Nackt Joggen?

[hajo]

Du hast es mal wieder auf den Punkt gebracht. Art. 2 GG erlaubt mir (und natürlich auch den andren) so zu leben, wie es mir gefällt, solange ich niemandem schade. Zwar weiß ich, dass es Leute gibt, die mir meinen Anblick untersagen wollen. Aber mit welcher Begründung?
Weil ICH BIN?
Oder weil ich nicht SO bin, wie es jemand anderes gern hätte? Gab's da nicht schon mal so was? Gesinnungsschnüffelei?
Ich hab es schon 'zigmal hier erwähnt: Man KANN weggucken! Aber nein! Da stirbt jemand im brennenden Auto auf der Autobahn - und viele, viele Smartphones (von geistig einfachen Mitmenschen senkrecht gehalten, denn unsere Augen stehen ja nebeneinander) werden sensationsgeil auf das Opfer gerichtet.
Aber dann sieht man da jemandem NACKT am Waldesrand!! Phone raus - 110! 110! "Ein Schamverletzer" (sic!) ... dabei schaut der auch körpermittig recht gesund aus.
Man stelle sich vor, ich trüge eine Koteka!

Wie ich ebenfalls mehrfach schrieb:
die Hälfte der Menschheit weiß, wie das eigene Geschlecht aussieht.
Die weitaus meisten der anderen Hälfte wissen auch wie das andere aussieht.

Es gibt sicherlich Gründe, sich aufzuregen. Viele. Neue fast jeden Tag.

Aber ein NACKTER Mensch?! Gibt es jemanden, der nicht von Natur aus nackt ist?

Ich hab seit vielen Jahrzehnten mein nacktes Leben hier zu Hause für alle, die kommen als Selbstverständlichkeit erscheinen lassen. Familien, Freunde, Nachbarn - kein Problem. (Zeugen Jehovas kommen nicht mehr)

Handwerker, Schornsteinfeger ... na ja. Da gibt's schon mal Kommentare.
Dann schmunzele ich bisweilen und sage, sie dürften ruhig so bleiben wie sie sind.

[CHICO]

Ich fühle mich auch in der Minderheit sehr wohl. Was Du schreibst und vielleicht reklamierst, zeigt eigentlich nur die Vielgestaltigkeit der Menschen. Man muss sie nicht alle mögen und kann sich trotzdem sehr wohl fühlen.

[BarfussUlrich]

Im Sozialjargon gesprochen, geht es um die Inklusion von Nackten.
Die FKK-Vereine und -Campingplätze sind geduldete Inseln (wenn sie voll umzäunt und mit Sichtschutz versehen sind). Dies entspricht eher einer Integration. (Wenn überhaupt)

Ziel wäre doch, dass es ganz normal ist auch im Ort, in der Stadt nackt spazieren und/oder einkaufen zu gehen. Oder dass im Bus/Bahn nackt und textil nebeneinander sitzen.
Das wäre dann tatsächlich gleichberechtigt=Inklusion.

Oder ist das zu weit gedacht?

[CHICO]

Ich bin völlig dieser Meinung. Darum selbstbewusst und offensiv nackt sein und Ghettos meiden. Es ist hoffentlich ein möglicher Prozess zu einem solchen Ziel.

[Mandragora]

Oder ist das zu weit gedacht?

Meiner Meinung nach: Ja.
Irgendwann greift für mich das Hygieneargument und in Bus und Bahn kommt man sich sehr nah, da schafft Kleidung die Distanz, die ich fremdem Mitmenschen gegenüber, deren Körperpflegeverhalten nicht kenne, für nötig halte.
Da ist es mir schon bekleidet oft viel zu eng und zu nah, ein Grund dafür, dass ich diese Verkehrsmittel wenn möglich meide.
Wenn ich da nur an die Sitze denke…
Wenn allerdings die Möglichkeit zur Wahrung eines gewissen Abstandes gegeben ist, dann wäre ich auch dafür, dass jeder es handhaben könne wie es ihm gefiele.

