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Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von Aria » Do 23. Jul 2020, 20:58

guenni hat geschrieben:es wäre schlimm, wenn einige der maßstab für das ganze sind.
Es passiert aber genau das. Nur weil einige laut (digital) schreien, kuschen die Verantwortlichen in den Sendeanstalten und in den Streaming Diensten.

Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, auf den Thread Amerikanische Filme zensiert hinzuweisen, weil es mit den amerikanischen Streaming Diensten eine neue Qualität in der Beeinflussung der deutschen bzw. der ganzen Nicht-US-Amerikanischen Bevölkerung gibt: Während es früher ja nach dem Staat oder Region mehrere Versionen eines Films gab (für Europa gab es freizügigere), wird jetzt anscheinend nur noch die amerikanische Version (in verschiedenen Sprachen) weltweit ausgestrahlt, die in der Regel prüder ist als zum Beispiel die für den europäischen Markt. Die „Originalversion“ gibt es nur noch auf DVDs – solange Vorrat reicht.

Interessant auch die Rechtfertigung für solche Eingriffe: Man wolle sicherstellen, dass die Sender die Erwartungen des Publikums einhalten/erfüllen. Mit anderen Worten: Weil sich der Zeitgeist, d.h. die Erwartung des Publikums geändert hat, betreibt man Selbstzensur, um eben diesem Publikum (weiter) zu gefallen. Was sich dann gegenseitig hochschaukelt und damit verstärkt.

Bei #metoo war mir das zum ersten Mal aufgefallen, aber jetzt droht dieses Schicksal allen Inhalten, die nach Meinung dieser Schreihälse nicht politisch korrekt sind.

Zitat aus einem Kommentar zu einem ähnlichen Fall in Großbritannien:

Doch wenn man sich stets nur nach den Erwartungen des Publikums richtet, verkommt man zum Diener der Masse. Wenn man nur das zeigt, was kollektiv anerkannt wird, dann ist ein kritisches Hinterfragen und Reflektieren von Gesellschaft nicht mehr möglich. Denn dann bleibt ein geschlossenes Weltbild stets geschlossen, da alles, was von außen herangetragen werden könnte (alternative Ideen, Weltentwürfe, Arten des Denkens, Argumentationsstrukturen), logischerweise nicht den (bereits bestehenden) Erwartungen entsprechen kann.
(…)
Was die BBC nun effektiv mitteilt, ist: „Kunst darf alles, nur nicht bei uns.“ Wenn bereits mehrere Plattformen sich einem solch freiheitlichen Kunstbegriff nicht mehr anschließen wollen, weil sie Angst vor dem digitalen Mob haben und zusätzlich den Menschen die Möglichkeit genommen wird, kulturelle Erzeugnisse für das Heimkino zu erwerben, dann verschwindet mit der Zeit ein zentraler Teil dessen, was die viel beschworenen „westlichen Werte“ ausgemacht hat: Das Recht und die Freiheit, sich künstlerisch (wie auch mit Blick auf Meinungsäußerungen) nicht beschränken zu müssen.

 

Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von guenni » Do 23. Jul 2020, 21:41

und was hat das alles mit dem thema eltern und staat in deutschland, auf den sich mein von dir zitierter beitrag bezog, zu tun?

 
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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von Tim007 » Do 23. Jul 2020, 21:56

HaJo hat geschrieben:Schön, dass diese Eltern sich nicht haben entmündigen lassen.


Ich finde diese Haltung vorbildlich.

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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von Aria » Do 23. Jul 2020, 23:00

guenni hat geschrieben:und was hat das alles mit dem thema eltern und staat in deutschland, auf den sich mein von dir zitierter beitrag bezog, zu tun?
Ich habe es gesagt, was aber du nicht zitiert hast: In dem einen Fall wird nach dem Staat gerufen, in dem anderen aber auf das Elternrecht gepocht. Wenn man wirklich für die größtmögliche Freiheit des Einzelnen wäre, dann müsste man in beiden Fällen dafür plädieren, dass sich der Staat aus allen privaten Dingen rauszuhalten hat. Und die Erziehung der Kinder ist privat, da kann es keinen Zweifel geben. Nur wenn diese nachweislich in Einzelfällen versagt, sollte der Staat tätig werden, um den Schaden für die ganze Gesellschaft klein zu halten.

