Eule hat geschrieben:Wenn ich von einem Fehlen jeglicher kulturellen Entwicklung spreche, dann spreche ich diesen Menschen ihr Mensch-Sein nicht ab, sondern nur ihren Status als kulturell entwickelt.
Was unterscheidet Menschen von Tieren? Die Kultur. Und wenn du Menschen, die Sex in der Öffentlichkeit praktizieren,
jegliche kulturelle Entwicklung absprichst, dann sprichst du ihnen ihr Menschsein an. Dass du das nicht einsiehst und sich herauszuwinden versuchst, ist typisch für dich – siehe dazu weiter unten auch deine Wortklauberei in Bezug Strafe/Beschämung.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Von wem wird „die Nacktheit als ein Zeichen der mangelnden Zivilisation angesehen“?
Von der bürgerlichen Gesellschaft, zumindest seit der Industriealisierung.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Aber die Nacktheit wurde schon vorher geächtet, ...

Dieses solltest du bitte mal näher begründen.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben: ... deswegen wurde und wird z.B. das (gewaltsame) Ausziehen als Strafe betrachtet.
Kannst du mir bitte mal sagen, wo dieses so vorkam oder vorkommt? Hierfür sind mir noch keine Belege bekannt geworden. Mir ist bekannt, dass ein gewaltsames Entkleiden als ein Beschämen vorgekommen ist und heute auch noch vorkommt. Aber als eine ausdrückliche Strafe ist mir dieses noch nicht bekannt geworden.
Gewaltsames Entkleiden und Haarabschneiden wird
seit alters her als Strafe für unmoralisches Benehmen von Frauen angewandt. So z.B. in Frankreich im Jahr 1944 für Frauen, die sich mit deutschen Soldaten eingelassen haben – siehe dieses Bild:

Dass du dieses Beschämen nicht als Strafe ansehen willst, ist typisch für dich: Was kümmern dich die Fakten, Hauptsache du hast Recht.
Siehe dazu auch das mit einem Stern gekennzeichnete Zitat am Ende dieses Beitrags.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Eule hat geschrieben:Es ist mir noch nicht in den Sinn gekommen, die Beichte als ein Instrument der Machtausübung anzusehen. Dieses war es noch zu keiner Zeit für mich. Auch hatte ich es noch nicht nötig, bei einer Beichte zu lügen.
Auch als Kind nicht? Interessant, denn alle Katholiken, die ich kenne, haben als Kind bei der Beichte gelogen, damit der Priester zufrieden war, andernfalls kamen Fragen, die bisweilen ins Intime gingen.
Wenn ich dich so höre, dann muss ich ja wirklich unter ausgesprochen guten und positiven religiösen Voraussetzungen aufgewachsen ein.
Es geht hier nicht darum, was du oder ich selbst erlebt haben, sondern darum, was in das 20. Jahrhundert hinein (auf dem Lande bis in die 80er Jahre!) tägliche Praxis der katholischen Kirche war.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Das ist die Haltung eines Katholiken, der aus den Aussagen – egal, ob vom Papst oder aus der Bibel – nur gelten lässt, was ihm passt, das andere sind eben unglücklichen Aussagen, oder der Zeit geschuldet, oder …
Meine Haltung ist die Haltung eines Menschens, der sehr kritisch und sehr ernsthaft mit allen Texten umgeht.
Ich nehme an, du sprichst in der Kirche auch das Credo, und solange du das tust, dann glaubst du auch „an die heilige katholische Kirche“, d.h. an das, was diese lehrt bzw. als wahr verkündet. Da gibt es keinen Raum für eine katholische Sonderlehre alla Eule.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Ich stelle fest: Alle negativen Entwicklungen, die in den Kirchen stattfinden oder von ihnen mit zu verantworten sind, versuchst du kleinzureden („unglücklichen Aussagen“), oder schlicht abzuwimmeln („das geht uns (noch) nichts an“).
Nein, ich reagiere nur sehr differenziert. Missstände prangere ich an. Auch in einem Gerspräch mit dem Bischof.
