Der Klügere gibt nach?Jaja, sagt der Dümmere, grinst und bucht den Sieg für sich.
Also nehmen wir den alten Artikel wieder einmal zum Anlass, den Begriff der "Toleranz" auf seine Wirkung hin genauer anzusehen.
Toleranz ist ein freiwilliger Verzicht einer Mehrheit auf die Ausübung einzelner, ihr zustehender Rechte.
Ich habe schon öfters davor gewarnt, ohne Bedenken "Toleranz" für sich - für uns NaturistInnen - zu fordern oder zu erbitten.
Eben dies stellt unbekleidete Menschen in eine zuvor gar nicht bedachte, also oft völlig unnötige Abhängigkeit von irgendwelchen andweren Leuten, die - zumindest hierzulande - ohne besonderes Zutun, ohne bewusste Absicht, einer "Mehrheit" angehören - und deswegen nur auf komische Gedanken kommen könnten, irgendwie "überlegen" sein zu wollen, "Macht" ausüben und andere ohne Aufwand dominieren zu können - wenn schon jemand um Toleranz bittet.
Drehen wir die Sache um:
Würde jemand, der direkt zum FKK geht, sich dort niederlässt, aber dabei die Klamotten anbehält, auf die Idee kommen, sich an die Umliegenden zu wenden und um "Toleranz" zu bitten?
Nein, also das wäre seltsam. Meistens wird vorausgesetzt, dass die Nackten eigentlich keinen Anlass hätten, von ihm/ihr auch Nacktheit einzufordern. Viele NaturistInnen behaupten übrigens, kein Problem zu haben und nennen das Ignorieren von örtlichen Sitten "clothing optional". Sie geben ihr Recht damit auf, die Einhaltung einer inneren Ordnung an dem ausgewiesenen Ort überhaupt vorauszusetzen.
Beliebigkeit - die oft eben auch, fälschlich, "Toleranz" genannt wird - ersetzt keineswegs die Inanspruchnahme eigener Rechte, sondern verwässert dieselben, für die Beliebigen selbst, wie auch für alle anderen.
Ist ein Bereich für FKK reserviert, ob traditionell oder mit Schildern ausgewiesen, bin ich dafür, das einzuhalten.
Ist ein Bereich für Bekleidete reserviert, bin ich dafür, auch das einzuhalten.
Alles andere ist Verhandlungssache auf Augenhöhe.
Kein Anlass und Bedarf, nach "Toleranz" zu schielen.
Ich bringe es auf eine höhere Ebene:
Wer um Duldung bittet,den nnichts anderes würde das Wort "Toleranz" dann bedeuten, stellt sich in der Rangordnung selbst ganz nach unten. Es wäre extrem verwunderlich, wenn andere, die gar nichts für eine selbst höhere Rangordnung tun müssten, dagegen wären und sagten: "Nein nein, kein Problem, sei nur nackt, wir bleiben bekleidet."
Autokraten haben das Prinzip erkannt und nützen das entstehende Vakkum aus Desinteresse und falsch verstandener "Toleranz" beinhart für sich aus. Funktioniert Dominanzverhalten nicht sofort, wird gerne unter Gebrüll nachgelegt oder ein Krieg von Zaun gebrochen. Wehrt sich der andfere, wird der als "abartig", "ohne Existenzberechtigung" hingestellt, zusätzlich als Aggressor beschuldigt und nach Möglichkeit unter Beifall all derer, die gerne auch Macht hätten, vernichtet.
Daraus soll also nicht geschlossen werden: "Sieh an, ich muss also nachgeben, bevor überhaupt verhandelt wird!".
Ganz im Gegenteil: Einer offenbaren Zumutung muss entsprechend entgegengehalten werden.
Es ist eine Zumutung, Menschen nicht so zulassen zu wollen, wie er/sie/int auf die Welt kam: ohne Kleidung.
Es ist eine Zumutung, sich dieser Diktatur freiwillig unterzuordnen - sozusagen "im Namen aller anderen, die nichts sagen".
Freilich werden wir uns gut überlegen, wo es Sinn macht - wo eher nicht - unbekleidet zu sein.
Diese Überlegung soll gewissen Rahmenbedingungen (ortsüblichen Verhaltensregeln) durchaus folgen.
Wir werden also nicht etwa unbekleidet in Barcerlona die "Sagrada Familia" aufsuchen, werden wohl auch nicht nackt am Verkehrsamt erscheinen, um die Kennzeichen für den neuen Wohnwagen abzuholen.
Aber wir werden uns vorbehalten, in der Wohnung, am Balkon, beim Baden usw. nackt zu sein.
Denn sich besonders anzukleiden, bloß um danach ins Wasser zu steigen, ist ebenso unsinnig, wie umgekehrt etwa im Winter Schal, Mantel, Hemd, Hose abzulegen, um draußen eine Stunde lang Schnee zu schaufeln. Abgesehen vielleicht vom Kneipp-Effekt

Wir sehen: Toleranz ist immer dann ein gefährlicher Ansatz, wenn wir bereits in der - zahlenmäßigen, nicht einmal "demokratischen" - Minderheit sind und dabei die zufällig vorhandene, also nicht demokratische, sondern beliebige Mehrheit auf den Gedanken bringen, Macht - Dominanz! - auszuüben, woran diese Leute von sich aus gar nicht dächten.
Sich ohne direkten Anlass unterordnen, bedeutet (das nun in Umkehrung zur Mehrheit, oben) die freiwillige Aufgabe von bestehenden Rechten - das wollen wir doch erst ganz genau auf Sinnhaftigkeit prüfen, oder etwa nicht?
Unsere Meinung - man kann das gerne an anderen Beispielen weiter diskutieren.
P.s.: Sexualität ist angeboren, darüber gibt es keine Toleranz-Debatte.
B & V