Nachdem im alten Forum immer wieder über das für und Wider Schutzimpfungen thematisiert wurde und dieses Thema auch im neuen Forum wieder entflammt ist
http://www.fkk-freunde.info/viewtopic.php?f=2&t=2496&p=6834#p6834
erscheint es m.E. sinnvoll dieser Thematik in einem eigenen Thread zu diskutieren, um zu verhindern, dass sich das Thema in allen möglichen Themenbereichen verliert.
Schutzimpfungen gegen Infektionskrankheiten viraler und bakterieller Herkunft werden seit Ende des 18. Jh. angeboten. Erklärtes Ziel der WHO (Weltgesundheitsorganisation) und der Gesundheitsorganisationen in allen Ländern der Welt ist es, die gefährlichsten Infektionskrankheiten u.a. durch entsprechende Impfempfehlungen und Impfprogramme auszurotten. In Deutschland ist damit das Robert Koch Institut mit der Ständigen Impfkommission (STIKO) betraut. Die wichtigsten Schutzimpfungen:
Pocken:
Durch weltweite Impfaktionen, führend durch die WHO gelten die Pocken seit 1980 als ausgerottet. Aus diesem Grund wird eine Schutzimpfung auch nicht mehr angeboten. Die letzten Erkrankungen wurden 1977 in Somalia bekannt. Erprobte Alternativen zur Schutzimpfung gegen Pocken gibt es nicht. Je nach Pockenstamm verläuft die Erkrankung bis 90 Prozent tödlich.
Poliomyelitis (Polio, Kinderlähmung):
Die Erkrankung führt bei Lähmung in 5 -10 Prozent zum Tod. Eine Alternative zur Schutzimpfung gibt es nicht. Allerdings gilt die Polio in den Industrienationen seit etwa 1988 als weitestgehend ausgerottet. Lediglich in Afghanistan, Nigeria und Pakistan tritt die Erkrankung heute noch gehäuft auf. Es sind aber auch Fälle aus der Türkei und s.g. Entwicklungsländern bekannt. In Deutschland erkrankte 1992 ein Mensch an Polio. Andere, noch später genannte Fälle erwiesen sich entweder als falsch oder als eine aus einem Krisengebiet eingeschleppte Polio.
Die WHO und die STIKO empfehlen gerade im Hinblick auf die vermehrte „Reisefreudigkeit“ und der zunehmenden Völkerbewegungen eine Grundimmunisierung gegen Polio in Form von drei Impfungen im zweiten bis vierten Lebensmonat und eine Auffrischimpfung im Alter von 11-14 Jahren. Die früher empfohlene Auffrischimpfung im Jugend- und Erwachsenenalter alle zehn Jahre gilt nur noch für Personen mit einem erhöhten Infektionsrisiko (z.B. bei Reisen in Krisengebieten, Entwicklungshelfer in exponierten Ländern).
Masern, Mumps, Röteln, Tetanus, Diphtherie, Hepatitis B, evtl. Pertussis (Keuchhusten):
Schutzimpfungen, die ich für erforderlich halte. Wer sich einmal vor Augen führt, welche Folgen diese Erkranken haben können… Dies möchte ich meinen Kindern und mir selbst nicht antun.
Beispiel Masern: Die Erkrankung führt nicht selten zur Hirn- oder Hirnhautentzündung mit schwersten Hirnschädigungen oder sogar Tod.
Die WHO hat es sich zur Aufgabe gemacht, Masern wie ehemals die Pocken weltweit auszurotten. In Nord- und Südamerika ist dies teils durch gesetzlich verpflichtete Schutzimpfungen fast gelungen. Lt. WHO gab es dort im Jahr 2013 lediglich 294 gemeldete Fälle, in Europa hingegen 26396.
Hib (Haemophilus influenzae Typ b), Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Varizellen, Influenza (Grippe), HPV:
Von der WHO und der STIKO empfohlene Schutzimpfungen. Hier sollte jeder gemeinsam mit seinem Haus- bzw. Kinderarzt entscheiden, ob und welche von diesen Schutzimpfungen im Einzelfall sinnvoll sind.
Impfrisiken am Beispiel Polio-Schutzimpfung:
Da insbesondere im Kreise von Impfgegnern immer wieder über (angebliche) Impfschäden als Folge von Polio-Schutzimpfungen diskutiert wird, möchte ich hier einmal etwas ein wenig richtig stellen:
Bei der 1962 in zunächst in Bayern eingefürten Schluckimpfung wurde ein s.g. Lebendimpfstoff eingesetzt. Dabei handelte es sich um abgeschwächte, aber lebende Polioviren. Vorausgegangen war 1961 in Deutschland eine Polioepidemie mit 4.600 Erkrankten, über 3.300 Gelähmten und 272 Toten. Die in den Schulen und Kinderarztpraxen konsequent durchgeführten Impfaktionen zeigten eine durchschlagende Wirkung. Die Anzahl der Polioerkrankungen gingen schlagartig auf ein Minimum zurück.
Die Impfung mit dem Lebendimpfstoff zeigte aber auch Nachteile. So kam es infolge der Schluckimpfung vereinzelt dazu, dass geimpfte Kinder an Polio erkrankten (von den ersten 6 Millionen 204 Erkrankte). Die Zahl dieser s.g. „Impfschäden“ ging aber infolge der Weiterentwicklung des Impfstoffes kontinuierlich zurück.
