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Liebe Ossis

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Re: Liebe Ossis

Beitrag von Wäller » Do 22. Dez 2022, 23:42

Tim007 hat geschrieben:Es ist etwas anderes, was tatsächlich oft dazu führt, dass Akademikerkinder Akademiker und HARTZ IV-Kinder HARTZ IV-Bezieher (oder Bürgergeld-Bezieher) werden: die Prägung durch das Elternhaus.

Das mit der "Prägung" ist durchaus richtig. Aber hier muss man dann die Frage stellen, was zuerst da war - die Henne oder das Ei?
Kinder aus einem Haushalt, der schon zum Teil in der 2. Generation auf Sozialhilfe angewiesen ist - wie sollen die denn jemals den Glauben an sich selbst entwickeln, dass die sich durch harte Arbeit eine bessere Zukunft erarbeiten können?
Diese Kinder werden schon in der Grundschule abgehängt. Das ist doch schon wissenschaftlich belegt, dass die Lehrer die Kinder von Anfang an aufgrund ihres Elternhauses in Schubladen einsortieren. Bei einem Kind aus einem armen Elternhaus gehen die Lehrer von Anfang an davon aus, dass dieses Kind es eh nicht aufs Gymnasium schafft und dieses Kind wird dann auch von den Lehrern anders behandelt und benotet.
Am Ende der Grundschule haben die Kinder schon so ein Bildungsdefizit, dass die keine Chance auf eine höhere Schule haben und die ganz wenigen, die es trotzdem schaffen, die bekommen dann auf dem Gymnasium von den Lehrern und den Mitschüler schon vermittelt, dass die da nicht hin gehören. Und wenn die sich gegen alle Widerstände trotzdem durchbeißen, kommen die in Klasse 9 an den Punkt, an dem die auch ein Elternhaus brauchen, das finanziell in der Lage ist, die noch weitere 4 Jahre durchzufüttern. Denn auch, wenn für den Schulbesuch in D-Land keine Gebühr erhoben wird - kostenlos ist der nicht. Hefte, Stifte, Klassenfahrten etc. - das Geld was im Hartz-IV-Satz dafür vorgesehen ist, reicht dafür nicht ansatzweise aus. Und wenn die Eltern selber nicht an sich und ihre Kinder glauben - wo soll denn dann eine positive Prägung herkommen?

Das Ergebnis sind Kinder, die geistig durchaus in der Lage gewesen wären, Abitur zu schaffen, die aber täglich erleben, dass die Gesellschaft und das Bildungssystem das so nicht will.
Und dann diesen Kindern die Schuld zu geben, weil die sich halt nicht richtig angestrengt haben - sorry, aber da gehe ich nicht mit.

 
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Re: Liebe Ossis

Beitrag von Konrad R. » Do 22. Dez 2022, 23:42

Tim007 hat geschrieben:Es stimmt, in den Medien überwiegt die Behauptung, dass die Bildungschancen von dem Elternhaus abhängen.
Das ist zumindest irreführend.

Ich habe als Kind eines Handwerkers in den 1970ern nach einer abgeschlossenen Lehre auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht und anschließend mit BaföG studiert. Eine fachliche Unterstützung meiner Eltern gab es nicht. Während meines Studiums habe ich viele Komilitonen mit gleichem Bildungsweg kennen gelernt.
Geht das heute nicht noch genauso?

 
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Re: Liebe Ossis

Beitrag von norbert » Fr 23. Dez 2022, 00:01

Ich möchte in dieser Diskussion nicht sagen, wer von euch richtig liegt. Aber als ich letztens wieder in einer Zeitung etwas von Fachkräftemangel las, war mein erster Gedanke: Wir haben ein schlechtes Bildungssystem!
Und da ich Kinder und Enkel habe, weiß ich: Schule und Schulbus ist kostenlos.
Schulhort, Bücher, Hefte, ...
kostet.

