heute noch wirtschaftlich möglich gewesen wäre.

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von riedfritz » Sa 28. Jan 2017, 09:34

@ riedfritz

Die Qualität der "Ostprodukte" war größtenteils ein Ergebnis der staatlich beeinflussten Werbung der DDR.

Mir ist es völlig neu, dass die Werbung die Qualität eines Produktes beeinflussen soll.
Ich wollte damit etwas ironisch ausdrücken, daß man der DDR-Bevölkerung weismachte, daß die Produkte mit westlichen Standards mithalten konnten.
Wäre dies in größerem Umfang der Fall gewesen, hätte man über den Export Devisen erwirtschaften können.

Viele Grüße,

Fritz

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