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Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Eule » Mi 20. Jan 2016, 03:16

Die Frage würde ich für mich anders formulieren. Nämlich so: "Warum unbekleidet und nackt nicht dasselbe ist". Beim Unbekleidet-Sein trägt der entsprechende Körper lediglich keine Kleidung. Wenn man es sehr streng nimmt, auch keinen Körperschmuck. Beim Nackt-Sein fehlt nicht nur die Kleidung, sondern diese Nacktheit will etwas bestimmtes ausdrücken, so z. B. Armut, will sexuelle Impulse auslösen, ein Ungeschützt-Sein.

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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Bummler » Mi 20. Jan 2016, 10:18

Mecki hat geschrieben:
Da setzt sich die Frau vor das Bild und möchte dieses Bild nachstellen. Die Frau öffnet ihren Schritt, langt mit beiden Händen an ihre Scham...und von da an ändert sich das Erscheinungsbild. Auf dem Bild liegt die Frau und ihre behaarte Scham ist zu sehen. Die Frau vor dem Bild hat auch eine behaarte Scham, doch sie greift mit ihren Händen an ihre Scham und öffnet diese. Es wird wesentlich "mehr" von ihrer Scham sichtbar, als bei der Frau auf dem Bild.

Da stellt sich schon die Frage, ob die Frau auf dem Boden nicht doch eher dem Exhibitionismus nachkommt!


Oder ob sie ihren Exhibitionismus unter dem Deckmantel der Kunst auslebt.
Das ist natürlich richtig. Diese Gefahr besteht, dass "Kunst" für niedere Instinkte ausgenützt wird.
Da in diesem Zusammenhang auch mal wieder der Exhibitionismusparagraf und deren geschlechtsabhängige Auslegung angesprochen wurde, würde ich gerne ein Dokument hier reinstellen, dass im alten Forum nicht mehr abrufbar ist.
Nur so als Zeitzeugnis.
Interview mit Amtsrichter Dr. Uwe Schleef

"Ja, wenn Claudia Schiffer öffentlich nackt joggen würde ..."

Amtsrichter Dr. Udo Schleef im Gespräch mit einer angehenden Philosophin, Klaudia Odreitz, Klagenfurt, Österreich, über den "Nacktläufer von Freiburg" (Dezember 2001)

Entnommen aus:
Klaudia Odreitz: "Nacktheit, ein Menschenrecht, das erkämpft werden muss?"
Phil. Diss. Uni Klagenfurt, September 2002
Dissertantin: Ist die Auffassung juristisch korrekt, in einem Rechtsstaat sei alles erlaubt, was nicht explizit durch ein Gesetz verboten ist? (Andere Formulierung für den Grundsatz: "Keine Strafe ohne Gesetz!")
Richter Schleef: Das ist korrekt formuliert, wobei das Wort explizit ausgelegt werden muss. Es kann nicht alles expressis verbis verboten sein. Wir kommen nicht umhin auch Begriffe zu verwenden, die, wie Sie dann später schreiben, durchaus ein bisschen allgemeiner formuliert sein müssen. Das kann keine Rechtsordnung der Welt. Jeden Lebenssachverhalt also vorweg präzise schon zu beschreiben, das ist unmöglich.

Dissertantin: Wann passiert es dann letzlich, dass es präzisiert wird?

Richter Schleef: Das muss dann die Rechtssprechung vornehmen wollen. Das ist die Auslegung der Gesetze, das ist überprüfbar durch die Instanzen, und meiner Auffassung nach ist es Aufgabe der Justiz, das zumindest dann verbindlich festzulegen. Vielleicht zunächst durch die Verordnungsbehörden, aber dann im Streitfall durch die Justiz.

Dissertantin: Es gibt klar definierte und sehr unscharf formulierte rechtliche Vorschriften.
Das § 118 OWiG enthält mit Formulierungen wie "grob ungehörige Handlung" ausgesprochen unscharfe Begriffe. Der Grundsatz "Im Zweifel FÜR den Angeklagten" müsste doch eigentlich bedeuten, dass bei sehr unscharfen Formulierungen sehr hohe Anforderungen an den Nachweis zu stellen wären, dass ein bestimmtes Verhalten auch wirklich unter diese Strafvorschrift fällt. Sehen Sie das, D., auch so?

Richter Schleef: Das sehe ich ähnlich. Es ist nur, die Frage, die ist zu allgemein formuliert. Es heißt "Im Zweifel für". Ich bin der Auffassung, dass eine grob ungehörige Handlung auch für den Beschuldigen gar keinen Zweifel dulden kann. Es ist meines Erachtens für jeden Bürger völlig unzweifelhaft, dass ein nackter Penis etwa am Münzerplatz grob ungehörig ist. Da ziehe ich keinen Zweifel. Da kann ich nicht darauf berufen, dass man im Zweifel anders entscheiden müsste. Ich bin der Auffassung, das weiß jeder.

Dissertantin: Es gibt ja auch die Meinungsumfrage, wo 17 Prozent davon ausgehen und sagen, dass es sie stört. Der Rest geht davon aus und sagt, dass es sie nicht stört. Also ich habe selbst eben


Richter Schleef: Wieviel Prozent?

Dissertantin: 17 Prozent, das ist der Nachweis der Umfrage des Instituts GEWIS. Da wurde diese Befragung durchgeführt und das Ergebnis zeigte, dass 17 Prozent der Bevölkerung sich dagegen aussprechen, die eben sagen, das ist ein unschöner Anblick, wie auch immer. Und der Rest, also die Mehrheit, wir kommen dann gleich zu diesen Fragestellungen, die sieht das eben sehr human.

