Campingliesel hat geschrieben:Sehr interessanter Bericht! Warum hast Du überhaupt damit angefangen, die Schamhaare zu rasieren, wenn es doch andererseits peinlich ist?
Weil ich mich rasiert einfach wohler fühle und einen enthaarten Körper viel ästhetischer finde, so einfach.
Mir war es auch nicht peinlich,
dass ich rasiert war, mir wären die Kommentare peinlich gewesen, die ich mir deshalb hätte anhören müssen. Meine Eltern kommen noch aus einer Zeit, in der eben ein anderes Schönheitsideal vorherrschte und sie waren und sind beide unrasiert, dementsprechend gering wäre ihr Unverständnis gewesen - dachte ich zumindest.
Heute ist es natürlich anders. Ich gehe damit ganz offen um und meine Eltern wissen auch, dass ich rasiert bin. Erstens, weil es mir mittlerweile egal ist, was andere denken -
mein Körper,
meine Entscheidung. Ich muss mich in ihm wohlfühlen und behaart würde ich das nicht tun. Und zweitens weiß ich inzwischen auch, dass es meinen Eltern ganz einfach völlig egal ist, wo und wie ich rasiert bin. Die Sorgen, die ich mir als Jugendlicher gemacht habe, waren also unbegründet. Aber als Jugendlicher denkt man eben anders über solche Dinge.
Campingliesel hat geschrieben:Genau deshalb denke ich auch, daß diese unsinnige "Mode" auch u.a. die Ursache dafür ist, daß viele Jugendliche Probleme mit der FKK haben.
Ob diese Mode "unsinnig" ist oder nicht, das lass doch bitte jede*n selbst entscheiden! Die Geschmäcker sind nun mal verschieden. Ich kann auch nicht verstehen, wie andere sich wohlfühlen können mit dichtester Körperbehaarung und ästhetisch finde ich die Behaarung auch nicht. Aber mir würde nie im Leben einfallen, andere indoktrinieren zu wollen. Es gibt Leute, denen es behaart gefällt und das finde ich völlig okay und akzeptiere das. Ich erwarte aber im Gegenzug, dass andere es auch kommentarlos akzeptieren, dass ich nun mal nicht gern behaart bin.
Ich finde es außerdem befremdlich, dass bei der Fraktion der Unrasierten immer unterschwellig der Vorwurf mitschwingt, diejenigen, die sich rasieren, würden es nur tun, weil es gerade Mode ist. Es gibt tatsächlich Leute, die tun es, weil es ihnen selbst gefällt.
Ich selbst habe das nie an irgendeinem Trend festgemacht. Ich hab mit der Körperrasur begonnen als mein allererstes Achselhaar wuchs, damals wusste ich noch gar nicht, dass die anderen Jungs in meiner Klasse das größtenteils auch machten. Heute bin ich vom Hals abwärts blank, seit letztem Sommer rasiere ich mir auch die Beine und das ganz bestimmt nicht, weil ich einem Trend folge. Mit rasierten Beinen bin ich als Mann nicht nur am FKK-Strand immer noch ein ziemlicher Exot. Mir ist es daher egal, ob es gerade Mode ist oder nicht, ich mach's, weil es mir so besser gefällt (und weil ich dieses Geschmiere hasse, wenn im Sommer die Sonnencreme in den Beinhaaren klebt).
Auch glaube ich nicht, dass die Intimrasur die jüngere Generation vom FKK abhält. Am Kulki, wo ich meist FKK mache, sind auch recht viele junge Erwachsene und die meisten davon sind rasiert.
Campingliesel hat geschrieben:und eben so aussahen, wie man als Erwachsener eben natürlicherweise aussieht.
.
Natürlicherweise haben Männer auch einen Bart. Keinen Dreitagebart, sondern so einen vom Typ Weihnachtsmann. Muss ich deshalb so herumlaufen?
Natürlicherweise haben Frauen auch Bein- und Achselhaare, trotzdem sind nach meiner Erfahrung auch am FKK-Strand die allermeisten Frauen, jung wie alt, unter den Armen und an den Beinen rasiert.
