Aria hat geschrieben:Hat jemand eine Erklärung, warum bei dieser Bundestagswahl gerade in Thüringen und Sachsen so viele die AfD gewählt haben?
Anscheinend hast du noch nicht mitbekommen, dass Fukuyama mit seinem 1992 erschienenen Titel "Das Ende der Geschichte" gescheitert ist.
Ich vermute mal, dass du ein Anhänger genau dieser These bist, das sich die liberalen Demokratien durchgesetzt oder besser gesiegt haben.
Zur Info:
Fukuyama vertrat die These, dass sich nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der von ihr abhängigen sozialistischen Staaten bald die Prinzipien des Liberalismus in Form von Demokratie und Marktwirtschaft endgültig und überall durchsetzen würden. Die Demokratie habe sich deshalb als Ordnungsmodell durchgesetzt, weil sie das menschliche Bedürfnis nach sozialer Anerkennung relativ gesehen besser befriedige als alle anderen Systeme.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ende_der_Geschichteund dich jetzt wunderst, wieso das nicht alle auch so sehen.
Nun hat sich Fukuyama aber auch zu früh gefreut und feststellen müssen, dass seine These eben ... naja, sagen wir mal zu optimistisch war, oder eben gescheitert ist..
Insofern hat er ein neues Büchlein geschrieben, "Identität: Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet" und darin referiert was so alles passiert ist.
Um jetzt zu verstehen was in Sachsen und Thüringen passiert ist, kann man Fukuyama zitieren, hier in einem Interview mit Precht:
„Viele Menschen, die für populistische Parteien stimmen, fühlen sich nicht anerkannt. Sie glauben, die Eliten hätten ihre Wünsche ignoriert, indem sie die Europäische Union stark machten, ein Einwanderungssystem einführten, das den Charakter ihrer Gesellschaften verändert habe - sie fühlen sich in ihrer nationalen Identität bedroht. Und das ist das grundlegende Thema, das heute viele Menschen zur politischen Rechten treibt.“
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Vor allem anderen, so Fukuyma, sehne sich der Mensch nach Anerkennung und einer greifbaren Identität. In Anlehnung an Platon interpretiert er die Empörung von Trump-Wählern, Pegida-Anhängern oder Brexit-Befürwortern als eine Reaktion auf den Verlust der eigenen Identität. Es sei weniger die soziale Ungleichheit oder der kaltherzige Neoliberalismus, der die Menschen gegeneinander aufbringe, als der Verlust der eigenen Würde, schreibt Fukuyama. Ganze Bevölkerungsschichten fühlten sich von der etablierten Politik nicht beachtet und nahezu „unsichtbar“. Bürgerinnen und Bürger, die um ihren Mittelschichtsstatus fürchteten.
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denn es kann keine Demokratie geben, wenn man nicht definieren kann, wer das Volk ist.
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Ein kapitalistisches Wirtschaftssystem hat noch nie eine gute Gesellschaft hervorgebracht. Es schafft enorme Ungleichheiten, und tatsächlich führt das zunehmende Eigeninteresse dazu, dass sich die Menschen von der Öffentlichkeit abschotten.
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Was ich wahrnehme, ist eine innere Entwicklung der Technologie, die rastlos dazu neigt, etablierte Verhaltensmuster und Gesellschaften zu untergraben, die ihrerseits diese Technologie einholen wollen und ihre liebe Not haben, mit den Entwicklungen Schritt zu halten.
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Ich bedauere das sehr - es wäre eine gute Sache gewesen, wenn man eine europäische Identität entwickelt hätte, die alle Identitäten der Mitgliedstaaten ersetzen würde. Aber bei der kulturellen und politischen Vielfalt der Länder ist das im Moment einfach kein erreichbares Ziel.
https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/ ... a-100.htmlDiese "Sehnsucht nach Anerkennung" wurde nun ja gerade z.B. durch Herrn Wanderwitz eben nicht bedient. Da ist so eine Klatsche wohl unausweichlich.
Naja und die Kapitalismuskritik, die ich schon seit Jahrzehnten betreibe, bleibt offensichtlich auch aktuell. Ob Eisenach (Opel) oder Lauchhammer (Vestas), da stehen Entscheidungen an, die für die Menschen und die Region dramatisch sind.
So wird das nichts.