Ralf-abc hat geschrieben:Das Land wurde zwischen einigen Oligarchen aufgeteilt, die Russland ausgeplündert und gigantische Reichtümer angehäuft haben. Eine kleine Mittelschicht ist auch entstanden, aber der große Teil der Bevölkerung blieb arm. Das war dann die wirtschaftliche Situation, durch die Putin an die Macht kommen konnte (das Putin inzwischen selbst Milliardär ist, wird in Russland nicht weiter thematisiert).
Das ist wahr – deswegen sehen die meisten Russen in Putin den Retter, vielleicht auch den Zar, obwohl die Russlands Wirtschaft weiterhin marode ist – man lebt nach wie vor vom Energieexport –, aber immerhin muss kaum jemand noch hungern wie zu Jelzins Zeiten.
Aber was für die Russen noch mehr zählt, sind die Machtdemonstrationen in der Außenpolitik, die an die „glorreiche“ Sowjetzeiten erinnern. Darauf sind sie stolz und dieser Stolz lässt sie Entbehrungen des Alltags vergessen.
Außerdem haben Russen keine oder nur schlechte Erfahrungen in Sachen Demokratie, weil sie zuletzt 70 Jahren in einem totalitären Staat gelebt haben und davor lange Jahrhunderte in einer ebenso brutalen Diktatur des Zaren.
Und hier sehe ich Parallelen zu Ostdeutschland, wo die (schlechte) Demokratieerfahrung auch sehr kurz war: Die Weimarer Demokratie, danach Nazi-, danach SED-Diktatur. Danach kam die Wende mit dem Abbau der Industrie und der damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen.
Dass die Vollbeschäftigung in der DDR ihren Preis in der Verrottung der Industrieanlagen hatte, das sehen die Menschen nicht, denn sie hatten Arbeit und Auskommen, alles andere interessierte nicht. In diesem Punkt sind sich alle Menschen – im Osten wie im Westen – gleich.
Im Osten dachte offensichtlich keiner an Morgen, denn das verdiente Geld wurde fast gänzlich für die Gehälter ausgegeben, so dass es für die Investitionen und Modernisierungen fehlte. Das gleiche geschah mit der Infrastruktur: Durch Mieten, die nicht einmal für die Erhaltung der Bausubstanz reichten, verfielen die Städte. Der Telefonnetzt wurde aus politischen Gründen klein gehalten, was enorme Verzögerungen im Wirtschaftsleben mit sich brachte.
Aber das war egal, Hauptsache die Menschen waren ruhig, weil die Hauptbedürfnisse – Arbeit, Essen und Wohnen – sichergestellt waren. Man könnte auch sagen: Sie wurden ruhiggestellt.
Dann kam die Wiedervereinigung – bedingt durch die Entwicklungen in Russland – und alles wurde anders. Und jetzt, 30 Jahre danach, trauert man immer noch der DDR nach. Weil da alles seine Ordnung hatte, wofür die Stasi und die Polizei sorgten – die letzten nur, wenn sie durften. Aber dass die Kriminal- und andere Statistiken gefälscht waren, glauben viele immer noch nicht.
Und jetzt wählen sie eine Partei, die ihnen versichert, sie werden wie einst in der DDR ruhig schlafen können. Das Bedürfnis, ruhiggestellt zu werden, muss in der Ostdeutschland enorm sein.