Es scheint mir recht unwahrscheinlich, daß hier jemand religiös-verknöchertes erscheinen wird und schreibt, daß er religiös-verknöchert ist und deshalb ein gestörtes Verhältnis zu Sexualität und Nacktheit hat. Das sind dann eher Leute, die in Gemeinderäten und Lokalzeitungen gegen die perversen Nackten und Sexkranken am örtlichen Badesee/Homoparkplatz/Swingerclub lästern. (Swingerschiff!!! Was für ein Aufstand in irgendeinem verkackten Bodenseedorf von zwei wichtigtuerischen Gemeinderäten, der über juristische Winkelzüge in einem Verbot der Anmietung eines Bootes resultierte, das jahrelang unbeanstandet gefahren war.)
Als kein Zufall erscheint mir dagegen, daß sowohl in der DDR mit der Zurückdrängung der Kirchen als auch bei den 68ern durch Ablehnung jeglicher konservativer Elemente der Elterngeneration ein freierer Umgang mit Nacktheit und/oder Sexualität resultierte.
Im Moment haben wir dagegen gesellschaftliche Verhältnisse, in denen sowohl Nacktheit überhaupt wie auch Sexualität ohne strenge Regulierung als verpönt gilt. Wo man sich in den 70ern höchstens einen Tripper holte, kriegt man heute einen eingeschlagenen Schädel oder massive juristische Konsequenzen. Vor die Wahl gestellt wäre ich lieber das eine oder andere Jahrzent frührer dagewesen.
Warum eigentlich eine Trennung zwischen Nacktheit und Sexualität? Warum keine Trennung zwischen Anzgezogensein und Sexualität?
Wo ich mich in textile Bereiche verirre, bzw. durch den Betreiber verirrt werde, sehe ich genau dasselbe wie im Nacktbereich: Eng umschlungene Pärchen, die im Wasser oder auf Liegen miteinander knutschen, Männer in breitbeinigen Angeberposen und Frauen, die ihnen darin an Laszivität nicht nachstehen. (Damit treffe ich keine quantitative Aussage, wie oft es das gibt, sondern nur eine qualitative: nämlich daß es alles gibt.) Auch unter der Wasserlinie dürfte letztlich mit und ohne Textil dasselbe stattfinden. Vielleicht sogar zahlenmäßig mehr dort wo es nicht vermutet wird, wenn man bedenkt, wie sich die nötige finanzielle Potenz im Alter, um sich teure Saunaanlagen leisten zu können, verschiebt von der körperlichen Potenz der Jugend, die sich auf das Hallenbad beschränken muß. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein 20jähriges Pärchen in jedem unbeobachteten Moment übereinander herfällt, ist einfach wesentlich höher als bei einem Ehepaar nach 20 Jahren.
Komischerweise habe ich noch nie erlebt, daß angezogene umschlungene Paare ermahnt werden, schon gar nicht so krankhaft wie in vielen bekannten FKK-Bädern.
Offenbar genügt es, daß über der Wasseroberfläche der Schein gewahrt wird, gewissermaßen der Kotau vor den gesellschaftlichen Normen, damit alles, was darunter stattfindet, geflissentlich ignoriert wird.