Aktuelle Zeit: Do 28. Mär 2024, 23:01

FKK-Freunde.info

Das deutsche FKK-Forum

Nackt versus Kleidung

Alles rund um das Thema FKK
 
Beiträge: 5352
Registriert: 08.07.2009
Geschlecht: Männlich ♂

Re: Nackt versus Kleidung

Beitrag von Eule » Mi 29. Mär 2023, 22:51

@ Klausi60
Was hast du gegen diese Kleiderordnung?

Benutzeravatar
 
Beiträge: 860
Registriert: 23.07.2014
Wohnort: Gelsenkirchen
Geschlecht: Männlich ♂
Alter: 70

Re: Nackt versus Kleidung

Beitrag von BOeinNackter » Do 30. Mär 2023, 15:20

Mit noch so schönen Begründungen, dass Nacktheit eigentlich der Normalzustand des Menschen sein soll, wird man nichts daran ändern können, dass die Mehrheit der Menschen das ganz anders sehen und sich auch nicht gern an mehr Nacktheit, weder an die eigene noch an die der Anderen, gewöhnen wollen.
Wir sind sicher alle als Teil dieser Gesellschaft an die Normalität von Kleidung gewöhnt. Darüber sollten wir uns nicht hinwegtäuschen. Viele FKKler fühlen sich nur in bestimmten Situationen nackt wohl. Es wäre schon schön, wenn mehr Menschen die Nacktheit von Anderen akzeptieren würden.
Eine Umkehrung der Frage, warum wir eigentlich hier und da nackt sind, könnte durchaus mal hilfreich sein. Es wird aber vorläufig dabei bleiben, dass eher danach gefragt wird, warum in Film oder im Theater jemand nackt auftritt als danach, warum jemand etwas anhatte.

 
Beiträge: 5352
Registriert: 08.07.2009
Geschlecht: Männlich ♂

Re: Nackt versus Kleidung

Beitrag von Eule » Do 30. Mär 2023, 17:33

@ BOeinNackter
Dein Beitrag ist sehr gut. Er klammert aber einen wesentlichen Aspekt unserer Zivilisation aus bzw. spricht diese nicht an. Es ist nämlich die Frage, was bedeutet das "Nackt-Sein"? Und hier kommen wir sehr schnell auf die Frage, der guten Sitte, des Anstandes und der Moral. Was wir auch bedenken sollten, warum haben wir Angst davor, unbekleidet von anderen Menschen gesehen zu werden? Wieso gewinnt eine dritte Person Macht über mich, wenn diese mich unbekleidet sieht?

Unsere zivilisatorischer Erziehung in den letzten 10.000 Jahren hat uns mit einer Fülle von Regeln versorgt, die wir im frühen Kindesalter vermittelt bekommen und daher als naturgegeben betrachten. Wir müssen uns diesen Regeln stellen und hinterfragen, ob diese Regeln heute noch ihre Gültigkeit haben oder nicht. Wenn wir diese Klärungsarbeit bezüglich der Regeln nicht leisten wollen oder können, dann kann man über das einfache Handeln sich über diese Regeln hinwegsetzen. Aber es verbleibt dann immer ein ungutes Gefühl, weil der Konflikt mit den Regeln nicht gelöst wird. Dieser Konflikt wird nur verdrängt und stellt sich häufig dann in den dogmatischen Aussagen dar.

Und dann gibt es auch noch das: Ich kann bekleidet nackt sein und unbekleidet angezogen.

Benutzeravatar
 
Beiträge: 860
Registriert: 23.07.2014
Wohnort: Gelsenkirchen
Geschlecht: Männlich ♂
Alter: 70

Re: Nackt versus Kleidung

Beitrag von BOeinNackter » Do 30. Mär 2023, 20:13

@eule
Wenn ich es richtig verstehe, sprichst du an, dass nackt vor anderen stehen bedeuten kann, dass man wehrlos ausgeliefert ist. Ich denke da gleich an die Menschen, die von Deutschen im 2. Weltkrieg erschossen und in Gaskammern umgebracht hat und die sich vorher nackt ausziehen mussten. Da wurde Nacktheit zum Zeichen der absoluten Erniedrigung.
Menschen zu zwingen oder zu drängen, sich auszuziehen widerstrebt mir. Wenn, dann sollten sie gern nackt sein oder es wenigstens neugierig ausprobieren.
Ich war lange nicht mit dem Begriff, Naturismus einverstanden, weil er auch dazu dient, das Nackte zu verklären. Die Definition der INF finde ich aber wichtig. Dort wird klar gemacht, dass gegenseitige Akzeptanz, Toleranz und Respekt wichtige Bestandteile des Naturismus sind. Nackt zu sein und Nacktheit zu akzeptieren beinhaltet, sich selbst, seinen Körper und die Körper anderer positiv zu sehen.
Wenn jemand selbst nicht gern nackt ist, andere aber nackt akzeptiert, könnte man sie oder ihn doch als Naturistin sehen.
Ist jemand gern nackt, akzeptiert aber nicht die Nacktheit von Menschen, die nicht seinen oder ihren Vorstellungen entsprechen, könnte man ihr sagen, dass das nicht der Idee des Naturismus entspricht.
Wie immer man es sieht, endgültige Regeln sollte es dazu in der Welt der NaturistInnen nicht geben. In einer diskursiven Freikörperkultur könnten sie immer wieder infrage gestellt werden und neu ausgehandelt werden. Auch das wäre eine Akzeptanz der menschlichen Vielfalt und eine Würdigung persönlicher Sichtweisen. Wir sind mit dem Naturismus auf einem Weg und wir alle werden uns nicht mal eben aus unserer Prägung verabschieden. Auch gesellschaftliche Gepflogenheiten werden wir nicht immer ignorieren können.