Es geht hier nicht darum, was du mit einem Bischof besprichst, sondern um deine Reaktionen hier im Forum, wenn man die Religionen/Kirchen kritisiert.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:… denn immer, wenn ich was Wahres, aber Negatives, über die Kirchen sage, führst du das auf meine „kirchenfeindliche Haltung“ zurück.
Dann dürfte es daran liegen, dass du deine Argumentation falsch aufbaust.
Ich beschreibe Status quo, mit Fakten untermauert. Manchmal greife ich auch in die Vergangenheit zurück, um zu zeigen, dass sich da bis heute wenig bis nichts verändert hat. Das prangere ich hier an, du aber verteidigst oder entschuldigst diesen Status quo, höchsten dass du mal sagst, ja, man müsste da was verändern, aber das ginge nicht von heute auf morgen. Fakt ist: Die katholische Kirche ist gefangen in ihren früheren Aussagen, selbst manche der revolutionären Neuerung des II. Vatikanum wurden und werden wieder rückgängig gemacht, weil das mehrheitlich konservative Kurie und das Kirchenvolk – siehe Süd-, Mittel- und Nordamerika, Philippinen oder auch Italien, Polen und Ungarn – es so wollen.
Eule hat geschrieben:Das Thema der Nacktheit und der Sexualität wird bei vielen Katholiken und Protestanten enger gesehen und konservativer beurteilt, als bei vielen Ortsgeistlichen. Die kath. Amtskirche hingegen ist überwiegend sehr konservativ.
Es hat zwar lange gedauert, aber endlich sagst auch du das.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Deine Aussage, weil Homosexualität 10.000 Jahre geächtet wurde, können die Kirchen/Religionen heute auch nicht viel Anderes lehren, ist eine Bagatellisierung des Status quo.
Hier verbindest du zwei unterschiedliche Aussage miteinander, die ich so niemals gebraucht habe.
Nicht? Du bestätigst doch das gleich anschließend:
Eule hat geschrieben:Ja, es stimmt, die Homosexualität wird seit 10.000 Jahren geächtet. Aber deswegen lehrt nicht die Kirche, dass die Homosexualität verwerflich sei. Die Kirchen, besser gesagt die drei Buchreligionen, stehen vor dem Problem, dass im Alten Testament die Homosexualität geächtet wurde. Jetzt stehen wir vor der Frage, können Aussagen aus der Bibel falsch sein? Und wenn ich die letzten Aussagen von Josef Ratzinger richtig gehört habe, dann hat er diese Frage erkannt und versucht diese als ein sehr konservativ denkender Mensch mit dem Hinweis: "Es steht geschrieben ..." zu umgehen. Ja, es stimmt. Es steht so geschrieben. Aber warum steht dieses so geschrieben? Welchen Kenntnisstand hatten die Menschen, als dieses so geschrieben wurde? Das ist der springende Punkt!
Eben – der springende Punkt ist der Zeitgeist, in dem die sog. heiligen Bücher geschrieben worden sind. Nichtsdestotrotz sind Religionen Gefangene dieser Bücher: Passen sie sich dem jeweiligen Zeitgeist an und erklären bestimmte Aussagen als nicht mehr zeitgemäß, rebellieren das gläubige Volk auf dem Lande und in den Entwicklungsländern, wo inzwischen die meisten Religionsanhänger wohnen und deswegen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Lassen sie aber die Aussagen stehen, rebelliert das aufgeklärte (städtische) Volk in Deutschland und anderswo.
Was ich sagen will: Ich sehe die Problematik, aber daran sind diese Buchreligionen selbst schuld – warum beharrten und beharren sie solange an der wörtlichen Auslegung ihrer Bücher. Wenn die katholische Kirche über Jahrhunderte lehrte, die Bibel ist in Wahrheit nicht von den Evangelisten, sondern vom heiligen Geist geschrieben und enthält daher die unumstößliche reine, göttliche Wahrheit, derentwegen Millionen sterben mussten, dann wird es schwer, davon wieder Abstand zu nehmen.