[CHICO]

"selbstbewusst und offensiv nackt sein" hat heute dazu geführt, in den Mittagsstunden nackt wie auch mein Hund wandern gewesen zu sein. Dem 31.12. habe ich dieses Jahr zum ersten Mal die nackte kalte Schulter zeigen können.

[BarfussUlrich]

@Chicco: super. Es braucht am Anfang meist ein bisschen Überwindung wirklich die Klamotten abzulegen (zumindest wenn die letzte Outdooraktivität schon länger her ist). Doch dann ist es sehr fein.
Voriges Jahr war ich in Innsbruck und habe da einige nette Touren bzw täglich Waldspaziergänge gemacht.
http://fkk-freunde.info/viewtopic.php?f ... 10#p183838

[CHICO]

Danke für den "Zuspruch". Der Anfang meiner Nacktwanderungen hier in und um Weidenbach liegt ca. 18 Jahre zurück. Seitdem bin ich täglich mit den verschiedenen Hunden unterwegs über die Felder und durch die Wälder und bei hinreichenden Temperaturen nackt wie die Hunde. Differenzen mit anderen Wanderern hat es nie gegeben. Ggf. laufe ich auch mit Leuten aus dem hiesigen Dorf gemeinsam; aber Mut, auch nackt zulaufen, haben diese offensichtlich nicht; oder eben kein gleichartiges Interesse. Kein Problem für mich. Wechselseitige Toleranz ist angesagt. Meine "Ansage" bezog sich auf die Terminbesonderheit = 31.12!

[BarfussUlrich]

Im Sozialjargon gesprochen, geht es um die Inklusion von Nackten.
Die FKK-Vereine und -Campingplätze sind geduldete Inseln (wenn sie voll umzäunt und mit Sichtschutz versehen sind). Dies entspricht eher einer Integration. (Wenn überhaupt)

Sorry. Ich meinte statt Integration natürlich Separation in diesem Beispiel.
Integration wäre ja tatsächlich schon der nächste Schritt nämlich ein "angepasstes" Nacktsein in der Gesellschaft (eben bei Sport &Co). So wie es ein paar (wenige???) Hier leben.

[Tim007]

Einen solchen Lernprozess zur selbstverständlichen Nacktheit kann man vielleicht auch eigenständig vollziehen. Also: „Ins Denken ziehen“ (Dieter Henrich). Es gibt objektiv gesehen keinen Grund, Penis, Vulva und die weiblichen Brüste verdeckt zu halten und nicht wie Nase, Ohren und Mund ohne Hemmungen der Öffentlichkeit darzubieten. Und noch deutlicher: Ohne Penis, Vulva und die weiblichen Brüste würde die Menschheit nicht existieren.

Das hört sich plausibel an, kann jedoch auch in eine Sackgasse führen. Wenn ich es pointiert darstellen darf:
Es gibt objektiv gesehen keinen Grund, auch den Schließmuskel verdeckt zu halten und nicht wie Nase, Ohren und Mund ohne Hemmungen der Öffentlichkeit darzubieten. Jeder Mensch hat einen.

Mehr noch: warum gibt es überhaupt Toilettentüren? Wäre es nicht an der Zeit, Ghettos wie die abgeschotteten Orte der Fäkalerleichterung abzuschaffen? Das Normalste der Welt wird tabuisiert.

Und wenn wir schon dabei sind: Da die Menschheit ohne Penis, Vulva und weibliche Brüste nicht existierte: gehörte der Geschlechtsverkehr nach dieser Argumentation nicht auch in die Öffentlichkeit? Es wird auch insoweit etwas tabuisiert, was das Normalste der Welt ist.

Gerade in diesem Forum dürften wir uns einig sein, dass es wünschenswert wäre, wenn etwas mehr Gelassenheit einkehrte, was das Nacktsein betrifft. Auch wäre es begrüßenswert, so meine liberale Sicht, wenn sich jeder frei entfalten darf, sofern andere nicht geschädigt werden. Genau das besagt Art. 2 GG. Trotzdem schützt der Freiheitsbegriff auch diejenigen, die die Freiheit haben wollen, ihre Intimität nicht mit anderen teilen zu müssen.