Richter Schleef: Gut, Statistiken werden immer angeführt; ich kenne diese Statistik nicht. Ich bin sicher überzeugt, dass sie falsch ist. Ich bin der Auffassung ein weit höherer Anteil der Bevölkerung als 17 Prozent würde das von mir beschriebene ebene Beispiel als grob ungehörig empfinden und keineswegs hinnehmen wollen. Statistiken sind immer sehr problematisch. Man müsste das mit wissenschaftlichen Untersuchungen eventuell; aber das ziehe ich ernsthaft in Zweifel, dass etwa 83 Prozent solche Handlungen als nicht zu beanstandend bewerten. Das bestreite ich.

Dissertantin: Und warum bestreiten Sie das, D.?

Richter Schleef: Optimaler Kenntnisse, auch der Verfahren, von dem, was dort beschrieben wird, von den Leuten, die sich empören, die solche Dinge sehen. Ich bin der Meinung es kommt auf die Prozentzahl gar nicht an. Ich bin nur der Auffassung, es ist erheblich mehr als 17 Prozent. Ob es unter 50 liegt oder über 50 liegt weiß ich nicht, es interessiert mich auch im Grunde nicht, ich bin mir aber ganz sicher, es ist deutlich höher.


Dissertantin: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach, D., die "öffentliche Meinung" bei der Anwendung des § 118 OWiG, also bei der Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Handlung als "grob ungehörig" eingestuft werden kann?

Richter Schleef: Das spielt eine ganz erhebliche Rolle, man kann es gar nicht "auslegen" (betont) ohne diese öffentliche Meinung, wobei das keine Meinung ist, die jetzt nur im Jahre 2001 etwa nicht gilt. Es ist eine Meinung, die durch die Jahrhunderte gewachsen ist. Ein Schamgefühl was über die Jahrhunderte gewachsen ist, und das würde ich auch nicht als öffentliche Meinung eigentlich sehen. Es ist eine gewachsene Kultur, letztlich, aber nicht eine öffentliche Tagesmeinung, aber das ist ein falscher Begriff. Aber ansich ist es richtig, es "ist" (betont) zeitbedingt, das ist meine Auffassung auch. Es gibt Kulturen da war Nacktsein an jedem Ort vielleicht, an jeder Stelle durchaus schön und akzeptiert. Bei uns aber halt nicht! Vor allem aber nicht in den christlich geprägten Staaten.

Dissertantin: Ist es möglich eine Handlung als "grob ungehörig" einzustufen, auch wenn nur eine Minderheit der Bevölkerung diese Handlung (noch) für grob ungehörig hält?
Wenn ja: Wie klein dürfte die Minderheit sein, um dennoch als "bedeutsam" von Ihnen empfunden zu werden?

Richter Schleef: Ich bin der Meinung es kommt nicht auf die Mehr- oder Minderheit an. Also im Prinzip kann auch eine Minderheit der Bevölkerung diesen Begriff mitprägen. Ich würde darauf abstellen wie groß der Eingriff für den ist, der sich anders verhalten soll. Wenn das ein starker Eingriff ist, und die Freiheitsrechte doch deutlich tangiert sind, dann bin ich der Meinung, dass man etwas höhere Anforderungen stellen wird müssen, an dies Quorum etwa der Bevölkerung, die das nicht hinnehmen will. Im konkreten Fall: Nackt rumlaufen in der Stadt, wenn man das unter dies ... das ist ein geringer Eingriff. Denn heute hat jeder so viele Plätze und Stellen, wo man sich nackt aufhalten kann, das muss nicht gerade in Bereichen sein etwa einer Stadt oder Fußgängerwegen, wo man spazieren geht, da muss das nicht sein. Das ist also ein geringer Eingriff, deshalb meine ich, muss man auch nicht so hohe Anforderungen an den Prozentsatz stellen. Aber ich sage eben, damit sind es weit weit mehr als 17 Prozent. Wenn es jetzt nur 5 Prozent wären, dann würde ich auch meinen, das kann, das könnte man für immer vielleicht vernachlässigen. Aber ich bin der Auffassung, dass es weit mehr als 17 Prozent sind.

Dissertantin: Können Sie es konkretisieren, D., wie viel Prozent es nach Ihrer

Richter Schleef: Nein, weil ich das völlig für unwichtig halte. Ich bin der Meinung, es wird sicher so um die 50 Prozent schwanken. Ob drunter oder drüber weiß ich nicht, aber da würde ich es etwa ansiedeln, zirka 50 Prozent ist der Teil der Bevölkerung, die das nicht hinnehmen möchte, sich belästigt fühlen.

Dissertantin: Wie könnte es mit demokratischen Prinzipien in Einklang zu bringen sein, dass die Minderheit "entscheidet"?

Richter Schleef: Ja nun man kann nicht sämtliche Wertvorstellungen, Moralvorstellungen einfach als unter die Mehrheit plötzlich unterordnen. Im Dritten Reich hatten wir eine Mehrheit, die bestimmte Dinge wollte. Sie hat Adolf Hitler mit Mehrheit gewählt, sie hat ihn mit Mehrheit getragen. Wenn man das Prinzip verbindet "es kommt immer nur auf die Mehrheit an", dann sieht es düster aus. Wir haben aber eine Demokratie, da haben wir Prinzipien, die kann auch die Mehrheit nicht umstoßen, weil wir eine gewisse kulturelle Entwicklung haben, auch mit einem Schambegriff der gewachsen ist über Jahrhunderte, kann meinen, dass nicht einfach, dass ein Mehrheitsprinzip so einfach unterworfen ist.

Dissertantin: Kann "Minderheiten-Schutz" so verstanden werden, dass die Minderheit der Mehrheit etwas vorschreiben darf?