Natürlicherweise würden die meisten auch mit Mitte/Ende vierzig sterben: Blinddarmoperationen, Antibiotika, Impfungen gegen schlimme Seuchen wie Pocken, Diphtherie, SARS-CoV-II, ... sogar Ackerbau und Viehzucht - das alles ist nicht natürlich. Wollen wir nur deshalb darauf verzichten, weil es nicht natürlich ist? Ich glaube nicht!
Campingliesel hat geschrieben:Warum gibt es diese "Mode" überhaupt?
Die gibt es praktisch, seit der Mensch eine Kultur entwickelt hat. Wir wissen aus Aufzeichnungen, dass bereits im antiken Ägypten die Ganzkörperrasur üblich war - bei Frauen wie Männern. Von Tutanchamun ist überliefert, dass seine Bediensteten ihn jeden Morgen von Kopf bis Fuß rasiert haben. Seine Haarpracht auf dem Kopf war tatsächlich eine Perücke. Auch im antiken Griechenland und in Rom galt die Rasur der Körperhaare als weit verbreitetes Schönheitsideal. Mittelalterliche Darstellungen zeigen Frauen beim Schneiden ihrer Schamhaare, am Hofe Ludwig XIV. war die Intimrasur weit verbreitet, auch im viktorianischen Zeitalter und dann wieder in den 1920ern in der Weimarer Republik. Diese "Mode" ist so alt wie die Menschheit und kam und ging und kam und ging und wird auch weiterhin kommen und gehen.
Es gibt sogar evolutionsbiologische Erklärungen:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27000945/ dafür, warum ein enthaarter Intimbereich von vielen als attraktiv empfunden wird. Ein haarloser Körper wird seltener von Ektoparasiten befallen, was in früherer Zeit, als es noch nicht die Möglichkeiten unserer heutigen Hygienemaßnahmen gab, ein Selektionsvorteil gewesen sein dürfte.
Arko hat geschrieben:CL, schon mal darüber nachgedacht, dass manche sich nicht darum scheren, was andere denken ?
Einige finden es eben ästhetisch, KEINE Körperbehaarung zu haben, weder im Gesicht, noch auf Kopf, Rücken, Bauch, Beinen, Armen und Intimbereich.
Deshalb gibt es ja mittlerweile so einen großen Markt in Sachen Waxing. Das muss man persönlich nicht mitmachen oder gut finden, aber man sollte es tolerieren, also ertragen.
Richtig. Sehe ich auch so!
Campingliesel hat geschrieben:Das Schamhaar hat seinen biologischen Sinn und Zweck gerade eben an dieser Stelle und das hat sich eben deshalb auch so entwickelt. Da liegt auch der Unterschied zum Kopfhaar [...] Daß Männer mehr Körperhaare haben als Frauen, liegt eben auch in der Natur [...] Vor allem eben für die Lebensweise als Jäger war das wohl wichtig.
Gerade die Lebensweise als Jäger hat überhaupt erst dazu geführt, dass die Reduktion der Körperbehaarung beim Menschen einsetzte! Um der Konkurrenz durch die weitaus besser angepassten Raubtiere wie Löwen zu entgehen, fingen unsere Vorfahren an, bei Tag in der größten Mittagshitze zu jagen. Weil Überhitzung drohte, musste ein Kühlungsmechanismus her. Wir bekamen Schweißdrüsen, die aber nur funktionieren, wenn die Körperhaare nicht stören, also wurden sie reduziert. Gleichzeitig bedeutete "weniger Haar" auch, dass die isolierende Schicht kleiner wurde, was die Wärmeabgabe zusätzlich verbesserte. Interessanterweise hat die Evolution von dieser Entwicklung gerade die Kopfhaare ausgenommen,. die wurden sogar länger als die Haare irgendeiner anderen Primaten- und sogar Säugerspezies, die längsten im ganzen Tierreich! Unser Kopfhaar schützte uns vor Sonnenbrand an den bedingt durch den bipeden Gang besonders exponierten Stellen wie den Schultern.