Nicht vergessen aber darf in diesem Zusammenhang, dass die Polioerkrankungen infolge der Impfaktionen um ca. 95 Prozent zurückgingen.
Ein weiterer Nachteil des Lebendimpfstoffs ist die Tatsache, dass nicht geimpfte Familienangehörige, insbesondere Säuglinge und Kleinkinder sich von frisch geimpften Familienangehörigen anstecken können, weil ein Teil der lebenden Polioviren ausgeschieden werden.
Aus diesen Gründen wird seit 1988 in den Industrienationen nur noch mit einem inaktivierten Totimpfstoff geimpft. Dabei handelt es sich um abgetötete Polio-Viren, die eine Polio nicht mehr auslösen können. Aus Kostengründen und einer einfacheren Anwendung wird der Lebendimpfstoff als Schluckimpfung immer noch in Ländern der Dritten Welt angewendet. Dies geschieht aber auch wegen der besseren Wirksamkeit des aktiven Impfstoffes gegen die Wildform des Poliovirus.
Impfgegner:
Das sind in meinen Augen Spinner bzw. Leute, die mit der Angst von Menschen ihr Geld verdienen. Sie argumentieren mit möglichen Nebenwirkungen (Impfschäden) und Fällen, die entweder Jahrzehnte zurückliegen und auf die Anwendung schon lange nicht mehr angewendeter Impfseren beruhen oder auf fiktiver, nicht nachvollziehbarer Fälle. Die Zahl von Impfschäden liegt heute im völlig vernachlässigbaren Bereich und steht ganz und gar nicht im Verhältnis zu den möglichen Folgen bei der Aufgabe eines jeden Impfprogramms. Klar, ein minimalstes Risiko bleibt immer. Auch die Einnahme einer Aspirin oder Paracetamoltablette kann tödlich sein.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es ca. 20 teils promovierte Impfgegner, die in Publikationen teils haarsträubende „Impfmärchen“ verbreiten und im Kreise von der Schulmedizin enttäuschten Patienten regen Zuspruch finden. Zu diesem Kreis gehört auch der von Zett im „Schuppenflechte-Thread“ genannte Gerhard Buchwald. Der 2009 verstorbene Arzt war ein geradezu fanatischer Impfkritiker. Er behauptete allen Ernstes, dass Impfungen nicht nur wirkungslos sondern schädlich seien und u.a. Gewalt und Kriminalität eine typische Folgeerscheinung von Impfungen darstellen. Zudem würden Impfungen zu Intelligenzverlust führen. Geht’s noch?
Um es auf den Punkt zu bringen: Buchwald und andere erklärte Impfgegner haben nur eines im Sinn: Geld mit der Angst gutgläubiger Menschen zu verdienen. Und dabei gehen sie buchstäblich über Leichen.
Ein Beispiel aus meiner Heimatstadt: Da gab es einen niedergelassenen, anthroposophisch orientierten Arzt (Allgemeinmediziner) und erklärten Impfgegner, der sich der Kinderheilkunde verschrieben hatte. Schutzimpfungen? Um Gottes Willen nein! Er fand es einfach sinnvoller, wenn Kinder alle erdenklichen Krankheiten im Kindesalter einmal durchleben und sich damit eine Immunität verschaffen. So lagen dann auch in seiner Praxis immer wieder Infoblätter bzw. Einladungen zu s.g. „Masernpartys“ aus. Da kam es dann zu Verabredungen von Eltern mit gesunden Kindern und Eltern mit einem an Masern erkrankten Kind einzig mit dem Ziel, dass sich die gesunden Kinder infizieren und anschließend die Masern auf „natürliche“ Art zu Hause auskurieren. Infolge einer auf diese Weise mit dem Masernvirus infizierten Kindes kam es in den 1990er Jahren schließlich zu einem Todesfall.
Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik. Mich ärgert es z.B. sehr, dass auch heute noch viele Kinderärzte und Allgemeinmediziner teils unsinnige Impfungen ihren Patienten empfehlen, obwohl sie doch eigentlich über ihre Standesvertretungen und auch von Seiten der STIKO ständig über aktuell notwendige Impfungen informiert werden. Auch der ständig aktualisierte Impfkalender scheint nicht wenigen Ärzten unbekannt:
http://www.rki.de/DE/Content/Kommission ... cationFile
So drängen auch heute noch viele Ärzte ihre jugendlichen und erwachsenen Patienten zu einer Polio-Auffrischimpfung, weil die letzte bereits zehn Jahre zurück liegt. Dabei ist diese bei erfolgter kompletter Grundimmunisierung im Kindesalter heute vollkommen überflüssig und ist vom Robert Koch Institut bereits vor rund zehn Jahren aus dem Impfkalender gestrichen worden.
Zudem sind nicht wenige Ärzte mit dem Impfschema der verschiedenen Schutzimpfungen nicht vertraut und impfen nach eigenem Gutdünken. Hier besteht dringender Informationsbedarf!
Hier mal ein paar interessante Zahlen, die den Nutzen von Schutzimpfungen deutlich machen (Quelle: Wikipedia, auf die Schnelle nur amerikanische Zahlen):
So, dies zu schreiben war mir irgendwie ein Bedürfnis.
Jetzt darf und sollte gern über das Für und Wider von Schutzimpfungen diskutiert werden. Aber bitte keine Verschwörungstheorien!