 

Re: Liebe Ossis

Beitrag von Wäller » Fr 23. Dez 2022, 00:07

@Konrad R.

ich habe, ebenfalls aus einer Handwerkerfamilie, den gleichen Bildungsweg beschritten, aber in den 80/90er Jahren, also ca. 15 Jahre später als Du.
Damals war das noch möglich. Damals war es aber auch noch üblich, dass Kinder am Ende der Grundschule fast alle die Grundkenntnisse im Lesen/Schreiben/Rechnen beherrschen.
Wenn man die aktuellen Bildungsberichte liest, dann kommt man nicht um die Feststellung umhin, dass es mit dem Bildungssystem in den letzten 30 Jahren steil bergab gegangen ist (scheiß Bildungsförderalismus - jedes Bundesland schickt alle paar Jahre eine neuen, eigene Sau durchs Dorf und dann wundert man sich, was dabei rauskommt).

Und bei der ganzen Diskussion bitte nicht vergessen:
Den Niedriglohnsektor, der damals von der SPD durch Hartz IV geschaffen wurde und den die Regierung Merkel dann 16 Jahre lang immer weiter ausgebaut hat - das gab davor nicht. Zu unserer Zeit konnten Menschen mit Arbeit von dieser Arbeit auch leben. Das ist dann genau die Prägung, die @Tim007 angesprochen hat. Ob die Eltern von ihrer Arbeit leben können oder ob es trotz harter Arbeit nicht zum Leben reicht - das prägt die Kinder hinsichtlich ihres Glaubens an ihre eigene Zukunft.

 
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Re: Liebe Ossis

Beitrag von Tim007 » Fr 23. Dez 2022, 19:43

Wäller hat geschrieben:Diese Kinder werden schon in der Grundschule abgehängt. Das ist doch schon wissenschaftlich belegt, dass die Lehrer die Kinder von Anfang an aufgrund ihres Elternhauses in Schubladen einsortieren. Bei einem Kind aus einem armen Elternhaus gehen die Lehrer von Anfang an davon aus, dass dieses Kind es eh nicht aufs Gymnasium schafft und dieses Kind wird dann auch von den Lehrern anders behandelt und benotet.


Und gerade da habe ich meine Zweifel.
Wie viele Klassen hat ein Lehrer? Und der soll bei allen wissen, aus welchem Haushalt sie kommen? Und dann gerade diese Schüler schlechter behandeln? Nein, Wäller. Ich kenne durch einen Zufall mehrere Grundschullehrerinnen (und einen -lehrer). Gerade in einer Problemschule in Gröpelingen, einem der ärmsten Stadtteile, sehen sich die Lehrer mehr als Sozialarbeiter. Einer holt sogar einen Schüler morgens zu Hause ab, damit er auch zum Unterricht kommt. Es ist der Ehrgeiz dieser Lehrer (die ich bewundere), alle intensiv zu fördern. Und wer Rückstände hat, bekommt zusätzlichen Förderunterricht. Diese Klassen haben sogar eine bessere Ausstattung (und weniger Schüler) als Gymnasien.

In einem Punkt ist Dir aber unbedingt beizupflichten: Es ist ein Skandal, dass manche Schüler nach der Grundschulzeit nicht rechnen/lesen/schreiben können. So schlecht kann der frühere Frontalunterricht ohne "Schreiben nach Hören" nicht gewesen sein.

 
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Re: Liebe Ossis

Beitrag von Konrad R. » Fr 23. Dez 2022, 19:59

Dieser Unsinn wurde ja schnell wieder abgeschafft. Hier ein interessanter Artikel zum Thema:
https://www.focus.de/familie/eltern/exp ... 42876.html
Man beachte die Ländervergleiche. Woran liegen die eklatanten Unterschiede?

 

Re: Liebe Ossis

Beitrag von Wäller » Fr 23. Dez 2022, 20:41

Konrad R. hat geschrieben:Man beachte die Ländervergleiche. Woran liegen die eklatanten Unterschiede?