Auch gibt es keinen Beleg dafür, dass die Jagd bei unseren frühen Vorfahren alleine Männersache war. Im Gegenteil, mehr und mehr Anthropolog*innen sind davon überzeugt, dass auch Frauen an der Jagd beteiligt waren. An Höhlenmalereien, die mutmaßlich jagdliche Darstellungen zeigen, waren nachweislich auch Frauen beteiligt.
Schamhaare dienen in erster Linie dem Friktionsschutz. Heute legen Menschen kaum noch die Strecken zurück, die unsere Vorfahren bewältigten. Im Alltag übernimmt unsere Unterwäsche die Funktion des Reibungsschutzes. Der Nutzen, den unser Schamhaar einst hatte, ist inzwischen völlig obsolet geworden.
Arko hat geschrieben:Natur und Biologie ist doch in diesem Zusammenhang dasselbe, nennt sich Evolution.
Genau. Beim Menschen kommt noch die Kultur dazu. Die Evolution blieb mit der Biologie nicht stehen. Kulturelle Evolution hat unsere Art mindestens so sehr geprägt wie die biologische und das sogar mit deutlich höherer Geschwindigkeit.
Arko hat geschrieben:Ganz früher waren unsere Vorfahren ganzkörperbehaart, was angesichts unserer Verwandtschaft mit den Affen nicht überrascht.
Streng genommen sind Menschen noch genauso stark behaart wie Schimpansen. Ein Schimpanse und ein Mensch haben in etwa die gleiche Dichte an Körperhaaren (also dieselbe Anzahl Haare/cm³). Was beim Menschen passierte, war kein Haarverlust, sondern eine Haarreduktion, indem unsere Haare einfach viel kürzer und feiner (Vellushaar) wurden.
Campingliesel hat geschrieben:In warmen und heißen Klimazonen blieb der Mensch trotzdem nackt, auch ohne Fell, aber er brauchte eben keine Kleidung.
Das stimmt so nicht. Es gibt, egal in welcher Klimazone, nur ganz wenige Kulturen, in denen die Menschen wirklich völlig nackt sind. Selbst völlig isolierte indigene Kulturen bedecken sich oft mit einem Lendenschurz, Kalebassen oder zumindest einem Bindfaden oder dergleichen. Und ohne diese "Bekleidung" fühlen sich diese Menschen ebenso nackt und beschämt wie unsereins das abseits von FKK-Plätzen tun würde (siehe hierzu auch:
https://www.geo.de/magazine/geo-kompakt/6156-rtkl-schamgefuehle-so-erklaeren-forscher-unsere-angst-vor-der-bloesse). Und wie gesagt, die Kultur ist ein essentieller Bestandteil unserer Biologie, untrennbar mit ihr verbunden. Der Mensch ist dabei nicht mal die große Ausnahme. Kultur ist im Tierreich weitverbreitet, z. B. bei den anderen Menschenaffen, Makaken und Walen.
Hans H. hat geschrieben: dem ist dieser Zweck mit dem Nachlassen der Bedeutung unseres Riechorgans nach und nach unbedeutender geworden.
Die Verteilung von Duftstoffen spielte sicher nur eine untergeordnete Rolle. Dass der Körpergeruch bei der Partnerwahl nicht ohne Bedeutung ist, ist zwar richtig (vielleicht kennt manch eine*r den legendären T-Shirtversuch von C. Wedekind). Dass die Schamhaare Sexualpheromone verteilen sollen, ist aber ein Mythos. Einfach, weil es Pheromone beim Menschen nicht gibt. Es ist bislang nie gelungen, ein Molekül mit Pheromonwirkung bei unserer Art zweifelsfrei zu identifizieren. Außerdem fehlt unserer Art das Wahrnehmungsorgan (Vomeronasal- oder Jacobson'sches Organ), mit dem andere Säuger Pheromone erschnüffeln können.
Deiner Schlussfolgerung
Hans H. hat geschrieben:Also damit kann man nicht argumentieren. Wenn es allein darum geht, natürlich gewachsenes Aussehen zu lassen, wie es ist, muss man sich genauso gegen die Bartrasur aussprechen.
stimme ich aber voll zu.