Richter Schleef: Vorschreiben, das nein, das geht schlecht. Ich meine mehr gewachsene Vorstellungen einer Kultur, die über lange lange Zeiträume sich verfestigt. Ich meine mit Vorschreiben, dass eine Minderheit sich zusammensetzt und sagt "wir beschließen das", das geht sicherlich nicht in einer Demokratie. Das meine ich damit nicht. Ich meine gewachsene Strukturen.


Dissertantin: Wo bliebe dann der Schutz der Mehrheit vor dummen oder irrsinnigen eventuell religiös - Sie haben es schon etwas angesprochen - motivierten Forderungen der Minderheit?

Richter Schleef: Ja, das hatte ich ja schon angesprochen, man muss immer abwägen auch "wie ist der Eingriff". Man wird um eine Bewertung, die so und so viele Elemente hat gar nicht herumkommen, und wenn etwa eine "dumme" Minderheit Forderungen erhebt, die sachlich kaum nachvollziehbar sind, dann würde ich meinen muss man ignorieren. Das ist eine Bewertungsfrage, da kann man nicht generalisieren und vorher sagen was ist richtig, was ist falsch. Ich stelle - wie gesagt - immer wieder darauf ab, eine bestimmte kulturelle Entwicklung die müssen wir hinnehmen, die ist gegeben. Die können wir zwar aufbrechen und auflockern, vielleicht langsam, aber wir können sie nicht einfach von heute auf morgen umkippen, das geht nicht. Und dieser Satz meint wohl mehr also irrsinnige Gruppen, die plötzlich irgendwas wollen, das fällt gar nicht darunter.


Dissertantin: Sind Sie der Auffassung, dass die Einhaltung von Konventionen (also nicht von Gesetzen), z.B. wie hier Bekleidungs-Konventionen, durch die Justiz erzwungen werden sollte?

Richter Schleef: Nein, das sollte nicht. Bekleidungskonventionen nicht. Aber die Frage, ob ich mit einem nackten Po oder einem nackten Penis durch die Innenstadt laufe, das ist für mich mit dem Begriff Bekleidungskonventionen also doch nicht ganz korrekt umschrieben. Man sollte sicherlich nicht durch Gesetz erzwingen, ob einer eine Krawatte tragen muss oder ob er im Kino ein Sakko tragen muss, das ist absurd. Im Prinzip - würde ich sagen - sollte es nicht erzwungen werden, wie jeder sich kleidet und gibt, das ist wirklich seine eigene Entscheidung, nur das, um das es hier geht, oder am Freitag, das hat mit Bekleidungskonventionen nicht viel zu tun.

Dissertantin: Mit was hat es dann zu tun, D.?

Richter Schleef: Das mit dem Schamgefühl des Menschen, das hat mit Bekleidung weniger zu tun. Er könnte ja mit Badehose herumlaufen oder mit Turnhose. Wenn dann eine sagt: "Das tut man nicht", na gut dann mag sie das denken, das muss man aber nicht erzwingen, was darüber hinausgeht. Das völlige Nacktsein ist wohl nicht allein ein Fall allein der Kleidungskonvention, also der Begriff der passt da nicht drauf.


Klaudia: Wie unabhängig ist ein Richter von der Meinung der Kollegen, mit denen er ja täglich verkehrt und verkehren muss, wenn es um solche Fragen der Sittlichkeit und der Konventionen geht?

Richter Schleef: Da ist er sicher nicht ganz unabhängig, da ist sicher auch eine gewisse Gruppendynamik die da entsteht. Er kann sich da, sagen wir mal, nicht ganz einfach von Freiheit, das würde ich durchaus auch so sehen.

Dissertantin: Würden Sie sich selbst als einen 'mutigen Menschen' einschätzen, D., der bei seiner Urteilsfindung von solchen Konventionen absieht und nur nach dem 'Geist des Gesetzes' urteilt, selbst wenn ihm dies Missachtung seitens seiner Kollegen einbringt?

Richter Schleef: Ja, da würde ich mich aber sehr deutlich so einschätzen, das habe ich in etlichen Entscheidungen meiner Ansicht nach auch bewiesen, wenn ich denke, wie ich bei der ganzen Scientologygeschichte abgleitend entschieden habe von einer Hysterie der Massen, würde ich mich durchaus darunter zählen. Wenn ich nicht von etwas überzeugt bin, dann würde ich es auch nicht machen, auch dieser Gruppenzwang würde mich nicht dazu bringen können Dinge zu entscheiden, die ich nicht für vertretbar halte.


Dissertantin: Ist Ihnen bekannt, das wurde ja auch in der Gerichtsverhandlung erwähnt - dass in England ein Student (Vincent Bethell), der nackt durch die Londoner Innenstadt lief und läuft, auch nackt vor Gericht erschien, und dass er von einem Geschworenengericht freigesprochen wurde?

Richter Schleef: Der Fall ist mir nicht konkret bekannt, ich kenne ihn nicht, aber ich nehme es mal zur Kenntnis, dass das so gelaufen ist, das ändert aber auch nicht viel an dem Ganzen hier.


Dissertantin: Wäre ein solcher Freispruch in Deutschland nicht auch möglich?

