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Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

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Beitrag von holgi-w » Mo 2. Okt 2017, 13:41

hajo hat geschrieben:(...) DAS hab ich NIE geschrieben. (...)


Nein, das hast Du natürlich auch nicht!
Das sollte eigentlich Lage (Kreis Lippe) werden. "Freudsche Fehlleistung" meinerseits da ich in einer Stadt wohne, durch die die Lippe fließt.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Aria » Di 3. Okt 2017, 12:33

Weil hier kürzlich viel vom Zeitgeist die Rede war, habe ich heute ein bisschen im Netz gestöbert – und das gefunden: SWR2 Essay: Zeitgeist, der große Ansager; von Monika Boll. Weil es ziemlich lang ist, zitiere ich nachfolgend nur das für unsere Diskussion Wesentliche. Was natürlich nicht heißt, dass andere Teile des Essays uninteressant oder unwesentlich wären.

Wenn wir vom Geist der Zeit sprechen, dann ist immer auch ein moralisches Klima gemeint. Unter dem Zeitgeist wird die allgemeine geistige Verfassung verstanden, die das Bewusstsein jedes Einzelnen bestimmt. Der jeweils herrschende Geist der Zeit verfügt über eine normative Autorität. Der Kulturphilosoph Ralf Konersmann schreibt:

„Der Zeitgeist improvisiert ein Sinnangebot, das nur für uns, für unsere Gegenwart gelten soll. Diejenigen, die sich zum Zeitgeist bekennen, finden an ihm Halt und Sicherheit, und umgekehrt definiert die Anerkennung solcher Vorgaben Zeitgenossenschaft und Zugehörigkeit.“

Der Geist der Zeit zielt demnach auf einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens hinsichtlich eines vermeintlich allgemeingültigen Wertekanons. Seine Unterstützer belohnt er mit Sicherheit im moralischen Urteil und der Zugehörigkeit zu einem Kollektiv.
[…]
Interessante Anhaltspunkte zu der von Blumenberg aufgeworfenen Problematik findet man aber auch in anderen Zusammenhängen, etwa in Fragen zum Verhältnis von Recht und Moral. Nach allgemeinem Verständnis knüpft die rechtliche Verfassung eines Staates ihre Legitimität an die Voraussetzung eines außergesetzlich geltenden Wertekanons, vor allem an die Annahme eines überzeitlichen Begriffs von Gerechtigkeit. Ohne dies wäre die Akzeptanz einer allgemeinen Rechtsordnung schwer einzufordern. Andererseits befinden sich auch Rechtssysteme – und das nicht nur nach gewaltsamen politischen Umbrüchen – in ständiger Veränderung.

Dies wird besonders deutlich bei Entscheidungen im Rahmen des Ehe-, Sexual- und Familienrechts, die auf die allgemeine sittliche Ordnung rekurrieren. Man denke etwa an die lange unselige Geschichte des § 175, der noch bis 1969 einvernehmlichen Sex zwischen erwachsenen Männern als sittenwidriges Verhalten unter Strafe stellte. Dies weist auf ein juristisches Dilemma, von dem selbst das Grundgesetz der Bundesrepublik nicht frei ist. In Artikel 2, Absatz 1 heißt es zu den persönlichen Grundrechten:

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Aber was ist das Sittengesetz? Der Staatsrechtler Günter Erbel definiert es folgendermaßen:

„Das Sittengesetz ist die Summe derjenigen sittlichen Normen, die die Allgemeinheit als richtig anerkennt und als für das menschliche Zusammenleben verbindlich ansieht. Das Sittengesetz ist eine der drei Schranken der allgemeinen Handlungsfreiheit der freien Entfaltung der Persönlichkeit.“

„Die Geltung eines grundrechtsbeschränkenden Sittengesetzes im Einzelfall festzustellen, ist mit besonderen Problemen verbunden … Für die Auslegung des Verfassungsbegriffs ,Sittengesetz‘ ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes so gut wie keine Anhaltspunkte. In der heutigen pluralistischen Gesellschaft ein Sittengesetz als verbindlichen Ausdruck des maßgebenden moralischen Bewusstseins festzustellen, ist eine Aufgabe, die der Quadratur des Kreises nahekommt.“

Der Quadratur des Kreises in Moralfragen ist jedoch kaum zu entkommen. Einerseits erhebt das Recht den Anspruch auf eine weltanschaulich neutrale Gesetzgebung, andererseits muss es sich dabei auf Normen beziehen, die nicht ewig und unumstößlich gelten, sondern dem Wandel des Zeitgeistes unterliegen.

Ich finde, dass sind interessante und gute Erläuterungen zum Thema Zeitgeist, Recht und Moral.

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Eule » Di 3. Okt 2017, 20:53

@ kristofnrw
Wenn man zitiert, dann sollte man die Zitate auch in den richtigen Bezug setzen. Andernfalls mußß dein Beitrag als Polemik betrachtet und verworfen werden.

@ alle
Der Begriff des Zeitgeistes halte ich ich in der Gegenwart für sehr problematisch. Sind soch immer mehrere Strömungen vorhanden und erst aus einem gewissen Abstand heraus lässt sich ein entsprechender Zeitgeist bestimmen.

