Aria hat geschrieben:Ja, das ist ein viel benutzter Argument: Immer, wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert, werden neue Gesetze bzw. härteren Strafen gefordert. So zuletzt nach dem Tod einer Studentin durch Raser in Köln 2015. Jetzt liegt der Entwurf eines Gesetzes vor, in dem bis zu zehn Jahre Gefängnis für die Teilnahme an illegalen Rennen angedroht werden, wenn dabei jemand schwer verletzt oder getötet wird.
Ich bezweifle, ob die härtere Strafe ähnliche Fälle wie in Köln verhindern wird. Warum? Weil Täter allgemein nicht damit rechnen, gefasst zu werden. Und bei solchen illegalen Rennen, wo Adrenalin bzw. Sucht eine Hauptrolle spielt, schon gar nicht. Diese Leute gefährden vor allem sich selbst, aber sie blenden die Gefahr einfach aus. Wird schon nichts passieren, denken sie. Und an das erwischt werden, denken sie schon gar nicht.
Wichtiger als Gesetzesverschärfung wäre in diesem Fall die Errichtung legaler Rennstrecken, wo die Geschwindigkeitsfanatiker sich untereinander messen könnten, ohne andere zu gefährden. Das nennt man Prävention. Und die ist immer der Repression vorzuziehen. Weil Repression, im Gegensatz zu Prävention, nichts verhindert, sondern vor allem die Rachegefühle der Bevölkerung befriedigt. Wäre dem anders, dürfte es keine Morde mehr geben, denn wer riskiert schon bewusst danach lebenslang eingesperrt zu werden oder – in anderen Staaten – auf dem elektrischen Stuhl zu landen.
Auch wenn ich dir sowohl mit der Beobachtung des reflexhaften Rufens nach Strafverschärfungen, als auch mit dem begrenzten präventiven Wirkens von Strafhöhen recht gebe, so liegt die Sache in dem zitierten Fall doch arg anders. Das will ich dir in zwei Punkten begründen:
(1) Zum einen gibt es in Deutschland im (Verkehrs-)Strafrecht eine krasse Unterbewertung der Situation, wo Verkehrsteilnehmer Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer vorsätzlich gefährden. Da sind illegale Autorennen nur ein Punkt. Ich denke auch an krasse Unterschreitung des Mindestabstandes beim Überholen von Radfahrern, Weglassen des Schulterblicks beim Abbiegen usw. Der Sicherheitsabstand ist z.B. die Lebensversicherung eines Radfahrers. Der hat keine Knautschzone und kommt es dann doch zu einer Kollision, dann sind die Folgen in aller Regel katastrophal. Ein einspuriges Fahrzeug ist nicht eigenstabil. Straßenschäden oder anderen Hindernissen weicht es durch Schlenker aus, Windböen (von denen man hinter der Windschutzscheibe nix ahnt) können ein einspuriges Fahrzeug gern mal um einen ganzen Meter seitlich versetzen. Wer mit 50cm Abstand an einem Radfahrer vorbei fährt, spielt Russisch Roulett, zielt dabei aber nicht auf sich! Zu allem Überfluss geschieht das häufig sogar noch mit Vorsatz, weil PkW-Fahrer durch "Schneiden" vermeintliches Fehlverhalten "sanktionieren" wollen. In diesem Punkt sehe ich grundsätzlich schon eine Schieflage in unserer Rechtssprechung, mit Leib und Leben von anderen darf man nicht ungestraft derart fahrlässig umgehen können! Zugegeben, das ist auch ein Problem der Beweisführung. Aber was z.B. Tempoverstöße und oder Unterschreitung des Sicherheitsabstandes auf der Autobahn betrifft, hat die Polizei auch Mittel und Wege gefunden, diese gerichtsfest nachweisen zu können. Man muss solche Dinge auch verfolgen wollen. So extreme Unterschreitungen von Mindestüberholabständen, selbst vor den Augen der Polizei, werden durch diese in der Regel nur mit der Bemerkung "Ist es zu einem Unfall gekommen? Na dann ist ja alles gut!" gutiert. Selbst wenn ein PkW einem Radfahrer hinten auffährt und an beiden Fahrzeugen erstmal keine Schäden erkennbar sind, weigert sich die Polizei überhaupt eine Unfallaufnahme zu machen!
(2) Illegale Autorennen ansich bilden auf deutschen Straßen überhaupt keinen eigenen Straftatbestand. Solange niemand zu Schaden kommt, reden wir in aller Regel nur von Ordnungswidrigkeiten (Tempo, Rotlichtverstoß)! Es ist extrem schwer nachzuweisen, dass ein Autorennen eine wirklich hart verfolgte Straftat darstellt. Gelingt der Nachweis, dann kann dies bis hin zu Mord gehen. Demzufolge wurden kürzlich die Teilnehmer eines illegalen Autorennens, die in Berlin einen anderen PkW-Fahrer getötet hatten, wegen
Mordes ziemlich drastisch verurteilt. Die Todesraser vom Auenweg in Köln bekamen zunächst nur
Bewährungsstrafen (welche jetzt vom Bundesverwaltungsgericht kassiert wurden). Ein anderer Raser, der auch einen Radfahrer totgefahren hatte, bekam
33 Monate Haft, aber da war die Beweislage wegen eines GPS-Trackers im Unfallfahrzeug auch deutlich einfacher. Die Idee des Gesetzes der Bundesregierung ist wohl, diese Lücke zwischen Bewährungsstrafen und vielen Jahren Haft zu schließen und einen Straftatbestand einzuführen, wo nach
solchen Geschichten klarer als bisher ist, wie damit zu verfahren ist. Es kann ja nicht sein, dass es von Glück und Geschick des Anwalts abhängt, ob man aus so einer Nummer mit vielen Jahren Haft oder ner Bewährungsstrafe raus geht. Und es geht auch nicht, dass das Russisch-Roulett-Spielen nur dann bestraft wird, wenn sich ein Schuss löst.
Was den konkreten Fall in Köln betrifft, so muss man zusätzlich noch beachten, dass es hier eine Raser-Szene gibt. Nach einer ganzen Serie von tödlichen Unfällen 2015, aber auch eben solchen Rasertouren mit >100km/h durch die Innenstadt und über rote Ampeln, hat die Polizei hier endlich eine Ermittlergruppe gebildet, die sich mit der Szene beschäftigt. Das Problem gibt es auch
in anderen Städten. Ich gebe dir recht, dass Strafen allein hier nicht weiter helfen, die abschreckende Wirkung auch eher gering ist. Was die Leute eher treffen würde, wäre die Sicherstellung der Fahrzeuge und wie in so vielen ähnlichen Situationen auch, eine zeitnahe Verurteilung. Rennstrecken bringen wenig. Der Nürburgring ist quasi vor den Toren Kölns, aber außerhalb des Interesses der Raserszene. Posen auf der Kö oder in der Kölner Innenstadt und suchen halt gerade bei den illegalen Rennen auf nicht abgesperrten Straßen ihren Adrenalinkick.