Richter Schleef: Da muss man jene Rechtssysteme sehen können, wenn ich das machen würde, da kann man darüber reden und sagen "na komm' lass' ihn laufen", das bringt aber nichts. Die Entscheidungen bei uns sind mit Rechtsmittel anfechtbar, sie gehen durch die Instanzen. Wenn ich jemanden über solche Dinge freisprechen würde, würde die Staatsanwaltschaft über ein Rechtsmittel gehen, es würde mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% aufgehoben werden, es würde zurückverwiesen werden, es müsste neu verhandelt werden, es käme eine Verurteilung daraus heraus, das hat ja auch das frühe Verfahren gezeigt, das wäre bei uns nicht möglich. Das kann ein Gericht machen, bei dem dann die Sache beendet ist, das kann sagen "wir sprechen ihn frei, wir wollen gar kein großes Aufsehen mehr darüber machen" aber das geht dann nicht, wenn es den Instanzen ...zu (?) geht. Dann ist der Unterschied noch, in England ging es sicher um ein Strafverfahren. Bislang ging es bei uns überhaupt nicht um ein Strafverfahren, es geht nur um Ordnungsrecht. Dieser 118 ist keine Straftat und das ist in England ganz ersichtlich anders. Der war vor einem Geschworenengericht, die offenbar schwere Delikte behandeln. Aber darum geht es ja gar nicht. Er kriegt ein Ordnungsgeld, so als wenn einer falsch parkt, um es mal deutlich zu sagen.

Dissertantin: Was ist, rein juristisch gesehen, unter einer Störung der öffentlichen Ordnung zu verstehen? Ein Menschenauflauf? Ein Bürger, der sich beschwert? Oder zehn Bürger?

Richter Schleef: Nein, das würde ich nicht, alle Beispiele sind ja keine Störung der öffentlichen Ordnung. Beim Nacktsein beschweren sich nicht etwa zehn Bürger, sondern Tausende und Abertausende in Deutschland, die das nicht hinnehmen wollen.

Dissertantin: Allerdings sind das nicht alles Leute aus Freiburg. Wie ich das mitverfolgt habe, ist er ja hier durchaus sehr bekannt und möchte als Sexualtherapeut etwas bewirken.

Richter Schleef: Ja, das ist ein Punkt, den ich auch sehe. Das ist sogar etwas Positives an der Geschichte, er stößt Reaktionen an, die zeigen letztlich doch eine gewisse Verklemmung in diesen Fragen, eines erheblichen Teils der Bevölkerung, auch etwas Positives zu sehen, solche Dinge mal offen diskutiert werden, das sehe ich auch. Ich sehe das nicht alles nur negativ. Man kann es zwar nicht hinnehmen, ist meine Auffassung, aber welche Reaktionen teilweise kommen, die sind schlimm. Dass Leute dadurch geradezu schockiert sind, nur weil sie einen nackten Menschen sehen ist für mich auch das Negative, und zwar erheblich Negativ
das ist für mich keine Frage.

Dissertantin: Darf ich Sie auch zu persönlichen subjektiven Meinungen fragen?

Richter Schleef: Ja.

Dissertantin: Finden Sie, unabhängig von der Gesetzeslage, D., persönlich, dass Nacktheit in der Öffentlichkeit verboten sein sollte?

Richter Schleef: Die Frage kann ich schlecht beantworten. Was ist Öffentlichkeit? Ich bin der Meinung an einem See sollte man es nicht verbieten, dort ist es viel schöner, nackt zu baden.


Dissertantin: Machen Sie es auch ?

Richter Schleef: Ich mache es auch, ohne jeden Zweifel ziehe ich ein Nacktbaden vor. Ich halte mich auf Sylt immer wieder auf. Es gibt auch im Umkreis von Freiburg Seen wo ich gerne nackt bade. Ich selber habe durchaus Sympathien davor und dafür, und ich sage deutlich, ich bade lieber nackt als bekleidet. Das ist meine persönliche Auffassung.

Dissertantin: Aber Öffentlichkeit in der Stadt

Richter Schleef: Nein, in einer Stadt bin ich der Meinung sollte man es nicht hinnehmen. Man muss die Leute nicht provozieren, man erreicht im Grunde dadurch letztlich das Gegenteil. Wir haben Probleme, dass es überhaupt an den Seen; auch da gibt es ja immer wieder welche, die sich beschweren. Und da sollte man denen aber ganz klar sagen: "Wenn ihr das nicht sehen wollt, dann geht halt weg." In der Stadt muss man eben doch die andere Seite wieder sehen.

Dissertantin: Also es sind für Sie nicht hygienische Gründe

Richter Schleef: Nein, überhaupt keine. Es sind weder hygienische noch moralische Gründe. Ganz im Gegenteil. Es ist viel hygienischer nackt zu baden. Das finde ich gar keine Frage. Es ist weit hygienischer nackt zu baden etwa, zum Beispiel. Oder beim Laufen sehe ich nun keine Hygienegefahr. Also beim Laufen sehe ich weder moralische noch hygienische Fragen, aber es gibt, dass muss man in der Öffentlichkeit, das ist viel zu allgemein. Man muss ihnen eben sagen "so". Es gibt ja mitten in der Stadt, man hat es, glaube ich, mal hingenommen, dass man an der Isar, glaube ich, damals nackt liegt. Da habe ich nichts dagegen. Das finde ich sogar schön. Ich habe selber mal vor zwanzig Jahren, da war ich auch nackt an der Isar, weiß ich heute noch, war schön, war wunderbar. Darum geht es gar nicht. Ich habe nichts gegen Nackte und ich finde nackt im Grunde an manchen Stellen viel schöner als bekleidet. Aber da wo es hingehört.