Am besten wäre es, sie alle bekannten sich zu der Aussage, nicht Gott hat Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen, sondern Menschen haben sich ihren Gott bzw. Götter nach ihrem Ebenbild geschaffen, dann wäre endlich dieser Hokuspokus vorbei – und mit ihm die meisten der grausamsten Kriege, die andernfalls noch stattfinden werden.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Natürlich ist die Beichte ein Machtinstrument, das zur Disziplinierung der Menschen gebraucht wird, denn wir alle machen Fehler. Diese Fehler werden bei der katholischen Kirche Sünden genannt, für die Buße zu leisten ist. Weil die ohnehin schwer beherrschbare „fleischliche Lust“ stark reglementiert ist (was man wann tun darf, und was nicht), sind in diesem Bereich besonders viele Sünden zu beichten, was entsprechende Bußen nach sich zieht. Beichtet man z.B. Wollust nicht, so droht einem nach dem Tod ewige Verdammnis in der Hölle, was für einen gläubigen Katholiken das Schlimmste ist, was sich denken lässt.
Ich kann deine Antwort an Riedfritz bezüglich der Beichte verstehen und nachvollziehen. In meinem obigen Beitrag habe dich dir schon gesagt und begründet, warum ich diese deine Meinung für unzutreffend halte.
Unzutreffend? Es geht hier um die Machtfrage: Wem es gelingt, Menschen mit Fantasiegeschichten über den Teufel und die Hölle Angst zu machen, und ihnen gleichzeitig verspricht, wenn du dich an meine Regeln hältst, wird dir nichts passieren, der gewinnt Macht über sie. Und das umso mehr, wenn man über Jahrhunderte die alleinige Erklärungshoheit über das innehat, was in dem sog. heiligen Buch steht.
Ist das so schwer zu verstehen?
Das alles spielt eine Rolle bei der Frage, warum wurden und werden Nacktheit und Sexualität mit Tabu belegt. Das fängt schon bei Adam und Eva an –
UND SIE ERKANNTEN, DASS SIE NACKT WAREN – Zitat aus dem genannten Buch der Uni Bamberg:
„Und die Frau sah, dass die Früchte des Baumes köstlich munden müssten, einen lieblichen Anblick darboten und es begehrenswert wäre, durch sie einsichtig zu werden. Und sie nahm von seiner Frucht und sie aß. Und sie gab davon auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie flochten Blätter vom Feigenbaum zusammen und machten sich Schurze.
[…]
Was wir vorhin als gruppenmäßige Aufteilung der Figuren bezeichneten, gipfelt in der paarweisen Gegenüberstellung von Heinrich und Kunigunde in ihren fein gestalteten Gewändern und den nackten Leibern von Adam und Eva. Zweifelsohne übte die Nacktheit auf die Betrachter Sinnesreize aus, die stimulierend auf sie hätten wirken können. Gerade in Verbindung mit der sich durch Keuschheit auszeichnenden Kunigunde wird die Nacktheit Evas als „diffamierender“ Moment erfahrbar. In mittelalterlichen Heiligenlegenden spielt die Zurückweisung der Sexualität nicht selten eine bedeutende Rolle. Sofern es sich um eine weibliche Heilige handelt, ist dieser Verzicht auf Sexualität die wichtigste und oft die einzige Grundlage ihrer Tugendhaftigkeit.“.
Der durch mich hervorgehobenen 2 Sätze sind ein schönes Beispiel, dass Nacktheit als Synonym zur Sexualität betrachtet wurde. Und dass die Gebildeten auch heute noch die Nacktheit für moralisch bedenklich halten, belegt dieses Zitat:
Vor recht genau drei Jahren [d.h. 2005] kam ich mit Klaus van Eickels auf die Nacktheit im Mittelalter zu sprechen. Anlass war ein Projekt zur Finanzierung der klammen Universität: ein studentischer Aktkalender. Das damit verdiente Geld lehnte die Universität aus moralischen Gründen ab. * Als Beleg, Eule, dass erzwungene Nacktheit schon sehr früh als Strafe verstanden wurde, hier ein Zitat aus dem o.g. Buch:
„In der Annahme, dass es durchaus unterschiedliche Arten und Grade von Nacktheit gegeben haben muss, kann uns auch ein Blick auf Entblößungsstrafen des Mittelalters bestärken. Eine Miniatur aus Toulouse (1296) zeigt einen Ehebrecher, der von seiner ebenfalls vollkommen nackten Ehefrau mittels eines an seinem Penis befestigten Stricks öffentlich vorgeführt wird.“