Am Bildungsförderalismus?

 

Re: Liebe Ossis

Beitrag von Wäller » Fr 23. Dez 2022, 20:53

Tim007 hat geschrieben:Und gerade da habe ich meine Zweifel.

Deine Zweifel in Ehren. Für mich ist diesbzgl. aber eines auffällig:
Alle Studien, die zu diesem Thema veröffentlicht werden und auch alle Zeitungsberichte und TV-Dokus (nein, ich schaue so etwas nicht auf RTL/Sat1/Pro7), die sich mit dem Thema beschäftigen, gehen in die von mir genannte Richtung. Nun kann man natürlich sagen, die Studien wurden von interessierten Kreisen mit dem entsprechenden Ergebnis bestellt und TV-Dokus sind ohnehin nicht neutral. Allerdings bedeutet diese ganzen Berichte immer eine ganz gewaltige Ohrfeige für das deutsche Bildungssystem und die Ergebnisse können der Politik daher nicht gefallen. Wenn diese ganzen Studien falsch wären, dann sollte es ja für die Politik möglich sein, Gegenstudien zu bestellen, die das alles in ein ganz anderes Licht rücken. Dass solche Gegenstudien halt nicht kommen, ist für mich der Beweis, dass die veröffentlichten Studien und entsprechende Berichte dazu vom Grundsatz her zutreffen.
Sorry, Tim, aber erwarte jetzt bitte nicht von mir, dass ich Deine persönliche Erfahrung höher gewichte, als alle Studien und Berichte zu dem Thema, die in den letzten Jahren dazu gesehen habe.

 
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Re: Liebe Ossis

Beitrag von Konrad R. » Fr 23. Dez 2022, 22:16

Wäller hat geschrieben:
Konrad R. hat geschrieben:Man beachte die Ländervergleiche. Woran liegen die eklatanten Unterschiede?

Am Bildungsförderalismus?

Der hier doch sehr aufschlussreiche Erkenntnisse bietet. Warum stehen Sachsen und Bayern am besten da? Offenbar machen die einiges besser als andere, z.B. nicht ständig zweifelhafte Neuerungen. I.ü. machen die Sachsen nach 8 Jahren im Vergleich auch erfolgreich das Abitur. In anderen Bundesländern war das den Schülern nicht zumutbar. Sind die dort dümmer? Wünschenswert wäre natürlich eine Vereinheitlichung des Bildungssystems. Aber das alle "fortschrittlichen" Kultusminister bereit sind, das Bewährteste zu übernehmen, wage ich zu bezweifeln.

 
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Re: Liebe Ossis

Beitrag von Tim007 » Fr 23. Dez 2022, 22:35

Wäller hat geschrieben:Sorry, Tim, aber erwarte jetzt bitte nicht von mir, dass ich Deine persönliche Erfahrung höher gewichte, als alle Studien und Berichte zu dem Thema, die in den letzten Jahren dazu gesehen habe.


Nichts liegt mir ferner, Wäller.
Vielleicht liegt es an meinem Job, Statistiken und Studien von Experten (ein ungeschützter Begriff) zu hinterfragen.

Ich sehe nur, dass man in Deutschland kostenlos zur Schule gehen und mit BAFöG studieren kann. Jeder. Ich glaube auch nicht daran, dass "Schichten" eine nennenswerte Rolle in Deutschland spielen (im Gegensatz zu GB).

Ein anderes Beispiel: Die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Ein Skandal. Bis man dahinter kommt, dass es relativ selten ist, dass gleiche Arbeit unterschiedlich honoriert wird. Vielmehr liegt das vornehmlich daran, dass Frauen öfter in sozialen Berufen, und dann auch noch in Teilzeit, arbeiten. Aber das nur am Rande, da wir das Thema "Liebe Ossis" bereits jetzt überstrapazieren. :-)

Auf jeden Fall ein großes Dankeschön für die spannende, gesittete Diskussion.

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