Es aber leider so, dass es nur einige sind, die das Spiel bestimmen – hier wie in der ganzen Gesellschaft. Die sog. schweigende Mehrheit stimmt gern mit jenen, die für mehr Sicherheit, mehr Kontrolle, mehr Zensur sind. Aus den Augen, aus dem Sinn. Der Kommentator, den ich oben zitierte, sagt es ganz richtig – Zitat:

Wenn Gegebenheiten wie von einigen als rassistisch wahrgenommene mediale Darstellungen aus der kulturellen Rotation verschwinden, wird man weniger damit konfrontiert, muss sich nicht mehr damit auseinandersetzen und erhält so den fehlgeleiteten Eindruck, tatsächlich etwas getan zu haben. Das Problem ist nicht mehr sichtbar, also ist es auch nicht mehr da.

Das gilt auch für andere Inhalte der medialen Darstellungen, die bei einigen den Anstoß erregen. Das waren und sind Kennzeichen einer scheinheiligen Gesellschaft, die leider wieder im Kommen ist. Das sehe in diesem Forum anscheinend nur ich, die anderen aber, und dazu gehörst auch du, sehen das anders.

Das ist okay so, denn das Schöne dabei ist, dass es noch möglich ist, kontrovers zu diskutieren, wenn auch ich z.B. das argumentum ad hominem, das du in dieser Diskussion mir gegenüber benutzt hast, oder so hinterfotzige Bemerkungen wie
Tim007 hat geschrieben:Eben hat sich die Bundesfamilienministerin geäußert: Das beste Mittel gegen Kinderarmut sei es, wenn beide Elternteile berufstätig seien.
guenni hat geschrieben:eine interessante äußerung, wo wurde die familienministerin sozialisiert?

als der Sache wenig dienlich ansehe.

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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von HTJ » Fr 24. Jul 2020, 09:36

@ Aria
Ich finde es gut, daß mit dem Querverweis auf die zensierten amerikanischen Filme wieder über den gesellschaftliche Wandel in Bezug auf Nacktheit diskutiert wird. Es zeigt sich,daß selbst innerhalb der amerikanischen Gesellschaft ein Wandel zu noch mehr Prüderie festzustellen ist.
Oft ist es ja so, wenn man lange nicht an einen Platz war, und wieder dort hin kommt, stellt man fest, daß sich etwas verändert hat. Bei mir war es so, daß ich aus gesundheitlichen Grüden in den letzten 20 Jahren kaum Sauna und andere "Nacktivitäten" machen konnte. Als ich dann plötzlich eien Artikel in der Zeitung gelesen habe, in dem stand: FKK geht zurückt, habe ich gedacht: "Hä, wie jetzt, ich dachte wir sind eine total offene Gesellschaft". Dies war für mich der Anlaß, mich in diesen Forum anzumelden und mich mit den Hintergründen in Bezug auf Nacktheit zu befassen.
Ich muß dich noch mal zitieren:
Aria hat geschrieben:
Campingliesel hat geschrieben:Aria geht mit diesem Schema, daß KInder immer das Gegenteil von den Eltern machen, wohl zu sehr von ihrer eigenen Situation aus.
Du bist unverbesserlich, denn ich habe dir schon gestern gesagt, dass dieses „immer“ nicht von mir stammt. Und hier dichtest du dieses „immer“ abermals dazu. Etwas zu übertreiben, ist ein beliebtes Mittel, um überhaupt gegen dieses Etwas argumentieren zu können.

Gehe in dich und lese Wikipedia-Artikel. Aber bitte nicht nur die über FKK, sondern auch die über die Nacktheit, Sittengeschichte, Christentum, Zeitgeist und die verschiedenen Epochen in der Kulturgeschichte der Menschheit. Auch etwas über die Kunst zu lesen und über die Versuche, sie zu unterdrücken oder zu beschneiden, wäre nützlich. Warum? Weil alles mit allem zusammenhängt. Das kann man aber nur erkennen, wenn man eine gute Allgemeinbildung hat, sprich Zusammenhänge auch dort erkennen kann, wo das nicht offensichtlich ist.

