von HTJ » Do 17. Sep 2020, 11:03
Ich habe eine Weile überlegt, in welchen Thread ich diese Gedanken schreibe. Ich denke aber, daß es hier am besten passt.
Denn seit ich Mitglied in diesen Forum bin, frage ich mich:
Warum baden Menschen gern nackt? Weil es etwas natürliches ist? Ja, Nacktheit ist etwas natürliches. Aber wie viel Dinge, die natürlich sind, macht der Mensch nicht, weil sie unpraktisch oder unbequem sind. Ja, Nacktheit ist etwas natürliches. Aber als Erklärung, warum man gern nackt badet, ist das unbrauchbar.
Warum fliegt jemand mit dem Flugzeug nach London, um dort am WNBR teilzunehmen? Um damit für die ökologischen Vorteile des Fahrradfahrens zu werben? Man sieht hier schon den Widerspruch an sich.
Warum lassen sich, vor allem Frauen, gern nackt fotografieren. Haben wir in Deutschland so eine große soziale Not, daß diese die paar Euros, die es eventuell dafür gibt, unbedingt brauchen? Wohl kaum.
Warum lassen sich tausende Menschen von Spencer Tunick nackt ablichten? Sind diese Menschen alle so stark an Kunst interessiert? Bestimmt nicht.
Warum waren vor ein paar Monaten einige nackt im Theater. Sind das alle so begeisterte Theatergänger? Wohl kaum.
Ich habe mir mal den Wikipedia-Artikel über Exhibitionismus durchgelesen. Da steht ein interessanter Aspekt:
"Aus entwicklungspsychologischer Sicht wird die im frühen Kindesalter zu beachtende Zeigelust wertfrei beschrieben. Sie könne auf eine gewisse exibitionistische Grundveranlagung des Menschen schließen lassen und wurde vom Sexualforscher Ernest Bornemann als kindliche Form des Exhibitionismus bezeichnet."
Wenn aber Kinder eine Zeigelust haben, wieso sollte diese dann wieder verschwinden. Lernen nicht Kinder durch spielen für ihr späteres Leben.
Als es im Forum um den Verlust des Fells des Menschen ging, habe ich mal eine Theorie von mir vorgestellt. Ich denke nämlich, daß der Verlust des Fells überhaupt nichts mit besseren Schwitzen zu tun hat. Denn wieso sind Männer stärker behaart, obwohl diese ja auf die Jagt gingen? Wieso haben Kinder, außer auf dem Kopf, keine Haare. Erst später, wenn die jungen Männer auf die Jagt gehen sollen, bekommen sie Haare am Körper. Das ist ja schon ein Widerspruch an sich. Nein, die Fortpflanzungsstrategie des Menschen bedingte es, daß das Männchen einen freien Blick auf die Haut des Weibchens hatte. Nur eine makellose Haut versprach Gesundheit und Fruchtbarkeit. Nun macht es aber keinen Sinn, wenn der eigentlich freie Blick auf die Haut durch Kleidung versperrt wird. Also wäre es doch logisch, wenn Menschen gerne ihren Körper zeigen, und in gewissen Sinn damit für sich werben. Es ist wie ein Unternehmen in der Wirtschaft. Wer nicht wirbt für sich, verkauft auch nichts.
Sind FKKler also doch Exhibitionisten? Nein!
Es hat sich in der Evolution als vorteilhaft erwiesen, verschiedene Dinge zu trennen. So wie der Mensch (normalerweise) Sexualität und Fortpflanzung gedanklich trennt, so trennt er auch diese "Zeigelust" von der Sexualität. Exhibitionisten können meiner Meinung nach diese beiden Aspekte nicht voneinander trennen. Exhibitionisten zeigen sich, um sich sexuell zu erregen. FKKler zeigen sich nackt. weil es ganz einfach ein schönes Gefühl ist. Das nackt sein beim FKK ist nichts anderes, als wenn eine Frau gern einen tiefen Ausschnitt zeigt oder einen kurzen Rock an hat. Da man dieses "sich zeigen" eben nicht als Exhibitionismus bezeichnen kann, möchte ich dies gern als "natürliche Zeigelust" bezeichnen.
Es ist interessant, daß wir am Anfang dieses Threads irgenwie auf das Schamgefühl gekommen sind. Meiner Meinung nach ist das Schamgefühl eine Art Schutzfunktion, um bei der Sexualität nicht "unter die Räder zu kommen." Diese "natürliche Zeigelust" kann nämlich auch gefährlich sein. Man stelle sich vor, in der Urgesellschaft oder im Mittelalter hätten Menschen eine unbegrenzte Zeigelust und das unter dem Aspekt, daß eben meist das Recht des Stärkeren galt.
Ich vergleiche das mal mit der Frage des Körpergewichtes. Beide Extreme sind eigentlich sinnvoll. In einer Zeit, in der die Menschen nicht täglich genug zu essen hatten, war es wichtig, ein paar Reserven in Form von Fettzellen einzulagern. Andererseits ist es von Nachteil, zu viel Körpermasse mit sich rumzuschleppen. Die Kunst ist nun, genau die sinnvolle Mitte zwischen beiden Extremen zu finden. So machen auch Schöheitsideale Sinn. In Zeiten von Nahrungsmittelknappheit sind mollige Figuren in, dagegen in Zeiten von Nahrungmittelüberschuß schlanke Figuren.
Genau so ist es mit der Balance zwischen natürlicher Zeigelust und Schamgefühl. Auch hier muß der Mensch eine Balance zwischen natürlicher Zeigelust und Schamgefühl finden. Und das ist stark abhängig (wie die Frage der Nahrungsmittelversorgung beim Körpergewicht) vom Zustand der Gesellschaft, was also gerade die soziale Norm ist. Das würde eben auch die Frage erklären, warum (auch hier im Forum) viele gern nackt sind, aber sich durch Textile am FKK-strand gestört fühlen. Hier ist eben die Balance zwischen natürlicher Zeigelust und Schamgefühl gestört.
Ich bin gespannt auf eure Antworten.