Benutzeravatar
 
Beiträge: 3562
Registriert: 22.08.2014
Wohnort: München
Geschlecht: Männlich ♂

Re:

Beitrag von Phragmites » Fr 31. Mär 2023, 14:42

BOeinNackter hat geschrieben: dass Nacktheit eigentlich der Normalzustand des Menschen sein soll,

der Mensch hat sich sicherlich nicht in einem Naturzustand oder Normalzustand der Nacktheit über fast den gesamten Planeten Erde ausbreiten können; in den Prozess der Kultur gehört auch die Bedeckung bzw Bekleidung

Benutzeravatar
 
Beiträge: 215
Registriert: 26.07.2014
Wohnort: Nordkreis Höxter, OWL (Ostwestfalen-Lippe, südöstliches NRW)
Geschlecht: Männlich ♂
Skype: hab' ich nicht
Alter: 64

Re: Nackt versus Kleidung

Beitrag von Jochen » Fr 31. Mär 2023, 14:56

Phragmites hat geschrieben:
BOeinNackter hat geschrieben: dass Nacktheit eigentlich der Normalzustand des Menschen sein soll,

[...] in den Prozess der Kultur gehört auch die Bedeckung bzw Bekleidung

Kommt m.E. darauf an, was man unter "Kultur" versteht. Ich habe z.B. gelesen, dass Nacktheit bis ins Mittelalter völlig normal war. Die Menschen hatten zu Hause kein Badezimmer und gingen ins öffentliche Badehaus, in dem alle nackt waren. Hat niemanden gestört.

Dann wollte man aussehen wie reiche Adlige, die sich Kleidung leisten konnten. Und schon beginnt Neid, Gruppenzwang und Ähnliches. Aber vielleicht kann man das "Kultur" nennen. :shock:

LnG Jochen

Benutzeravatar
 
Beiträge: 3562
Registriert: 22.08.2014
Wohnort: München
Geschlecht: Männlich ♂

Re:

Beitrag von Phragmites » Fr 31. Mär 2023, 16:22

Jochen hat geschrieben:Ich habe z.B. gelesen, dass Nacktheit bis ins Mittelalter völlig normal war.

vor allem im Winter in Mitteleuropa außerhalb der Behausung :lol:

Kultur ist die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur. der Mensch als biologisch erfasstes Wesen hat ein Wärmebedürfnis; er stirbt bei einem bestimmten Absinken der Körpertemperatur; die Körpertemperatur wird beeinflusst von der Außentemperatur

 
Beiträge: 5352
Registriert: 08.07.2009
Geschlecht: Männlich ♂

Re: Nackt versus Kleidung

Beitrag von Eule » Sa 1. Apr 2023, 17:52

@ BOeinNackter
Wenn ich es richtig verstehe, sprichst du an, dass nackt vor anderen stehen bedeuten kann, dass man wehrlos ausgeliefert ist.
Ja, so ist leider noch immer die Sicht in der bürgerlichen Bevölkerung. Dass der Mensch nackt ist, weil er sein Fell verloren hat, wissen die meisten Menschen nicht. Für sie bedeutet die Nacktheit das Fehlen von Kleidung. Dass man mit der Kleidung „nackt“ sein kann oder ohne Kleidung „bekleidet“, verstehen sie ebenfalls nicht. Sind denn die FKK’ler nackt, wenn sie sich ohne Kleidung bewegen, Sport treiben, sich erholen, etc.?

Bei unserem Thema hier muss man wirklich erst einmal sich klar darüber werden, wann man „nackt“ ist und wie diese „Nacktheit“ zu bewerten ist. Weiter müssen wir uns fragen, was denn die Kleidung in unserem Thema bedeutet. Gibt mir die Kleidung Schutz, auf den ich angewiesen bin? Und vor was schützt diese Kleidung mich, damit ich diese ständig tragen muss? Es ist schon sehr erstaunlich, dass viele FKK’ler meinen, man könne doch einfach die Kleidung ableben und würde dann ein Gefühl von Freiheit erleben. Personen die wie CL in eine FKK-Familie hineingeboren wurden, verstehen es nicht, die Vorzüge der FKK einem Außenstehenden zu erklären. Diese erklären wirklich immer nur, man solle es machen, dann würde man dieses erleben. Was ihnen nicht deutlich wird, dass die Kleidung neben dem modischen Aspekt und der gesellschaftlichen Norm, eine moralische Bedeutung hat. Und außerhalb der FKK-Flächen unterliegen sie den gleichen gesellschaftlichen Normen und regen sich dann auf, wenn andere Personen ihre FKK dort praktizieren, wo sie dieses nicht erwarten.