Du hast bestimmt viele Kenntnisse über die historischen Hintergründe. Aber diese Kenntnisse sagen ja nur, daß sich die Phasen unterschiedlicher Einstellung abgewechselt haben. Es sagt aber nichts zu den Ursachen aus. Ich muß noch einmal zu den Wikipedia-Artikel über den kulturellen Wandel kommen. Da du ja daraus zitiert hast, hast du mir ja indirekt recht gegeben. Für mich sind die folgenden Aussagen daraus am wichtigsten:
Da sich jede Gesellschaft zwangsläufig den Veränderungen ihrer natürlichen Umwelt anpassen muß, folgt daraus bereits oftmals eine Notwendigkeit zum kulturellen Wandel...
In modernen Industriegesellschaften ist ein offensichtlich entscheidenter Antrieb für einen beschleunigten Kulturwandel der technologische Fortschritt.

Ich habe an keiner Stelle gelesen: Ein kultureller Wandel findet statt, weil die junge Gereration allles anders macht als ihre Eltern.
Alles hat seine Ursache. Du hast ja gefragt, wie der Aufschwung von FKK in den 70er Jahren zu erklären ist. Wie du schon öfters gesagt hast, ist Nacktheit nicht von der Sexualität zu trennen. Die Entdeckung von Antibiotika und der Pille hat die Sexualität befreit. Auch wenn es meist nicht die selben Leute waren, die freie Liebe einerseits und FKK andererseits betrieben haben, die Befreiung der Sexualität hat ein gesellschaftliches Klima geschaffen, die auch die Einstellung zu Nacktheit verändert hat.
P.S Um Missverständnissen zu vermeiden: Mit Befeiung der Sexualität meine ich z.B. Sex vor der Ehe und andere Dinge, keine sexuellen Handlungen am FKK-Strand. Nicht daß mich Eule wieder aus dem Forum werfen will.

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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von Bummler » Fr 24. Jul 2020, 09:41

Tim007 hat geschrieben:Und wenn Eltern der Auffassung sind, dass der Vater oder die Mutter kürzertreten, um in den ersten Lebensjahren für ihr Kind da zu sein, dann hat sogar eine Frau Geffey oder ein Bummler oder ein Tim007 das hinzunehmen.


Natürlich, aber nur wenn Art.3 GG(2)
Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

auch beachtet wird. Und da hapert es in der Realität gewaltig Das kannst du nicht wissen oder es sogar gut finden, aus deiner Erfahrung heraus. Aber aus meiner Erfahrung ist eben die Berufstätigkeit der Frau das entscheidende Kriterium für deren Gleichberechtigung. Und diese darf nicht nur möglich sein, sondern muss gewährleistet sein, sonst funktioniert das nicht. Sonst wird die Unterdrückung der Frau zementiert und ihre Rolle auf Familie und Herd reduziert.

Da kann man noch so leutselig liberal agitieren, es ist eine systemische Schwäche, dass Frauen in dieser Gesellschaft seit über einhundert Jahren immer noch benachteiligt sind. Da fragt man sich wo der Fortschritt geblieben ist, wie das sein kann. Also ich frage mich das jedenfalls, weil ja Sachen, die für uns selbstverständlich waren, nun nicht mehr selbstverständlich sind.

Aria hat geschrieben:Das waren und sind Kennzeichen einer scheinheiligen Gesellschaft, die leider wieder im Kommen ist.


Das sehe ich ganz genau so.

Nur bei den Ursachen liegen wir noch fundamental weit auseinander.

:mrgreen:

 
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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von Tim007 » Fr 24. Jul 2020, 13:08

Bummler hat geschrieben:Aber aus meiner Erfahrung ist eben die Berufstätigkeit der Frau das entscheidende Kriterium für deren Gleichberechtigung.


Sicher, wirtschaftliche Abhängigkeit ist problematisch.
Mit Gleichberechtigung hat das jedoch nur bedingt etwas zu tun, sondern vielmehr mit Gewichtung.

Letztlich ist es schon richtig. Berufstätigkeit und Kindererziehung unter einen Hut zu bekommen, kann ganz schön schwierig sein. Respekt vor der Leistung insbesonderen Alleinerziehender.

