@ BOeinNackter
Die gesellschaftliche Situation war im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert eine andere. Es war zwar auch eine Umbruchszeit, so wie dir diese heute erleben. Aber damals verspürten die Menschen, insbesondere die aus der gehobenen Mittelschicht, das Bedürfnis etwas zu ändern und sie waren auch bereit, etwas zur tun und zu riskieren. Unsere Wohlstandsgesellschaft hat uns träge gemacht, wir erwarten, dass eine andere Person oder der Staat hier eine Richtung vorgibt.
Die Verkopfung unseres Lebens, ein überaltetes Schulkonzept mit einer rein theoretischen Wissensvermittlung, oftmals über die Kopfe der Schüler hinweg, und der große Wunsch nach einer Standardisierung, die zugleich aber auch abgelehnt wird, versperrt vielen Menschen die Einsicht, selbst etwas zu entwickeln und dann vertreten zu können. Die Reformbewegung war eine sehr vielseitige Bewegung mit recht unterschiedlichen Ansätzen. Heute wäre wieder die Chance vorhanden, unsere ökologischen und ökonomischen Bestrebungen und Meinungen zusammen zu fassen und zu einer Reform des Systems zu kommen.
Deine Gedanken teile ich und begrenze diese nicht nur auf den Bereich der FKK. Die Freikörperkultur ist ein Teil/ein Aspekt der Reformgedanken. Sie könnte sich jedoch zum Sprachrohr und Träger dieser Reformbewegung machen. Hierzu müsste sie sich allerdings von leibgewordenen Ansichten und Denkmustern verabschieden, den naturalistischen Gedanken wieder zu einem Gedanken der FKK erweitern.
Zu Corona-19 kann ich nur sagen, sie hat uns aufgezeigt, wie wenig rational viele Mitbürger unserer Gesellschaft reagieren und dass das magische Denken, der Gedanke der Hexenverfolgung aus unserer Gesellschaft noch nicht verschwunden ist. Wir brauchen einen Schuldigen, dem wir unsere negativen Gefühle übereignen können. Ist dieses schon oder ist dieses noch Esoterik? Ich weiß es nicht.
Die Intoleranz, die du in deiner Freikirche erlebtest, findest du höchstwahrscheinlich in allen religiösen Gemeinschaften. Dort, wo es an einem Wissen fehlt und dieses durch ein Meinen ersetzt wird, ja dort wird es gefährlich. Die Transformation von alten Botschaften wird immer schwieriger, weil die Verfallszeit des Wissens immer kürzer und da das endgültige Wissen von den Dingen der Welt immer ungenauer, unverständiger wird und der Bezug zu unserem realen Leben immer schwerer herzustellen und/oder zu verstehen ist, sind viele Menschen sehr verunsichert.
Ich weiß inzwischen mehr darüber, warum Menschen so denken und handeln. Das hilft mir allerdings nicht viel. Ich versuche es inzwischen gelassen zu sehen und zu tun, was ich noch gern tun möchte.
Warum hilft dir dieses nicht viel? Wenn du es verstehst, die Menschen mit ihrem Beschränkt-Sein anzunehmen, dann kannst du mit ihnen sehr gut kommunizieren. Ob du sie ändern kannst, ist kurzfristig zu sehen kaum möglich. Manch ein Gedanke braucht seine Zeit, um verstanden, durchdacht und entschieden zu werden.
Im letzten Jahr hat der DFK nach einer Schwimmveranstaltung in Paris gefordert, dass bei solchen Veranstaltungen künftig bei einer Abschlussfeier angemessene Kleidung getragen werden muss. In Paris waren einige TeilnehmerInnen nackt. Oh, Schreck!
Der DFK im Würgegriff der gesellschaftlichen Konventionen.