Dissertantin: Wenn man sagt "da wo es hingehört" dann denke ich doch, dass diese Aussage doch mit Moral zusammenhängt. Sie haben es vorher angesprochen, also das Christliche. Hier das katholisch geprägte Freiburg

Richter Schleef: In den christlichen Kulturen ist ja das Körperliche dämonisiert worden. Das ist für mich außer Frage. Und daran liegt es eben auch, dass diese so abweisend reagieren. Aber Sie können nicht von heute auf morgen die christliche Vorstellungswelt abzuschaffen versuchen und sagen: "So geht das ja nun nicht". Jede Kultur ist über Hunderte, Tausende gewachsen und das können Sie nicht einfach beiseite schieben, das geht einfach nicht. Das mag man ablehnen, na gut, vielleicht mal irgendwann was anderes, aber noch ist es so. Also haben sie auch in anderen Kulturen, auch im Buddhistischen haben sie nicht die Auffassung man muss auf der Straße nackt herumlaufen dürfen. Also es ist nicht nur eine Frage der christlichen Kultur, so muss man das auch mal sehen, obwohl die sehr sinnfaltig waren und Nacktheit ein Verbrechen ist, nach christlicher Vorstellung. Aber nicht nur.


Dissertantin: Fällt es Ihnen schwer, D., gegen jemanden ein Urteil zu sprechen, obwohl Sie sein Handeln persönlich gar nicht schlimm finden?

Richter Schleef: Es würde dann schwerer fallen, wenn es eine Straftat wäre. Man hat ja anfangs versucht, das zu einer Straftat zu machen. Man hat in den ersten Verfahren auch gegen den Mann, den Sie ja Freitag erlebt haben, versucht das auf die Strafrechtschiene zu geben. Man wollte das als exhibitionistische Handlung bewerten, das würde mir tatsächlich sehr schwer fallen. Weil das ist ein Stufe, wo es meiner Meinung nach nicht hingehört, solange nicht eine sexuelle Belästigung hinzukommt. Dann gehört es nicht auf diese Stufe, sondern ist für mich reines Ordnungsrecht. Und da habe ich es ja hingeschoben, letztlich, auf den 118, obwohl ich anfangs, meines Wissens, mit einer Anklage oder einem Strafbefehl auf die Strafschiene geschoben werden sollte. Und da würde es mir schwer fallen, aber nicht auf der Ordnungsschiene, da sehe ich kein Problem.


Dissertantin: Wie wichtig finden Sie persönliche Bekleidungskonventionen?

Richter Schleef: Nun, die sind nicht ganz unwichtig, aber dass sie so persönlich gefärbt sein, da gibt es für mich keine generellen Regeln. Schön ist es vielleicht im Theater, wenn man nicht dort unbedingt mit Badehose sitzt, aber das ist subjektiv. Es ist sicher wichtig aber auch nicht. Ich bin selbst sehr leger im Grunde, ich meine es ist zwar wichtig, aber auch nicht so, dass man da das als Maß aller Dinge.

Dissertantin: Aufgrund meiner Dissertation machte ich selbst einige Experimente des Nichtbekleidetseins mit, um zu sehen wie wirkt eine nackte Frau in der Gesellschaft. Gibt es da die gleichen Vorschriften, Ordnungsgesetzte oder wird hier anders entschieden?

Richter Schleef: Im Grunde gelten die gleichen, nur ich sehe schon Unterschiede. Angenommen es würde jetzt ein junges hübsches Mädchen von 18 Jahren nackt laufen. Es könnte, also ich gehe davon aus, dass da sehr wenig Beschwerden kommen würden. Da kann man natürlich sagen "das ist ungleich", man muss aber sehen, dass man mit einem nackten Mann eher eine gewisse Gefahr verbindet in der Bevölkerung. Ob das nun richtig oder falsch ist, das ist eine andere Frage, aber das verbindet man ja damit. Wenn man auf einem Weg oder etwa auch in einem Wald, wenn wir es mal da hinschieben, was ja nicht unbedingt immer war auf unserem Feld, wenn da ein nackter Mann auftaucht, da würde die Bevölkerung vielleicht in Angst und Schrecken verfallen. Wenn da ein junges Mädchen auftauchen würde, würde man darüber lächeln. Also da sind schon Unterschiede, wobei die Strafbestimmungen für Männer oder Frauen nicht anders sind. Aber da sehe ich schon Unterschiede in der Frage ob eine Belästigung vorliegt. Das muss man halt akzeptieren, ich weiß auch nicht genau, aber es ist so.

Dissertantin: Wo sieht man bei der nackten Frau die primären Geschlechtsteile?

Richter Schleef: Ja gut, ein nackter Busen, den nimmt man heute ja fast überall hin. Zumindest in Deutschland, da würde ich der Meinung sein, wenn es nicht gerade in der Kirche ist, da nimmt man es sehr hin. Es gibt ja auch Kleidungs oderKonvention die so sind, dass man ja fast auch nackten Busen sieht. Da würde ich der Meinung sein, nur wenn unten (betont) alles frei ist, würde man da ansetzen können. Aber oben der Busen das sehe ich keinerlei Ansatzpunkte. Da haben sich gewisse Vorstellungen etwa gewandelt. Da sieht man sehr deutlich, das wäre vor hundert Jahren völlig undenkbar gewesen, da wäre jede Frau mit einem nackten Busen wäre sicherlich verhaftet worden. Und heute nimmt man das hin. Da sieht man darin auch einen Wandel der Zeit. Aber der ist bei Männern noch nicht soweit, dass sie mit einem Penis herumlaufen dürfen, da haben wir den Wandel noch nicht. Bei Frauen haben wir sicher soweit eine Änderung, das sieht man ja auch am Badestrand, selbst am Textilstrand sind die Frauen oben ohne. Das wird heute wohl hingenommen, und ich bin der Meinung, das könnte man auch nicht mehr unter 118 subsumieren.