 

Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von hajo » Mi 4. Okt 2017, 02:30

Eule hat geschrieben:Der Begriff des Zeitgeistes halte ich ich in der Gegenwart für sehr problematisch.
Hm...
Ich - als intellektuell eher bescheiden ausgestatter Zeitgenosse (ZETT vermutet vermutlich: retardierter) - wäre auf eine akkusative Form am Beginn des Satzes gekommen und ordnete den Zeitgeist in die existierende Zeit ein.
Also:
In die GEGENWART.

Aus einem Abstand bestimmen zu wollen, was der Geist der Zeit war - also, wenn man NICHT mehr mit den Protagonisten reden kann - das hat meines Erachtens den Nimbus einer gewissen Arroganz.

Nebenbei:
Lies mal Arias Beitrag. ..

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Eule » Mi 4. Okt 2017, 23:03

@ Hajo
Meine Aussage bezüglich des Zeitgeistes steht nicht im Widerspruch zum Beitrag von Aria.

Den Begriff des Zeitgeistes kenne ich auch unter vielen anderen Bezeichnungen. Was mir wichtig ist, dass wir den Zeitgeist nicht an seinen kurz-, mittel- oder langfristigen Ausschlägen bemessen sollten, sondern immer an seiner langfristigen Entwicklung.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Hans H. » Do 5. Okt 2017, 15:29

Wieso dieser seitenlange Streit, was zu Norddeutschland gehört? Nur weil CL meinte, im Süden sei es anders gewesen, als im Norden?
Hat denn keiner gelesen, wie ich in Bezug auf freies Nackbaden die 1970ger in Süd Baden-Württemberg erlebt habe? (01.10.2017)
Damit erledigt sich doch die ganze Nord - Süd Diskussion.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Shiva205 » Do 5. Okt 2017, 16:29

... freies Nackbaden 1970ger in Süd Baden-Württemberg ...
Auch in Bayern gab's damals viele freie FKK-Badestlellen, z.B. an der Isar durch ganz München. Wo es noch nicht so gut ging, war das Schwäbisch-Bayerische Grenzgebiet im Donautal. Dort gibt es viele Baggerseen, die aber erst in den 80er-Jahren für's Nacktbaden "erschlossen" wurden.

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Aria » Do 5. Okt 2017, 17:40

Eule hat geschrieben:Den Begriff des Zeitgeistes kenne ich auch unter vielen anderen Bezeichnungen.
Ah? Ich kenne nur die Bedeutungen, die auch der Duden kennt. Wenn du mehr kennst, nur her damit - ich bin immer daran interessiert Neues zu lernen.

 
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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von riedfritz » Do 5. Okt 2017, 18:31

Hans H. hat geschrieben:Hat denn keiner gelesen, wie ich in Bezug auf freies Nackbaden die 1970ger in Süd Baden-Württemberg erlebt habe? (01.10.2017) Damit erledigt sich doch die ganze Nord - Süd Diskussion.
Kann ich nur bestätigen. Ab Anfang der 1970-er Jahre konnte man an der Donau immer wieder nackte Sonnenanbeter finden, was heute nach meiner Erfahrung nicht mehr der Fall ist, vielleicht auch desegen, weil die parallelen Radwege nach und nach immer besser ausgebaut wurden und deshalb die Publikumsfrequenz wesentlich höher ist.

Viele Grüße,

Fritz

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Re: Dokumente des gesellschaftlichen Wandels

Beitrag von Bummler » Do 5. Okt 2017, 19:52

Aria hat geschrieben:
Weil hier kürzlich viel vom Zeitgeist die Rede war, habe ich heute ein bisschen im Netz gestöbert – und das gefunden: SWR2 Essay: Zeitgeist, der große Ansager; von Monika Boll.

...

Ich finde, dass sind interessante und gute Erläuterungen zum Thema Zeitgeist, Recht und Moral.


Ja das stimmt. Und es würde das intellektuelle Niveau der Diskussion um einiges erhöhen, wenn sich ALLE dieses Essay reinziehen würden. Leider ist das nicht so und so bleibt nur die Erkenntnis, das schon allerlei Geistesgrößen dieses Problem erkannten:
Vielleicht stimmt ja, was Peter Sloterdijk in sein Kalendarium „Zeilen und Tage“ im Oktober 2009 notierte:

„Deutschland war noch nie ein Debattenland, sondern eine Echokammer für
Hysterien und Vorwürfe, aus denen keiner etwas lernt, außer wie man die nächste
Runde sinnloser Aufregung anzettelt.“



Oder der hier:

Aber schon bei Johann Wolfgang von Goethe kann
man dazu eine Beobachtung finden:

„Wenn eine Seite nun besonders hervortritt, sich der Menge bemächtigt und in dem
Grade triumphiert, dass die entgegengesetzte sich in die Enge zurückziehen und für
den Augenblick im Stillen verbergen muss, so nennt man jenes Übergewicht den
Zeitgeist, der dann auch eine Zeit lang sein Wesen treibt.“


Sehr schön formuliert. Ich finde ja, das man den "Zeitgeist" durch die Abwesenheit der Vernunft charakterisieren kann, jedenfalls den gegenwärtigen.

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