@ hajo
Ich verweise auf Mk 8.18...
Dein Verweis hier auf eine Bibelstelle im NT ist für mich nicht nachvollziehbar.
Eine Änderung der öffentlichen Haltung der Nacktheit gegenüber, dass Nacktbilder verpönt sind (siehe hier Diskussion über Werbung), dass andererseits solche seltsamen Sendungen wie der RTL Quatsch "Adam sucht Eva", die ich selbst allerdings nie gesehen habe (außer wenige Minuten im Internet), heute zu sehen sind, das entspricht doch durchaus der von dir dargestellten "ambivalente(n) Haltung der US-Bevölkerung".
Ich sehe hier keinen direkten Zusammenhang. Wir haben seit der sog. sexuellen Revolution ein verstärktes Auftreten sexualisierter Themen. War es in der ersten Welle unter dem Deckmantel der sexuellen Aufklärung (Schulmädchen-, Hausfrauenreport und wie sie sonst noch hießen) so ist es in einer zweiten Welle die Formate: "Adam sucht Eva, und wie diese lauten, und dieses einhergehend mit der Erweiterung der TV-Anbieter und Sendezeiten, jetzt der Kampf um den Zuschauer, die Quote. Das Interesse an dem Anschauen von Nacktheit und hier insbesonderer der sexualisierten Nacktheit, ist geschwunden. Die entsprechenden Sender versuchen jetzt ihre Zuschauer einmal mit mehr offen gezeigter "natürlichen" Nacktheit und der "Prominenz" ihrer Darsteller ihren Marktanteil zu halten oder auszubauen. Nacktheit und insbesondere sexualisierte Nacktheit wird hier nur kommerzial Ausgebeutet und je tiefer man in den Eimer greifen muss, um etwas heraus zu schöpfen, desto niedriger wird das Niveau.
Die US-amerikanische Ambivalenz zeigt jedoch auf einen anderen Sachverhalt hin. Da wird einerseits eine religiös motivierte Prüderie auf die Spitze getrieben und anderseits eine menschenverachtende Pornograhie betrieben und beides lässt sich aus einem puritanischen Gesichtspunkt heraus positiv bewerten. Der Erfolg wird gesehen als ein Zeichen der Gottgefälligkeit. Und dabei scheint es keine Rolle zu spielen, wie dieser Erfolgt zustande gekommen ist und worauf er sich bezieht. Eine solche Ambivalenz vermag ich hier bei uns in Deutschland nicht ansatzweise zu erkennnen.
Tim mag mich bitte korregieren, wenn ich hier falsch liege. Der Puritanismus in Deutschland zeigt sich mehr in einer Ablehnung der Freude am Leben. Wer sich den Freuden des Lebens hingibt, der begibt sich in die Fänge des Teufels.
Ber Rückgang der Nacktbadezeiten in den Bädern oder die Abnahme der Besucher auf den FKK-Flächen hat für mich etwas damit zu tun, dass es heute kein Zeichen einer Modernität und es daher nicht mehr "in" ist, sich unbekleidet öffentlich zu zeigen. Wenn Aria einwirft, dieses habe schon vor der Zeit des Internets begonnen, so ist dieser ihr Einwurf richtig und zutreffend. Das Internet und der unbeschränkte Zugriff auf das Internet hat diese Bewegung nicht verursacht, es war ein Modewechsel, nicht desto weniger hat sie diese Bewegung erheblich verstärkt und verschärft. Nacktheit war noch niemals in der Neuzeit (seit der Industriealisierung) ein Zeichen eines natürlichen So-Seins. Es war immer ein Zeichen von Schwäche, Wehr- und Hilfslosigkeit. Die Reformbewegung zum Ende der Wilhelminischen Zeit in Deutschland hat ja versucht, den Menschen in seiner Ganzheit und Natürlichkeit darzustellen. Daher die Entwicklung der FKK-Bewegung, die heute ja zu einer Naturistenbewegung mutierte, wobei der Bezug zur Natur als Naturerlebnis teilweise auch schon verloren gegangen ist.
Ich sehe das allerdings anders und bin überzeugt, nicht nur Lebensweisen und - arten aus den Vereinigten Staaten sind zu uns herübergekommen, sondern auch Ansichten und vor allem das in diesem Fall durchaus zu berücksichtigende Sexualstrafrecht, dessen bundesdeutsche Ausführung und Erweiterung in den letzten Jahren einiges befürchten lässt.
Hier wird dir Aria sicherlich voll und ganz zustimmen. Ich hingegen teile diese Ansicht nicht. Auch der Hinweis:
Die Verschärfung z.B. bzgl. sog. Kinderpornografie ist zumindest bemerkenswert. (siehe: Neunundvierzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht (49. StrÄndG))
vermag meine Haltung nicht zu erschüttern. Ich halte Letzteres für ein Zeichen, dass die Politik nicht mehr in der Lage ist, Gesetze vernünftig zu formulieren, zu überprüfen und zu erlassen. Alles muss sehr schnell erfolgen, weil es die Bevölkerung "so will". Wenn ein Gesetzt schon nach drei Monaten nach seiner Veröffentlichung berichtigt werden muss, dann ist dieses für mich der Beweis von der mangelnden Sorgfalt bei der Erstellung und Beschlussfassung des entsprechenden Gesetzes. Gerade im Sexualstrafrecht sind diese sog. Verschärfungen keine Verschärfungen des Tatbestandes, es sind nur Klarstellungen. Aus einer allgemeinen Formulierung wird eine spezielle gemacht, ohne den Gegenstand als solchen dadurch zu verändern.