Dissertantin: Meine Erfahrungen als nackte Frau in der Stadt waren durchaus sehr positiv. Einige dachten ich drehe einen Film, andere dachten ich mache Werbung für Birkenstockschuhe, solche Schuhe trug ich nämlich, und ich bekam viele schöne Komplimente, auch von Frauen.
Ich hatte durchaus das Gefühl, das meine Erscheinung nicht störte.

Richter Schleef: Ja, das habe ich auch gesagt, Frauen werden mit Sicherheit weniger als störend empfunden, aber das hängt damit zusammen, dass man den Mann eben doch mehr sieht in der Rolle der könnte gefährlich sein, das steckt nun dahinter.

Wir haben ja Fälle gehabt, da sind Mädchen vor Angst und Schrecken durch die Straßen gerannt, als sie ihn sahen. Das wird bei einer Frau wohl nicht geschehen. Aber das kann ich auch nicht ändern, man verbindet das mit dem Mann offenbar, dass der potentiell vielleicht doch gefährlich werden könnte. Das sind halt Unterschiede. Frauen haben es in den Punkten möglicherweise etwas einfacher.

Dissertantin: Ja und man sieht die primären Geschlechtsteile nicht

Richter Schleef: Darauf kommt es nicht so an. Die Leute verbinden bei einer Frau, man sagt halt "die hat vielleicht einen Tick", aber man ist nicht so empört wie bei einem Mann. Und die biologischen Untersuchungen, das ist mir alles egal, das ist mir vollkommen egal. Ich kann nur sagen wo ich kann werde ich auch nackt sein. Ich bade fast immer nackt im Sommer, wenn ich irgendwo bin, es ist viel schöner als bekleidet zu sein, aber trotzdem ist eine Grenze für mich, wo es einfach nicht mehr geht, wo man die Bevölkerung schockiert, und da geht es halt nicht mehr. Wo man dann an den Reaktionen sieht, dass es auch was positives hat, wenn man sieht, wie finster manche Reaktionen kommen. Die glauben allein ein nackter Mensch ist was grauenvolles, das sind wirklich schlimme Vorstellungen.

Dissertantin: Ich kenne das Beispiel auch, welches Sie, D., von dem Mädchen berichtet haben. Aber das ist nur ein Beispiel

Richter Schleef: Aber ein sehr typisches Beispiel, sehr typisch.

Dissertantin: Ja, das Mädchen schreibt Geschichte mit diesem typischen Beispiel.

Richter Schleef: Bei einer nackten Frau, da wäre sie wohl kaum weggelaufen. Das zeigt wo die Unterschiede sind.
Ja, was soll man dazu noch sagen?

Dissertantin: Bei der Verhandlung habe ich für mich festgestellt, dass Sie persönlich schon eine Stellvertretung von Gott irgendwo sind

Richter Schleef: Ich? Von Gott?

Dissertantin: Ja, denke ich schon, weil Sie haben die Macht

Richter Schleef: Ich bin ja gar nicht in der Kirche drin

Dissertantin: Nein, nein also jetzt gar nicht so gesehen, sondern auf der Ebene betrachtet, dass Ihre Entscheidung dazu beiträgt, was dann letztlich gilt. Ich beziehe mich auf den § 118, der nicht beinhaltet, welche Kleidung man tragen darf und welche nicht. Und Sie haben sozusagen aber dann trotzdem so entscheiden können, dass Sie meinen, dass das Hinterteil nun auch bedeckt werden müsse, was ja nirgendwo, wie wir wissen, schriftlich so festgehalten ist. Und insofern meine ich, dass Sie das sehr großen Einfluss haben, und das ist für mich schon eine große Bedeutung einer Macht gegenüber einer oder keiner Gesetzesänderung. Denn so stand es, wie gesagt nicht im 118er, aber durch Sie wissen wir jetzt, dass es 'so' nackt nicht erlaubt ist.

Richter Schleef: Das kann ja überprüft werden, es geht ja über die Instanzen, da kann ja das überprüft werden. Ich würde mich darüber freuen und lachen, wenn ich gesagt hätte er darf nackt rumlaufen. Natürlich. Für mich ist nur wichtig wenn ich es sehen würde: ist der Po schön oder nicht. Das ist der einzige Grund für mich. Also ich finde es schön, und wenn das Oberlandesgericht sagen würde "ja, das müsse erlaubt sein" na dann wunderbar, wunderbar, aber sie tun es nicht, sie tun es nicht. Es muss Ihnen klar werden, dass man nicht glaubt, man kann vorne vielleicht alles verdecken und hinten frei sein, das geht mit Sicherheit nicht. Das würde die Rechtsordnung gegenwärtig nicht hinnehmen.

Dissertantin: Die Rechtsordnung?

Richter Schleef: Na die Rechtssprechung, das ist meine Auffassung. Würde nicht sagen, dass sie sich nicht ändern darf, ich freue mich mit darüber. Ich habe gar nichts gegen einen nackten Po, sage ich nochmals, ich habe nichts dagegen. Das ist für mich auch eine hygienische Frage, wenn er stinkt, dann ist das nichts. Er kann hässlich sein, er kann, aber ein schöner Po, das ist doch was herrliches. Das sehen Sie auch in manchen Zeitschriften, das bringt die Auflage hoch. Jetzt die Bildzeitung, das ist ja auch ein Sexblatt, weiter nichts, die hat es ja genauso. Also ich habe nichts dagegen. Also liberaler als ich, das ist wahrscheinlich keiner mehr, das ist meine Auffassung.

Dissertantin: Keiner jetzt in Ihrem Umkreis?

Richter Schleef: Würde ich fast meinen, ja.

