regenmacher hat geschrieben:Nicht die FKK-Bewegung nimmt Einfluss auf die gesellschaftliche Sicht von Nacktheit, sondern die gesellschaftliche Sicht zum Thema Nacktheit nimmt Einfluss auf die FKK-Bewegung.
Ja, das stimmt. Die Frage ist jetzt, warum kam es zu diesen gesellschaftlichen Veränderungen gerade in den 1920er und 1970er Jahren, die zu einem entsprechenden FKK-Boom führten. Ich meine, 100.000 FKK-Vereinsmitglieder kaum 20 Jahre nachdem die Leute bis oben hinzugeknöpft badeten sind weit stärker einzuschätzen als die höhere Mitgliederzahl in den 1970er.
Meine Erklärung ist: Nach den Blutzöllen in den beiden Kriegen, gab es jeweils nicht mehr genügend ältere konservative Kräfte, um der Jugend entscheidend Paroli bieten zu können – die Jugend hat die kritischen Stimmen nicht beachtet, sondern einfach gemacht, was sie wollte. Das ist, was ich meinte mit „der konservative Teil der Gesellschaft“ wäre nicht mehr relevant gewesen.
regenmacher hat geschrieben:Zumindest auf den Vereinsgeländen sind die Bemühungen, einfache Nacktheit von Sexualität zu trennen, gelungen - anders würde gemeinschaftliche FKK/Nacktheit/Nudismus auch nicht richtig funktionieren.
Das ist wahr – doch sie haben zu viel des Guten gewollt und auch getan, sonst würde die Außenwelt die Vereins-FKK-ler nicht als prüder als eben diese Außenwelt bezeichnen.
regenmacher hat geschrieben:Eine andere Frage ist natürlich die gesamtgesellschaftliche Sicht auf einfache Nacktheit. Frage: Trennt der durchschnittliche Michel zwischen einfacher Nacktheit und Sexualität ? Ich beantworte die Frage mit: Ja - wobei er allerdings die Anhänger der einfachen Nacktheit für Anhänger einer - wenngleich harmlosen - aber dennoch reichlich "schrägen" Sekte hält.
Eine Sache ist es, aus Vernunftgründen Nacktheit und Sexualität zu trennen – niemand kommt an Tatsache vorbei, dass wie nackt geboren werden, und deswegen die Nacktheit per se einen Wert darstellt, der unabhängig von der Sexualität ist. Eine andere Sache ist es aber, die Nacktheit in der Öffentlichkeit dann trotzdem als etwas zu sehen, das „sich nicht gehört“. Diese Erziehung, sich in Anwesenheit Fremder etwas anzuziehen bzw. zumindest die Geschlechtsteile zu bedecken, findet schon im frühen Kindesalter statt, und zwar ganz unabhängig davon, ob die Eltern FKK-ler sind oder nicht.
Das ist einfach gesellschaftlicher Konsens, den außeracht zu lassen, bedeutet ein Tabubruch, und den zu begehen sich die meisten nur in Gesellschaft anderer Tabubrecher trauen.
regenmacher hat geschrieben:Dagegen hilft nur eine gute Öffentlichkeitsarbeit …
Das meine ich auch. Aber die meisten FKK-Vereine verstecken sich, wollen gar nicht, dass sie als die „Nackerten“ erkannt werden. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Das war auch der Grund, diesen Faden zu starten.
regenmacher hat geschrieben:"Selbst FKK-Anhänger denken manchmal, sie würden - in den Augen ihres Gegenübers - etwas moralisch nicht ganz Einwandfreies oder sektiererisches tun, sonst wären ihre Hemmungen, sich zu ihrer praktizierenden Nacktheit zu bekennen, nicht verständlich."
Ja, das ist eine bessere Formulierung als meine. Wobei man das noch einmal präzisieren könnte mit: In den Augen der Außenwelt - statt in den Augen ihres Gegenübers.
regenmacher hat geschrieben:Aber gelegentlich lässt sich "allgemein-gesellschaftliche Akzeptanz" an einzelnen Ereignissen zumindest näherungsweise "ablesen": Damals gab es z.B. eine Sondersendung der vielbeachteten Sportschau - meiner Erinnerung nach unter dem Namen "Sportspiegel" o.ä. - zur allerbesten Sendezeit im ZDF, die 45 Minuten lang kräftig für FKK Werbung machte. Das war eine in fast peinlich kräftigen Farben gezeichnete Reklame für FKK. Ohne eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz der FKK wäre das unmöglich gewesen.
Was du hier "allgemein-gesellschaftliche Akzeptanz" nennst, nenne ich Zeitgeist. Zu bestimmten Zeiten oder Epochen sind Dinge möglich, die in anderen Zeiten oder Epochen einfach nicht möglich sind – und wer das nicht beachtet, endet im Gefängnis wie z.B. die ersten FKK-ler. Und wenige Jahre später wurden die gleichen Taten von der Gesamtgesellschaft - und damit auch von Gerichten! - ganz anders beurteilt.
Campingliesel hat geschrieben:"Sensation" war das nur insofern, als das so etwas wie "FKK-Urlaub", der sonst eher im Ausland an Badestränden üblich war, nun auch im "Inland" offiziell unterstützt wurde. Es war also eher ein "Sensatiönchen" - aber (auch weil wesentlich von einer damaligen CSU-Stadträtin befördert) ein weiteres Zeichen für eine gewisse gesellschaftliche Anerkennung.
So viel ich weiß, war der Stein des Anstoßes allein die Tatsache, dass die Nackten einen Teil des öffentlichen Parks für sich beanspruchten, der nicht eingezäunt war, und daher jeder Spaziergänger, der dort vorbei kam, die Nackten sehen konnte. Zwischen ihnen und den Nackten war nur der Bach, aber auch diese Grenze wurde durch die darin badenden Nackten zunichte gemacht, was zusätzlich den Streit anfeuerte. So jedenfalls die Presseartikel aus jener Zeit.