Der von dir verlinkte Artikel ist gut, weil es verschieden Interpretationen zulässt. So stimme ich diesem Zitat z.B. nicht zu:
Ulrike Traub hat sich nun der Frage gewidmet, wieso das so ist, wieso Nacktheit auf der Bühne häufig Anstoß erregt, Nacktheit in der Bildenden Kunst, im Film, in der Werbung aber eher selten.Begründung: Nacktheit in der Bildenden Kunst, im Film und in der Werbung erregt durchaus Anstoß – wenn sie eine totale ist. Siehe z.B. Egon Schieles Bilder, obwohl sie schon 100 Jahre alt sind. Auch Filme wie „Baise-moi (Fick mich!)“, „Engel mit schmutzigen Flügeln“ oder „Antichrist“ werden skandalisiert, weil sie das Leben ungeschminkt zeigen. Und in der Werbung gibt es ohnehin keine völlige Nacktheit. Es geht also nicht um eine Nacktheit an sich, sondern nur um die, bei der die Geschlechtsteile in aller Klarheit zu sehen sind, was im Theater eben der Fall sein kann.
Viel wichtiger als das, scheint mir aber das folgende Zitat:
Nackte Körper auf der Bühne sind etwas anderes als nackte Körper im Film, auch wenn sie schön sind. Der Zuschauer ist live in einem Raum mit dem Nackten, so dass nicht nur er den Nackten beobachtet, sondern der Nackte auch ihn, zudem können die anderen Zuschauer im Saal ihn beim Beobachten beobachten. Es ist eine Konstellation, die viele Inszenierungen des Gegenwartstheaters bewusst forcieren. Der Zuschauer wird zum Voyeur, ob er will oder nicht, und dieses Voyeursdasein wird ihm unangenehm.
Nicht mehr der Nackte schämt sich, sondern der, der hinschaut. Kein Wunder also, wenn er wegläuft.Eule hat geschrieben:Sich ohne Kleidung vor unserem Nächsten zu zeigen bedeutet, sich einer schonungslosen Kritik auszusetzen.
Das halte ich für ein Gerücht - schon Naggsch hat oben geschrieben: „Ein Bikini oder Badehose kann nichts verdecken“. Nein, es geht einzig und allein um die völlige Nacktheit.
Eule hat geschrieben:Sich ohne Kleidung vor unserem Nächsten zu zeigen bedeutet, sich einer schonungslosen Kritik auszusetzen.
Diese Kritik gab und gibt es auch, wenn der Köper bekleidet ist.
Eule hat geschrieben:Gleichzeitig wird gegen eine gesellschaftliche Konvention verstoßen, weil durch die Kleidung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe ausgedrückt werden soll. Ohne Kleidung fehlt diese gesellschaftliche Signalwirkung und ein Mensch ohne Signalwirkung ist ein Mensch ohne Bedeutung.
Das glaubst du doch selbst nicht. Natürlich hat die Kleidung auch die Funktion, die „Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe“ auszudrücken, aber dagegen zu verstoßen ist kein erwähnenswerter Akt: Heute können sich alle Menschen in Freizeitkleidung in der Öffentlichkeit präsentieren. Sie können das aber nicht nackt tun, weil gesellschaftliche Konvention, Moral genannt, dagegen stehen.
Dazu ein Zitat vom Regisseurs des Films „Engel mit schmutzigen Flügeln“:
„Moral ist für mich nur ein Druckmittel der Gesellschaft gegen das Individuum. Die ganze Welt folgt den Regeln, die von der Moral auferlegt sind. Für mich gibt es nichts Langweiligeres als einen Film, der vorgibt eine moralische Botschaft zu übermitteln.Eule hat geschrieben:Nacktheit macht alle Menschen gleich, innerhalb der Nacktheit kann man sich kaum herausheben. Somit hat die Nacktheit den Charakter einer tragenden Wertbestimmung verloren. Die Nacktheit ist schlechthin nicht mehr "in".
Die Nacktheit hat den Charakter einer tragenden Wertbestimmung noch nie gehabt und war auch noch nie in – oder teilweise nur in den Hochphasen der FKK in den 1920er und 1970er Jahren.