Bummler hat geschrieben:Meine konservative Einstellung, die auf das Bewahren des status quo zielt, ist doch begründbar.
Natürlich ist eine konservative Einstellung begrünbar, aber das gilt für eine liberale ebenso. Wenn man an die Anfänge der FKK-Bewegung denkt, dann standen sich damals auch Konservative und Liberale gegenüber: Die einen sagten, Nacktheit in der Öffentlichkeit sei pfui, es gäbe auch keine Veranlassung, daran etwas zu ändern – und die anderen widersprachen dem. Heute sagen die konservativen FKK-ler, Sex in der Öffentlichkeit sei pfui und es gäbe auch keine Veranlassung, daran etwas zu ändern – und die liberal eingestellten FKK-ler widersprechen dem.
Das sind verschiedene Standpunkte, was völlig normal ist. Normal scheint auch zu sein, dass die konservativen FKK-ler den liberalen unterstellen, sie seien pervers bzw. ihre Befürwortung des Sexes in der Öffentlichkeit hätte etwas Pathologisches an sich. Das Spiel wiederholt sich also: Auch den ersten FKK-lern wurde das gleiche unterstellt – offenbar gibt es sonst kein
rationales Argument dagegen.
Bummler hat geschrieben:Es gibt keinen stichhaltigen Grund diese Trennung aufzuheben. Außer man ist der Meinung, dass es in der Gesellschaft insgesamt eine Fehleinstellung zur Sexualität gibt.
Ja, in unserer Gesellschaft existieren Vorbehalte gegenüber Sex in der Öffentlichkeit, die nicht begründet sind: Zu sagen, es ist, wie es ist, ist keine Begründung, denn niemand hat bisher nachgewiesen, dass Sex in der Öffentlichkeit schädlich für die Gesellschaft wäre. Im Gegenteil: Durch eine Freigabe würde es ein wenig mehr Ehrlichkeit geben. Kein Verstecken und kein Herumdrucksen mehr bei Fragen der Kinder: Warum habt ihr die Schlafzimmertür abgeschlossen? Die Standantwort: Mama und Papa haben sich lieb und wollen ungestört sein, ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten, denn Liebe ist etwas Schönes und muss keineswegs versteckt werden.
Bummler hat geschrieben:Derzeit ist Jane Birkin 70 geworden. Läuft da etwa im Radio "je t'aime" wie seinerzeit vor 50 Jahren? So zur Erinnerung?
Nein läuft nicht. Bei allen anderen Sängern, wenn die so einen runden Geburtstag haben, dann kommt im Radio mal wieder so ein Erinnerungsliedchen, aber hier nicht, obwohl der Song seinerzeit ein echten Knaller war.
Das heißt doch nichts anderes als das sich die Moral bezüglich der Sexualität in eine Richtung entwickelt hat, die eben genau entgegengesetzt zu dem ist, was hier Shiva und Co. so als "Denkspiele" diskutieren.
Damit hast du recht. Und bestätigst ungewollt das, was ich in „meinem“ Thread „Dokumente des gesellschaftlichen Wandels“ seit 24 November 2014 19:02 zu dokumentieren versuche.
Das Drumherum mit dem Song „Je T'aime Moi Non Plus“ (siehe dazu auch meinen Beitrag im Musikthread) eignet sich hervorragend dazu, die Einstellung der Gesellschaft zur Sexualität deutlich zu machen: Als der Song 1969 herauskam und weltweit die Charts stürmte, weigerten sich konservative Sender, ihn zu spielen (u.a. Bayerischer Rundfunk, BBC), und Vatikan exkommunizierte den zuständigen Vertriebschef der italienischen Plattenfirma, während der
„Protest des Vatikans sogar zur kurzzeitigen Verhaftung des Verantwortlichen der Plattenfirma führte“ – siehe dazu auch den
Wikipedia-Eintrag, aus dem dieses Zitat ist.
In den 70er bis in die 80er Jahre gewann die sexuelle Revolution die Oberhand – und auch konservative Sender spielten den Song: Sie konnten nichts gegen den Geist der Zeit ausrichten. Jetzt hat sich der Wind gedreht, die Konservativen sind im Vormarsch – und die Sender passen sich wieder den geänderten Verhältnissen an und spielen den Song nicht mehr. Was sollten sie auch sonst tun, schließlich sind sie nur ein Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft.