Nun kann ich nach etwas Recherche vielleicht ein klein wenig Licht ins dänische Dunkel bringen.
Zunächst habe ich per Mail einige Anfragen an verschiedene Institutionen abgeschickt. Dabei habe ich mich auf Grund meiner regionalen Nähe zur dänischen Grenze vor allem auf das südliche Dänemark bezogen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Formulierung meines Ersuchens als auch bei der Auswahl der Ansprechpartner. Die Rechtslage dürfte freilich überall in Dänemark die gleiche sein. Nur hinsichtlich der Ermessensausübung werden sicherlich - wie bei uns auch (z.B. Ballungsraum vs. Provinz) - andere Maßstäbe anzusetzen sein.
Dabei habe ich ganz pauschal erfragt, ob es in Dänemark etwa erlaubt oder verboten sei, in abgeschiedener Lage ohne sexuelle Interessen und möglichst ohne Begegnung mit anderen Menschen nackt zu wandern oder beispielsweise zu joggen, und zwar gerade nicht am Strand.
Daraufhin hat mir die Syd- og Sönderjyllands Politi mit Sitz in Esbjerg ganz pauschal in englischer Sprache geschrieben, dass es generell nicht erlaubt sei, in der öffentlichen dänischen Natur unbekleidet zu gehen oder zu joggen. Hingewiesen wurde ich ausschließlich auf § 232 des Kriminalgesetzes (Straffeloven), wonach Passanten sich sexuell belästigt fühlen könnten.
Diese kurze Antwort überzeugt mich nicht. Sie ist wohl vergleichbar mit einem Hinweis auf beispielsweise die §§ 183, 183a StGB, die im deutschen Recht gerne vorschnell im Zusammenhang mit dem Themenkreis "Nacktwandern" von Unkundigen genannt werden, auch und gerade von Polizeibehörden. Auch § 232 Straffeloven bezieht sich nämlich auf Sexualdelikte und setzt vorsätzlich begangene sexuelle Belästigungen durch aktives Tun voraus. Zudem fehlt mir ein Hinweis in der Auskunft auf das dänische Ordnungswidrigkeitenrecht, hier "Politiets Ordensbekendtgörelse" (siehe hierzu unten). Meines Erachtens ist die mir erteilte Auskunft deshalb falsch, zu kurz bzw. unvollständig und offenbar interessengesteuert.
Eine weitere Auskunft hat mir die dänische Naturschutzbehörde in deutscher Sprache (und sehr, sehr höflich sowie um Hilfe und Aufklärung bemüht) erteilt. Man habe nicht über die Befugnis zu bestimmen, ob man im Wald ohne Bekleidung einen Spaziergang machen dürfe. Zu prüfen sei dort nur, ob Handlungen der Natur schaden könnten. Das sei beim Nacktwandern wohl gerade nicht der Fall. Wenn es allerdings beabsichtigt sei, für Nacktwanderungen z.B. Markierungen anzubringen, dann müsse ich eine Erlaubnis über das Internet einholen ("über das webbooking"; sehr modern). Außerdem sei es verboten, mit dem Auto in die Wälder zu fahren. Starten müsse man vom Parkplatz aus. Schließlich sei vorsorglich (hier wird es etwas privater) darauf hinzuweisen, dass das Verständnis von Freikörperkultur in Dänemark ein anderes als in Deutschland sei und dass es möglicherweise bei Passanten zu "Kränkungen" kommen könne. Ratsam sei es deshalb, auch eine Anfrage an die Polizeibehörden zu schicken. Hierzu siehe oben.
Das dänische Justizministerium hat mir nicht geantwortet. Auf die Antwort des dänischen Fremdenverkehrskonsulats mit Sitz in Hamburg, angefragt erst vor ein paar Tagen, warte ich noch. Das Touristenbüro in Aabenraa hat kurz und knapp geantwortet: Das ist in Dänemark verboten. Nun, es handelt sich nicht um Juristen.
Im weiteren Verlauf ist mir sodann aber eine Handreichung der Danske Naturister aus dem Jahr 2015 von Kim Bindesböll Andersen in die Hände gefallen, nämlich: "Nögenaktiviteter i det offentlige rum - Vejledning til aktiviteter indenfor Danske Naturister". In etwa: Anleitung für Nacktaktivitäten im öffentlichen Raum, vielleicht vergleichbar mit dem Buch "Nacktwandern" von Nicole Wunram, bezogen allerdings vor allem auf Gruppenunternehmungen. Darin finden sich auf Seite 6 (von 21 Seiten) auch rechtliche Ausführungen sowie beispielsweise Organisationstipps und auszugsweise Behördenverkehr im Anmeldeverfahren. Rechtlich wird Bezug genommen (vornehmlich) auf Kapitel 2 § 3 Stk. 2 Ordensbekendtgörelse, gültig im gesamten Königreich Dänemark. Ganz grob übersetzt (ich spreche schwedisch, nicht dänisch) heißt es dort:
"Es ist verboten, sich in einer Weise unanständig oder anstößig aufzuführen, die geeignet ist, andere zu belästigen oder öffentliche Verärgerung hervorzurufen."
In der nachfolgenden Kommentierung heißt es u.a. sinngemäß: Wo kein Kläger, da kein Richter. Niemand soll sich gestört fühlen. Solange also niemand sich an die Polizeibehörden wendet, so lange liegt keine ahndungswürdige Handlung vor. Benannt werden Beispiele, etwa ein Nacktjonglierer in Kopenhagen (o.k., im sehr liberalen Christiana), der vor zivilen und polizeilichen Zuschauern agiert hat. Mangels Beschwerden seitens der Bevölkerung sei die Polizei nicht eingeschritten. Bei Beschwerden habe die Polizei allerdings zu prüfen, ob eine entsprechende Verärgerung bzw. Belästigung überhaupt gegeben sei - und zwar mit Ermessenspielraum hinsichtlich des Ausmaßes und des Grades der Störung. Hingewiesen wird zwar darauf, dass die Polizeibehörden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dieses Ermessen möglicherweise konservativ ausüben könnten. Gleichwohl sei es aber gesetzliche Aufgabe der Polizeibehörden, sich neutral zu verhalten und nicht selbst richtungsweisend einzugreifen.
Kurzum: Die Bestimmung dürfte mit allen Macken und Unwägbarkeiten rundum dem deutschen § 118 OWiG entsprechen.
Hier geht es zu dem benannten Werk:
http://www.naturister.dk/blog/guide-til-noegenaktiviteter-i-det-offentlige-rum/Sobald es etwas wärmer wird, werde ich zum Praxistest übergehen und mich in die Fröslev Plantage begeben, gleich hinter der hiesigen dänischen Grenze. Während es auf deutscher Seite kaum geeignete Gelegenheiten zur nackten Bewegung gibt, gibt es dort jedenfalls ein Waldgebiet (auch) mit abgelegenen Ecken ohne Bebauung, leider mit sehr langen geraden Wegen. Immerhin kann man dann früh sehen, wer einem entgegen kommt. Wegen der Grenznähe gilt auch vielleicht ein wenig das deutsche Verständnis der FKK.
Ich werde weiter berichten. Und wer gerade in der Nähe ist oder mich sonst gerne begleiten möchte, der kann und darf sich gerne melden.