von CHICO » Mi 12. Jun 2024, 07:11
Hallo, weil, wie Seelöwe schreibt:
„Ich bin -auch aus anderem Anlass- für die sofortige Kappung aller Internetverbindungen nach Sylt“
nur Wunschträume des Seelöwen sind und eben die Kappung – das Verhindern der freien Meinungsäußerung (Grundgesetz Art. 5) – nicht möglich ist, melde ich mich wieder; trotz Urlaub.
Der Anlass: Der Antrag des Vereins GNG e. V. auf Anerkennung der Freikörperkultur als immaterielles Kulturerbe ist schon auf der Stufe „Niedersächsisches Kultusministerium“ abgelehnt worden. Dazu meine nachstehenden Bemerkungen:
Unter „Erbe“ wir üblicherweise verstanden, was aus der Vergangenheit in die Gegenwart übernommen oder weitergelebt wird. Das mögen Sachgegenstände und auch immaterielle Werte sein; also auch kulturelle Werte. Wie z. B. die Musikwelt. Jahrhunderte alte Musikstücke bereichern als Kulturerbe unser heutiges Leben. Neben historischer Musik, die sich noch verhältnismäßig konkret heute erleben lässt, kann auch das Fortführen oder Wiederaufnehmen von menschlichen Verhaltensweisen als Erbe verstanden werden. Wie weit es sich dabei dann um Kulturgüter handelt, bestimmt die zur Anwendung kommende Kulturdefinition. Für die Definition „Erbe“ bleibt entscheidend, dass das „Alte“ im heutigen Leben noch oder wieder eine Rolle – positiv oder negativ – spielt.
Wer sich heut mit der FKK-Bewegung beschäftigt, muss sich fragen lassen, was konkret heute diese Bewegung ausmacht und in wie weit diese noch Bezug zu den historischen Erscheinungsformen der FKK hat.
Unter der aktuellen FKK-Bewegung verstehe ich nur die „tatsächlichen“ FKKler, die heute als kleine gesellschaftliche Gruppe (Mitglieder im DFK ca. 35.000) in Vereinen und öffentlich als FKK-Bezirke gekennzeichneten Bereichen ihren sonstigen Interessen vornehmlich nackt nachgehen. Nicht zu den „tatsächlichen“ FKKlern zähle ich diejenigen, die einfaches Nacktsein - wo auch immer - eigenartigerweise als „FKK-Machen“ bezeichnen. Neben dem einfachen Nacktsein der „tatsächlichen“ FKKler mögen in den genutzten Gettos auch noch irgendwelche Ideologien – sonstige besondere Lebensweisen – gepflegt werden; aber wohl restlos unbedeutend die verschiedenen historisch geprägten Lebensweisen (Stichworte: Reformbewegung, Natursehnsucht, Körperschulung, Rassenideologie usw.) In den Satzungen der Vereine und den Erklärungen des DFK ist zu den Zielen der dortigen Mitglieder von besonderen Lebensweisen, wie erwähnt, nichts zu finden. Schon kaum wird die Freikörperkultur direkt erwähnt. Sport steht im Mittelpunkt und die sich daraus herleitende Gemeinnützlichkkeit zum Zweck der Steuerersparnis. Die FKK-Bewegung von heute hat fast nichts mehr - außer dem Nacktsein - zu tun mit dem angeblichen historischen Vorbild. Von Erbe kann keine Rede sein.
Die weitaus größere Gruppe (wohl einige Millionen) derjenigen, die das einfache Nacktsein im öffentlichen Raum bei Sonnen, Baden, Wandern, Sport usw. für angemessen halten, hat nun überhaupt keinen Bezug zu dem in Rede stehenden „Kulturerbe FKK“; auch wenn in diesen Kreise der Begriff FKK immer wieder fällt. Ursache: Umgangssprachlich ist das bescheidene Wort „nackt“ verpönt und man erklärt die Absicht, nackt zu sein, mit „FKK-Machen“.
Als „Erbe“ aus vergangenen Zeiten zeigt sich also scheinbar nur noch das einfache Nacktsein der „tatsächlichen“ FKKler. Und da ist dann die Frage zu stellen, ob es sich dabei wirklich um ein Erbe aus einer konkreten vergangenen Zeit handelt oder nicht doch um eine Lebensform, die über die gesamte Geschichte der Menschheit immer wieder praktiziert wurde; und dafür spricht sehr viel.
Mit dem angeblichen Erbe des reinen Nacktseins ist also nicht viel Staat zu machen, wenn es um den Anspruch „immaterielles Kulturerbe“ geht und ob Nacktsein als Form einer besonderen Kultur der Menschen bezeichnet werden kann, bedarf nur einfacher Überlegungen. Solche Überlegungen will ich hier aber gar nicht anstellen, sondern behelfe mich mit der Definition des Kulturbegriffs bei Wikipedia:
„Kultur bezeichnet im weitesten Sinne alle Erscheinungsformen menschlichen Daseins, die auf bestimmten Wertvorstellungen und erlernten Verhaltensweisen beruhen und die sich wiederum in der dauerhaften Erzeugung und Erhaltung von Werten ausdrücken – als Gegenbegriff zu der nicht vom Menschen geschaffenen und nicht veränderten Natur. Wichtige Vordenker dieses Kulturbegriffs sind etwa Arthur Schopenhauer, Harald Höffding und Joseph Petzoldt“
Die Menschen werden nackt geboren. Mit dem Älterwerden wird dann die Nacktheit häufig mit Bekleidung verdeckt. Wenn nun zu bestimmten Zwecken die Bekleidung wieder abgelegt wird, lässt sich die dann gegebene Nacktheit wirklich nicht als Kulturleistung gemäß oben aufgezeigter Definition begreifen.
Einfache Nacktheit in heutiger Zeit – früher auch von der damaligen FKK-Bewegung praktiziert – ist weder ein Erbe und noch viel weniger ein Kulturerbe. Eine besondere Auszeichnung durch die UNESCO als immaterielles Kulturerbe verdient die Freikörperkultur nicht. Schon Januar 2020 schrieb im FKK-Forum der Anonymus EULE: „Ich denke, dass der "FKK"-Begriff in seiner Ursprungsbezeichnungsform nicht mehr umgesetzt wird und daher kann er nicht auf die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden.“
Axel Geertz - alias CHICO