Trotzdem ist es nicht Aufgabe des Staates im Allgemeinen und gar des Familienministeriums im Besonderen, Berufstätigkeit als wichtiger anzusehen als die persönliche Betreuung eines Kindes.

Das ist auch eine Frage der Wertschätzung. Wer zugunsten der Betreuung auf eine berufliche Karriere verzichtet, wird oft sogar als rückständig beschimpft. Manchmal wird sogar das "Mutterkreuz" bemüht. Und das darf nicht sein.

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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von Aria » Fr 24. Jul 2020, 17:24

HTJ hat geschrieben:Ich habe an keiner Stelle gelesen: Ein kultureller Wandel findet statt, weil die junge Gereration allles anders macht als ihre Eltern.
Auch du verwendest den generalisierenden Begriff: Alles. Daher noch einmal: Ich habe weder „immer“ gesagt, wie Campingliesel mir unterstellte, noch „alles“, wie du es jetzt getan hast.

Es gibt nicht die Ursache für gesellschaftlichen Veränderungen, sondern deren viele. Eine davon ist das Bestreben der Jugend, sich von Älteren zu unterscheiden. Das gängigste Merkmal ist die Aussage: Meine Eltern verstehen mich nicht. Oder: Ich verstehe die heutige Jugend nicht. Das geht so seit es Tontafeln gibt: 5000 Jahre Kritik an Jugendlichen – Zitate:

„Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“ (Keller, 1989, ca. 3000 v. Chr., Tontafel der Sumerer).

„Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe“ (Keilschrifttext, Chaldäa, um 2000 v. Chr.)

„Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“ (Watzlawick, 1992, ca. 1000 v. Chr., Babylonische Tontafel).

„Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer“ (Sokrates, 470-399 v.Chr.)

„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. (Sokrates, 470-399 v.Chr.)

„[…] die Schüler achten Lehrer und Erzieher gering. Überhaupt, die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat“ (Platon, 427-347 v. Chr.)

„[…] auf ihrem Höhepunkt kennt die Jugend nur die Verschwendung, ist leidenschaftlich dem Tanze ergeben und bedarf somit wirklich eines Zügels. Wer nicht dieses Alter nachdrücklich unter seiner Aufsicht hält, gibt unmerklich der Torheit die beste Gelegenheit zu bösen Streichen […] Unmäßigkeit im Essen, sich vergreifen am Geld des Vaters, Würfelspiel, Schmausereien, Saufgelage, Liebeshändel mit jungen Mädchen, Schändung verheirateter Frauen“ Als Gegenmaßnahme wird empfohlen „Hoffnung auf Ehre und Furcht vor Strafe […]. Diejenigen aber, die gegen alle tadelnden Vorstellungen taub sind, muß man durch das Joch der Ehe zu fesseln versuchen“ (Plutarch, ca. 45-125 n.Chr.)

„Die Welt macht schlimme Zeiten durch. Die jungen Leute von heute denken an nichts anderes als an sich selbst. Sie haben keine Ehrfurcht vor ihren Eltern oder dem Alter. Sie sind ungeduldig und unbeherrscht. Sie reden so, als wüßten sie alles, und was wir für weise halten, empfinden sie als Torheit. Und was die Mädchen betrifft, sie sind unbescheiden und unweiblich in ihrer Ausdrucksweise, ihrem Benehmen und ihrer Kleidung“ (Mönch Peter, 1274)

„Der grenzenlose Mutwille der Jugend ist ein Zeichen, daß der Weltuntergang nah bevorsteht“ (nach Melanchton, um 1530)

„Immer wieder wird die Wirksamkeit der Volksschule bei dem zunehmenden Sittenverfall diskutiert oder die immer lauter werdenden Klagen über die zunehmende Rohheit und Verwilderung unserer Jugend, besonders der erwachsenen Dorfjugend, erörtert“ (Allgemeine Schulzeitung, Darmstadt 1826)


Seit es schriftliche Quellen gibt, ist diese Kritik an der Jugend eine Konstante. Und du sagst, zwischen all den ähnlichen Aussagen haben sich die Technik bzw. die Umweltbedingungen so geändert, dass die Jugend quasi gezwungen war, einen neuen Zeitgeist zu entwickeln? Das glaubst du wohl selber nicht. Oder nicht mehr?