Dissertantin: Denken Sie, dass eine Richterin vielleicht doch anders entscheiden würde? Das war ja auch so eine Frage

Richter Schleef: Nein. Niemals. Niemals. Niemals, nein, nein, nein. Es gab sicher eine Zeit der Hippiebewegung und alles in Frage stellend wollende, da war das wohl ein bisschen in die Richtung. Und die Bielefelder das ist auch interessant. Es gibt sicher Einzelfälle, nur was bringt das? Ich bin der Meinung, ich kann ja nicht gegen die Rechtssprechung anstinken oder einschreiten, das geht ja nicht. Wenn die eine bestimmte Vorstellung hat, kann ich nicht einfach sagen "nein, das muss anders sein", das ist offensichtlich, das entspricht auch einem Rechtsstaat.

Dissertantin: Und wenn Sie es würden, welche Folgen hätte das für Sie?

Richter Schleef: Für mich hat es natürlich keine Folgen, es würde nur aufgehoben werden. (...) Verdoppelte Kosten, verdoppelter Zeitaufwand, was soll das?
Es ist im Grunde ein nackter Körper nichts Negatives, überhaupt nicht. Und wer ihn negativ empfindet, der hat für mich einen Defekt, das ist meine Grundauffassung. Wer einen nackten Körper als negativ empfindet, der hat im Grunde einen Defekt. Das sage ich deutlich. Also ich bin schon, in manchen Dingen, durchaus auf der Seite auch von Herrn Niehenke. Ich sehe durchaus, er bricht was auf, was zum Vorschein kommt, was negativ ist an den Reaktionen. Ich bin der Meinung, ein nackter Körper darf ansich nichts Negatives sein. Aber wir haben eben keine Kultur, wo man die Nacktheit an jedem Ort hinnehmen und zulassen, das geht einfach nicht.

Dissertantin: Soweit ich das verfolgt habe, D., ist es auch nicht seine Intention, nämlich nackt in den Städten herumzulaufen.

Richter Schleef: Doch, er war auch auf der Bertoldsstraße. Der läuft nicht immer in der Innenstadt, aber wir hatten auch einen Fall in der Bertoldsstraße, das ist nun mal Innenstadt
Gut, er ist überwiegend nicht in der Innenstadt gewesen, zwar auch in der Stadt, aber in den Randbereichen, aber natürlich auch in reinen Wohngebieten, das ist ja nicht anders.

Dissertantin: Ich habe mit ihm gesprochen, und er sagte mir, dass er gar nicht in die Stadt wollte, weil er ja nur davon ausgegangen ist, es gibt kein Gesetz, das Kleidervorschrift beinhaltet, und er wollte einfach nur im Wald joggen. Dadurch dass er aber im Wald vertrieben wurde hat er sich gesagt, dann gehe ich in die Stadt, und bin halt dort.

Richter Schleef: Ja gut, aber ein Nackter im Wald das ist ja noch viel
schlimmer möglicherweise, weil da würden ja manche Leute in Angst und Schrecken verfallen, wenn da plötzlich einer noch am Laufen ist, und nackt ankommt. Stellen Sie sich vor, da ist eine Frau die da spazieren geht, da muss man ja fast bedenken, die ist ja in höchster Unruhe. Die geht da allein herum, dann kommt da noch einer laufend nackt auf sie zu, da muss man doch einfach sehen, die Frau ist doch in Angst und Schrecken. Das ist natürlich nicht so, als wenn er in der Innenstadt wäre. Da muss sie halt keine Angst haben wegen einer Vergewaltigung, das muss man ja auch mal sehen, da geht es halt mehr um diese gewachsenen Vorstellungen der Scham, in der Stadt. Im Wald würde ich eben das Problem auch sehen, dass da wirklich Angst auch verbreitet wird.

Dissertantin: Er sagt, wenn das in der Stadt erlaubt sein würde, dass er nackt sein kann, dann würde er dort sofort damit aufhören.

Richter Schleef: Das wird niemals erlaubt werden, das ist für mich überhaupt keine Frage. Das wird er auch noch erleben, dass er die Rechtsordnung hinnimmt.

Dissertantin: Ist er aus Ihrer Sicht ideologisch?

Richter Schleef: Ja, obwohl er bei den meisten was hervorruft, und eben Reaktionen, die mir zeigen, dass manches im Argen ist. Dass man so empörend reagiert, das ist für mich negativ zu sehen. Man müsste es gelassener etwas nehmen, das ist meine Auffassung. Man sollte es gelassener sehen und nicht gleich so auf die Waage des Gesetzes legen, ... insofern muss man das schon ein bisschen relativieren. Aber hinnehmen und sagen "das ist zulässig", das ist ausgeschlossen.

Dissertantin: Also auch wenn eine Frau, ich jetzt in dem Fall es versuchen würde, wäre es genauso?

Richter Schleef: Da wäre das Problem wegen Belästigung der Allgemeinheit; ist dadurch nicht ganz so einfach zu übersehen. Ich halte es auch für unzulässig, aber wenn alle in der Stadt Beifall klatschen und sich freuen und dann noch sagen "das ist schön", dann wäre es schon schwieriger, aber das ist bei ihm nicht der Fall. Es ist immer ein überheblicher Durchschnitt. Das ist bei der Frau sicherlich ein bisschen anders.
Es ist nicht alles gleich auf der Welt. Und eine Frau ist nun mal nicht gleich wie der Mann. Das muss man mal so sehen. Ich kann das auch nicht ändern, ich habe das auch nicht so gemacht. Und das hat auch rechtliche Konsequenzen möglicherweise. Stellen Sie sich vor, nehmen Sie an, Claudia Schiffer geht nackt durch die Innenstadt. Sicherlich gäbe es auch einige die sagen würden, die muss sofort verhaftet werden. Aber da wäre ich sicher, da kämen wir dann zu Ihren 17 Prozent, da wären wahrscheinlich noch weniger, die sich beschweren würden, da wären dann noch weniger. Und dann kämen wir auch in Schwierigkeiten argumentativ zu sagen "es ist eine Belästigung der Allgemeinheit", da hätten wir Schwierigkeiten. Aber das ist nun vor Gericht halt auch nicht anders. Der Mann hat es vor Gericht immer schlechter als die Frau, in manchen Dingen, also jetzt in der Entwicklung, das muss man auch mal sehen. Männer haben es schlechter. Die Machtausübung und so. Es ist nun mal so. Also mehr kann ich nicht sagen dazu.

