Der Beitrag von riedfritz ist zwar nicht falsch, aber eben dennoch nicht richtig. Ich will jetzt hier meine Sicht darstellen, die grundsätzlich nicht im Widerspruch zum Beitrag von riedfritz steht, jedoch die Entwicklungsschwerpunkte etwas anders setzt.
Nach dem Krieg war die Bevölkerung erst einmal mit dem Wiederaufbau ihrer Wohnungen und der Wirtschaft beschäftigt. Die West-Deutsche Wirtschaft konnte durch die Währungsumstellung und der US-Amerikanischen Wirtschaftshilfe Fuß fassen und da die industrielle Ausstattung infolge der Kriegsschäden nahezu erneuert werden musste entstand das sog. "Wirtschaftswunder". Das System der sozialen Marktwirtschaft mit seiner Anbindung an den westlichen Handel und Welthandel führte zu einem Wohlstand, den es so vor dem Krieg nicht gab. Kollektive bildeten sich auf der Arbeitnehmerseite (Gewerkschaften), die sich als Industriegewerkschaften organisierten. Dieses führte dazu, dass es in einem Betrieb im Prinzip nur eine Gewerkschaft gab, die die Interessen aller Arbeitnehmer vertrat. Waren mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb aktiv, so sprachen sie ihre Maßnahmen untereinander ab. Mit steigendem und abgesichertem Wohlstand nahm der Organisationsgrad der Gewerkschaften ab. Die Menschen individualisierten und grenzten sich untereinander immer mehr ab. Jeder wollte etwas Besonderes sein, als ein Individuum angesehen werden. Die Spitze dieser Entwicklung sehen wir in den Massen der Selfies, die herumgezeigt werden. Was mir jedoch ein gutes Gefühl gibt, ist das in Notlagen sich viele Menschen für Hilfsleistungen engagieren.
Dieser Trend zur Individualisierung steht natürlich im Gegensatz zu dem Gemeinschaftsgedanken der klassischen FKK-Bewegung. Die FKK-Vereine haben sich wieder gegründet und sehr schnell den Charakter von Freizeitflächen angenommen, in denen man sich unbekleidet bewegen kann. Die veränderte Situation am Arbeitsplatz und die verbesserte Ausstattung der Wohnungen vermittelte vielen Menschen den Eindruck, dass man den Idealen der FKK-Bewegung nicht mehr folgen müsse. Diese Ideale wurden später wieder aufgegriffen, jedoch nur außerhalb der FKK-Bewegung.
Ja, in der Bundesrepublik waren die 1950-60ger Jahre ausgesprochen prüde. Einfache und natürliche Nacktheit wurde nur bei den Vorschulkindern geduldet, sie galt als unmoralisch. Mit den 1969ger Protesten trat eine langsame Lockerung ein, die meistens jedoch nur formal, also ohne innere Überzeugung, gelebt wurde. FKK-Vereine waren gezwungen, um ihre Gelände einen blickfesten Sichtschutz aufzubauen und zu unterhalten. Erst in jüngster gibt gibt es FKK-Gelände ohne Sichtschutz. Die FKK-Vereine mussten sich als Sportvereine organisieren, da sie nur auf diesem Wege die Gemeinnützigkeit erlangen konnten. Somit ist im Wesentlichen der kulturelle Anspruch der Reformbewegung heute verschwunden.
Viele Menschen, so scheinbar auch riedfritz, verbinden die klassische FKK mit ihren Extremformen, wie z. B. mit dem Alkohol- Rauch- und Fleischverbot. Sie wissen nicht mehr, warum diese Vereine diese Verbote ausgesprochen hatten und was damit bezweckt wurde. Mir kommt es so vor, dass diese Verbote als ein Angriff auf ihren persönlichen Wohlstand gesehen wird. Es bleibt mir nur die Hoffnung, dass die Enkel bzw. Urenkel der Nachkriegsgeneration den Weg zur Einsicht der Vorteile einer echten Gemeinschaft wieder finden, dass dem Konsum der Freizeitgesellschaft wieder ein gemeinschaftliches Gestalten entgegengesetzt und gelebt wird. Denn der Individualismus führt zu einem Schwund von Werten, die erst durch das gemeinsame Erleben gebildet und gelebt werden können.
Es wäre für mich sehr interessant zu erfahren, wie regenmacher mit seiner hervorragenden Kenntnis aus der organisierten FKK dieses sieht.