Ab und zu hat natürlich auch Technik dazu beigetragen, dass sich etwas in der Gesellschaft verändert hat, aber dies kann man kaum für Ethik und Moral gelten lassen. Dass Autos die Luft verpesten, weiß man schon seit langem. Man hat dem mit bleifreiem Benzin halbherzig beizukommen versucht, weil man die Mobilität höher einschätzte als durch sie verursachte Schäden an der Umwelt. Aber inzwischen ist eine Jugend herangewachsen, die Schluss mit dieser Halbherzigkeit macht und bewusst auf Autos verzichtet bzw. Druck macht, Elektroautos allgemein verfügbar zu machen. Auch das hat nichts mit der Technik zu tun, denn Elektroautos hat man schon vor 150 Jahres bauen können und auch gebaut. Doch damals war die Zeit dafür noch nicht reif.

In Wikipedia steht unter dem Begriff Jugendkultur u.a. Folgendes – Zitat:

Die Inhalte einer Jugendkultur stehen meistens dem Mainstream der Erwachsenenwelt oder konkret der Elterngeneration und auch angepasster Peers entgegen oder ironisieren diese.
(…)
Verschiedene Jugendliche zeigen – je nach psychischer Disposition und sozialem Niveau – eine unterschiedlich stark ausgeprägte Affinität zu ihrer Jugendkultur.
(…)
Die mit der Identifikation mit einer Jugendkultur verbundenen Vorgänge sind nur von Fall zu Fall zu erfassen und allgemein und umfassend nicht erklärbar. Zum Einen liegen oft simple psychologische Motivationen, wie die Steigerung der eigenen Attraktivität zum Zweck der beginnenden Partnersuche oder die Lösung vom Elternhaus, die Demonstration des „Erwachsenseins“, vor.
(…)
Oft sucht man Ursachen für die Entstehung einer Jugendkultur auch in einer Orientierungsphase der Jugendlichen, in der bestehende Werte neu überprüft und beurteilt werden.

 
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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von Campingliesel » Fr 24. Jul 2020, 21:05

@ Aria:

Dein letzter Satz sagt es ja eigentlich ganz genau, wo die Ursachen liegen. Und daraus entsteht einfach scheinbar für die Erwachsenen ein Verhalten der Jugend, das nicht ohne Grund als das 2. Trotzalter bezeichnet wird.
Ich denke schon, daß das zu allen Zeiten so gewesen sein kann. Und dabei geht es nicht grundsätzlich einfach darum, nur das Gegenteil von dem zu machen, was die Eltern machten, sondern einfach seinen eigenen Weg zu suchen. Und wenn diese Phase der Pubertät vorbei ist, kann es durchaus sein, daß die erwachsen gewordenen Kinder gar nicht immer so weit weg von dem sein müssen, was die Eltern ihnen vorgelebt haben. Manchmal leider bei negativen Dingen, oft aber auch zum Glück bei positiven Dingen.
In der Pubertät waren sie zwar vielleicht bockig und haben sich über alles Mögliche aufgeregt und wußten alles besser, aber so furchtbar weit sind sie mit ihren neuen Ideen auch nicht immer gekommen, falls sie überhaupt welche hatten.
Es gibt genug Erwachsene, die sich über ihre eigene Pubertät nur noch amüsieren können, was sie damals so alles angestellt hatten und welche Ideen in ihren Köpfen herumgespukt sind.

 
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Re: Dokumente des Gesellschaftlichen Wandels II

Beitrag von Kartunger » Di 11. Aug 2020, 23:27

lesenswerter Artikel im Spiegel online:

"Nicht kiffen, kein Sex - und immer schön die Außenspiegel einklappen

Irgendwas stimmt nicht mit der neuen Generation. Plötzlich erklären mir Mittzwanziger, wie ich mich im öffentlichen Raum zu verhalten habe. Ich mag ja alt sein - aber wenigstens bin ich nicht frühvergreist."

https://www.spiegel.de/familie/alter-di ... c0e591278#

Grüße
Kartunger

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