Wenn Phragmites sagt:
der Mensch hat sich sicherlich nicht in einem Naturzustand oder Normalzustand der Nacktheit über fast den gesamten Planeten Erde ausbreiten können; …
dann stimmt dieses. Er hat nur die Fragestellung, was die Kleidung bedeutet, damit nicht bedacht und berücksichtigt.

Die Aussage von Jochen:
Kommt m.E. darauf an, was man unter "Kultur" versteht. Ich habe z.B. gelesen, dass Nacktheit bis ins Mittelalter völlig normal war. Die Menschen hatten zu Hause kein Badezimmer und gingen ins öffentliche Badehaus, in dem alle nackt waren. Hat niemanden gestört.

Dann wollte man aussehen wie reiche Adlige, die sich Kleidung leisten konnten.
ist ebenfalls richtig. Viele vergessen, dass unsere Prüderie heute aus der Wilhelminischen Zeit, also der Frühindustriealisierung, stammt. Und mein Dissens mit Aria besteht ja nur in der Frage, dass ein Handeln aus einer Modewelle heraus, man will ja „in“ sein, noch kein Wandel in der moralischen Einstellung bedeutet. Also, was ist die Kleidung von ihrer Bedeutung her? Welchen Schutz bietet sie mir? Sie schützt mich nicht gegen sexuelle Übergriffe. Die Nacktheit fördert aber diese sexuellen Übergriffe ebenso nicht. Warum soll ein Dritter über mich Macht gewinnen, wenn diese mich unbekleidet sieht?

Meine Meinung ist, wenn wir uns nicht mit der Frage der Angst beschäftigen, die hinter dem Tragen der Kleidung verborgen ist, dann werden wir keine FKK-Ferne Person von der Freiheit der FKK überzeugen können. Also beschäftigen wir uns mal mit dieser Angst.

@ Phragmites
Kultur ist die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur.
Ein schöner Satz, nur ist dieser leider so nicht richtig.

 

Re: Nackt versus Kleidung

Beitrag von Wäller » Sa 1. Apr 2023, 19:09

Eule hat geschrieben:Viele vergessen, dass unsere Prüderie heute aus der Wilhelminischen Zeit, also der Frühindustriealisierung, stammt.

Diese Prüderie war aber schon im viktorianischen Zeitalter sehr verbreitet, also rund 50 Jahre vor dem Kaiser Wilhelm.
In diesem Zusammenhang hatte ich vor ein paar Wochen einen interessanten Beitrag im TV gesehen. Es ging da um die Kolonialzeit und dass die Urbevölkerung, die von den Kolonialherren ausgebeutet wurden, Kleidung tragen musste, die an die europäische Kleidung angelehnt war, woraus sich eine eigene "Mode" entwickelte. In diesem Zusammenhang ist dann auch die strenge Bekleidungsvorschriften in Europa zu sehen, weil man sich damit über die "Wilden" in den Kolonien erheben wollte. Das Problem war, dass nach der Grundidee der Aufklärung ja alle Menschen gleich sind. Das führte dann aber zu einem Problem, wie man die Behandlung (und teilweise auch Versklavung) der Afrikaner weiterhin moralisch rechtfertigen konnte. Diese Rechtfertigung lag dann darin, dass die gesamte Kultur der Afrikaner etc. der europäischen Rasse gegenüber als minderwertig dargestellt wurde. Und als äußeres Zeichen für diese Minderwertigkeit musste dann die Nacktheit der Afrikaner gegenüber der "züchtigen" Bekleidung der Europäer herhalten.
Vor dem Zeitalter der Aufklärung waren solche Unterschiede nicht nötig, weil die Menschen nicht als grundsätzlich gleichwertig/gleichberechtigt galten und die Sklaverei daher keine besondere Rechtfertigung nötig hatte.

Benutzeravatar
 
Beiträge: 3562
Registriert: 22.08.2014
Wohnort: München
Geschlecht: Männlich ♂

Re:

Beitrag von Phragmites » Sa 1. Apr 2023, 23:22

Eule hat geschrieben:@ Phragmites
Kultur ist die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur.
Ein schöner Satz, nur ist dieser leider so nicht richtig.

richtig ist er schon; allerdings keine vollständige Definition von "Kultur"

VorherigeNächste

Zurück zu FKK Allgemein

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Seo-Ul-Kef und 51 Gäste