von Hans H. » Mi 8. Nov 2023, 23:08
Die Lufttemperatur ist überhaupt nicht entscheidend! Es kommt darauf an, ob die Sonne scheint oder nicht, ob Wind ist und wie hoch die Luftfeuchtigkeit ist. Bei -10° und deutlichem Wind bei mittlerer Luftfeuchtigkeit hält es niemand länger als 5 Minuten aus, bevor die Finger, Unterarme und Beine so unterkühlt sind, dass die Beweglichkeit und Kraft bereits eingeschränkt wird. Bei Windstille, Sonne, und recht trockener Luft kann es deutlich kälter sein, und man fühlt sich wohl, solange man in Bewegung ist.
Ich hatte früher schon mal von meinem Aufstieg im Winter mit Tourenschi im Großglocknergebiet berichtet, an einem Tag, an dem die Frostgrenze bei 600 m Höhe lag und ich bei Windstille und Sonne bereits in 2400 m Höhe war, als es plötzlich windig wurde und zuzog. Zum Anziehen der langen Hose muss man ja zwangsläufig aus den Touren-Schischuhen heraus. Das kostet etwas Zeit. In diesen vielleicht 1-2 Minuten war ich schon so ausgekühlt, dass die Kraft in den Fingern nicht mehr reichte, die Schuhe wieder richtig zuzuschnallen. Ich hatte dann sogar zunächst darauf verzichtet, die mitgenommenen 3 Schichten warmen Oberteile aus dem Rucksack auszupacken, weil ich keine weitere Minute mehr in diesen Bedingungen bleiben wollte. Die Geschwindigkeit der Auskühlung war einfach brutal. Da habe ich nur schnell ein T-Shirt und die oberste Schicht, eine Touren-Windjacke übergezogen, kaum noch die Handschuhe über die Finger bekommen wegen der nachlassenden Fingerkraft und dann in direkter gerader Linie über den Neuschnee hinunter bis zu einer alten Holzhütte, an deren Wand ich Windschutz hatte. Das war mehrere hundert Höhenmeter tiefer. Dort habe ich dann erst das Langarm-Thermohemd und noch ein Oberteil angezogen. Die Finger und Zehen waren immer noch ziemlich gefühllos. Aber runter in wärmere Gefilde, auch ohne den scharfen Wind, als ich in die Waldzone kam, ging es ja sehr schnell.
Wenn man jetzt überlegt, wie es vorher war, als ich es beim Aufstieg angenehm empfand: Die Lufttemperatur hatte sich nicht dadurch geändert, dass die Sonne verschwunden ist. Es war nur das Wegbleiben der warmen Strahlung und der aufkommende Wind unter der dicken schwarzen Wolke. Diese kam übrigens, ohne dass man sie vorher sehen konnte, um das Massiv herum, und diese Wetteränderung passierte innerhalb von höchstens 2-3 Minuten. Deshalb ist es ja in den Bergen so gefährlich, wenn man nicht schon oberhalb 1000 m immer auf so etwas vorbereitet ist und noch warme Sachen dabei hat.