Wenn wir uns dem Thema der Nacktheit wieder voll und ganz zuwenden, so werden wir sehen und erkennen müssen, dass es keine moralische oder gesetzliche Vorschrift gibt, die die Nacktheit als solches verurteilt. Und weil es keine moralische oder strafrechtliche Vorschrift gibt, die die Nacktheit in der Öffentlichkeit verbietet, tun wir uns so schwer, diese Nacktheit offensiv in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Was es gibt, ja das ist die kulturhistorische Erziehung zum Tragen der Kleidung. Kleidung als Zeichen des Wohlstandes, den arme Menschen konnten sich nicht oder nicht ausreichend bekleiden. Und wenn jetzt ein Bürger, der sich die Kleidung leisten kann, nackt geht, dann löst dieses ein Gefühl der Bedrohung aus. Denn das Tragen der Kleidung wird als ein Zwang erlebt und damit als Symbol der Unfreiheit. Und je mehr die Menschen ihre Persönlichkeit an die Masse abtreten, desto mehr wird das Abweichen und Ausschehren aus der Masse als eine Bedrohung empfungen, erlebt und bekämpft.
Und jetzt komme ich schon fast zu einer Zusammenfassung und zu einem Abschluss des Themas der Nacktheit, ohne jedoch dieses Threadthema im Punkt der Nacktheit als solches schon beantwortet zu haben. Viele sehen, und ich schließe mich hier ausdrücklich mit ein, sehen die Nacktheit nicht als die Wiederherstellung des natürlichen Seinzustandes des Menschan an, sondern als ein Symbol und Ausdruck der Freiheit. Des sich loslösen Könnens von gesellschaftlichen Zwängen. Zugleich sehen wir uns aus unserer Erziehungstradition (kulturhistorischer Hintergrund) heraus nicht in der Lage, dieses auch so konsequent umzusetzen. Denn uns hindern weniger moralische Bedenken daran, als vielmehr die kulturhistorischen Begründungen, wie Zeigen des sozialen Statues, der wirtschaftlichen Kaufkraft und der Abgrenzung zum anderen Menschen.
@ shiva205
Zum Teil kommt er von Amerika, zum Teil aber auch daher, dass es immer noch viele Leute gibt, die als Kind durch "Missbrauch" und durch die Doppelmoral der Erwachsenen traumatisiert wurden.
Wenn ich es richtig sehe, so hat der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen insgesamt nicht zugenommen. Auch wenn er heute öfters aufgedeckt wird, so ist dieses noch kein Zeichen für eine Steigerung der Missbrauchsfälle insgesamt. Weiter spricht meine Erfahrung mit Missbrauchsopfern eine andere Sprache. Es ist wirklich neu, gut, begrüßens- und unterstützenswert, dass die Missbrauchsopfer jetzt mehr den Mut finden, diesen erlittenen Missbrauch öffentlich zu machen. Hier sind wir jedoch erst am Anfang dieser Entwicklung. Den von dir gezogenen Schluss kann ich daher nicht beitreten.
@ Aria
Der Glaube an einem personalen Gott ist leider nicht immer tragend für ein moralisch richtiges Verhalten. Oftmals wird über diesen Gottesglauben ein unmoralisches Handeln transportiert. Das Bekenntnis zum Gottesglauben ist somit nicht immer der Beweis für ein entsprechendes moralisches Verhalten.
Dein Hinweis auf die Erbsünde entspricht leider einem bestimmten und nicht richtigem Religionsunterricht. Denn die Erbsünde hat mit der Sexualität als solches nichts gemein. Die Erbsünde beschreibt einen völlig anderen Sachverhalt und dieser Sachverhalt kennt keine Sexualität.
Du vermagst auch nicht zu erkennen, dass die Briten bereits eine wesentlich prüdere Ansicht bzgl. Nacktheit und Sexualität haben als wir, bzw. sagst, Großbritannien ist nicht Deutschland.
Ich bin in einer Stadt groß geworden, in der sich eine britische Garnison befand. Mir wurde gesagt, dass dort im Sommer kleine Kinder nackt über die Straße liefen, was du bei der deutschen Wohnbevölkerung nicht sehen konntest. Wenn du mich jetzt fragen solltest, nein, ich bin nicht dorthin gefahren, um diese Aussage überprüfen zu können. Die Berichterstatter waren für mich glaubhaft. Natürlich ist mir die Prüderie der viktorianischen Zeit bekannt. Aber dennoch halte ich die Briten nicht für so ambivalent, wie die Amerikaner und trotz ihrer Förmlichkeit doch mehr mit unserem Verhalten vergleichbar. Es gibt Unterschiede, keine Frage. Und mit diesen Unterschieden kommen sie den Amerikanern sehr nahe.
Und das nur, um nicht zugeben zu müssen, dass es weltweit Entwicklungen gibt, die eindeutig in eine Richtung gehen: Weniger persönliche Freiheit und mehr Kontrolle auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens.
Natürlich laufen wir Gefahr, aufgrund der fragilen Sicherheitslage in eine zu starke staatliche Kontrolle zu geraten. Aber das, was wir dem Staat verweigern, geben wir in einem viel größerem Umfange freiwillig der Industrie bekannt. Aria, da liegt die viel größere Gefahr.