BOeinNackter hat geschrieben:Der Ruf nach Volksentscheiden ist von der Annahme getragen, es fände sich eine gewünschte Mehrheit, die endlich das durchsetzt, was man bei Wahlen zu Parlamenten nicht durchsetzen konnte. Eine Annahme, die oft trügt.
Das zeigt sich in der Schweiz immer wieder. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Schweizer eine Regierungsform haben, die auf Konsens baut: Die Regierung ist in der Regel eine Allparteienkoalition, in der niemand ein Weisungsrecht besitzt, das vergleichbar mit dem eines deutschen Bundeskanzlers wäre. Es gilt der Grundsatz, möglichst alle Teile der Bevölkerung in den politischen Prozess mit einzubeziehen und angemessen zu berücksichtigen. Da es kein Quorum gibt, ist die Tatsache, dass sich bei Volksentscheiden prozentual nur wenige beteiligen (meistens unter 50% der Wahlberechtigten), kein Hindernis: Die Entscheidungen sind trotzdem gültig.
Insofern würde man in der Schweiz ein Abstimmungsergebnis wie neulich in Katalonien (nur 48% der Wahlberechtigten haben abgestimmt) nicht anzweifeln.
BOeinNackter hat geschrieben:Die Grenzen des Anstandes und der Sittlichkeit sind ziemlich sicher da zu finden, wo eine Menge Menschen sich fragen, ob sie sich trauen würden, dagegen zu verstoßen und es grosse öffentliche Aufregung gibt, wenn wenige sich getraut haben. Das könnte auch relativ sicher so etwas wie Zeitgeist erkennen lassen.
Der Zeitgeist verändert sich erst, wenn Argumente und Gefühle der Minderheit überzeugender wirken als die der Mehrheit, wenn also die Mehrheit merkt, sie sitze möglicherweise auf dem falschen Pferd.