Dissertantin: Vielen herzlichen Dank.

Richter Schleef: Kämpfen Sie weiter mit Ihrer Überzeugung. Ich habe nichts gegen Nackte, ich laufe selber gerne so herum.


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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Klaus_59 » Mi 20. Jan 2016, 23:53

Danke, dass du das noch mal ausgegraben hast. Ich hatte das noch einigermaßen in Erinnerung. Es macht mich immer wieder fassungslos.

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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Bummler » Do 21. Jan 2016, 09:59

Ja, allerdings. mich haben auch ein paar Sätze geprägt, z.B.:

Das muss man halt akzeptieren, ich weiß auch nicht genau, aber es ist so.


Ein Satz der aufsummiert, dass sich eigentlich niemand so richtig mit dem Problem der Tabuisierung der Nacktheit beschäftigt hat, aber aus reiner "das war schon immer so"-Mentalität urteilt.
Und das kann man nicht ändern. Man kann für sich so eine kleine Welt schaffen, in der das unmittelbare Umfeld die eigene Nacktheit akzeptiert, aber mehr schafft man nicht.

 

Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von guenni » Do 21. Jan 2016, 11:29

Eule hat geschrieben:Die Frage würde ich für mich anders formulieren. Nämlich so: "Warum unbekleidet und nackt nicht dasselbe ist". Beim Unbekleidet-Sein trägt der entsprechende Körper lediglich keine Kleidung. Wenn man es sehr streng nimmt, auch keinen Körperschmuck. Beim Nackt-Sein fehlt nicht nur die Kleidung, sondern diese Nacktheit will etwas bestimmtes ausdrücken, so z. B. Armut, will sexuelle Impulse auslösen, ein Ungeschützt-Sein.


und woran erkennt der betrachter das? für den macht es keinen unterschied.

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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Otti » Do 21. Jan 2016, 17:23

Jemanden zwingen, sich auszuziehen - da ist Nacktheit eine Form der Demütigung.

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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Aria » Do 21. Jan 2016, 17:25

Klaus_59 hat geschrieben:Danke, dass du das noch mal ausgegraben hast. Ich hatte das noch einigermaßen in Erinnerung. Es macht mich immer wieder fassungslos.
Ja, einen Dank an Bummler auch von mir für dieses Ausgraben.

Da gibt es von diesem Richter Schleef ein paar schöne Sätze, die auch von mir hätten kommen können. Aber wenn ich sie gebracht hätte, würden gewisse User hier über mich herfallen, wie in Vergangenheit schon oft geschehen. Aber einem Richter mag man halt nicht widersprechen, oder?

Damit man weiß, was ich meine, hier ein Paar Zitate aus dem Interview:

Dissertantin: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach, D., die "öffentliche Meinung" bei der Anwendung des § 118 OWiG, also bei der Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Handlung als "grob ungehörig" eingestuft werden kann?

Richter Schleef: Das spielt eine ganz erhebliche Rolle, man kann es gar nicht "auslegen" (betont) ohne diese öffentliche Meinung, wobei das keine Meinung ist, die jetzt nur im Jahre 2001 etwa nicht gilt. Es ist eine Meinung, die durch die Jahrhunderte gewachsen ist. Ein Schamgefühl was über die Jahrhunderte gewachsen ist, und das würde ich auch nicht als öffentliche Meinung eigentlich sehen. Es ist eine gewachsene Kultur, letztlich, aber nicht eine öffentliche Tagesmeinung, aber das ist ein falscher Begriff. Aber ansich ist es richtig, es "ist" (betont) zeitbedingt, das ist meine Auffassung auch. Es gibt Kulturen da war Nacktsein an jedem Ort vielleicht, an jeder Stelle durchaus schön und akzeptiert. Bei uns aber halt nicht! Vor allem aber nicht in den christlich geprägten Staaten.
[…]
Dissertantin: Wenn man sagt "da wo es hingehört" dann denke ich doch, dass diese Aussage doch mit Moral zusammenhängt. Sie haben es vorher angesprochen, also das Christliche. Hier das katholisch geprägte Freiburg

Richter Schleef: In den christlichen Kulturen ist ja das Körperliche dämonisiert worden. Das ist für mich außer Frage. Und daran liegt es eben auch, dass diese so abweisend reagieren.

 
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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Eule » Do 21. Jan 2016, 21:05

@ Bummler
Das Interview mit Amtsrichter Dr. Uwe Schleef war für mich sehr mühsam zu lesen. Nackidei, sei mir jetzt bitte nicht blöse, aber ich hatte dich mit deiner Argumentationkette häufiger vor meinem geistigen Aufge. Ja, nein, aber/oder doch. Dieses Gespräch zeigte mir deutlich die Haltung von einem Menschen auf, der keine deutliche Position zu ziehen vermag, also überangepasst ist. Das für mich erschreckiende ist, dass dieses die Haltung des größten Teils der sog. "schweigenden Mehrheit" ist. Eine Haltung, die sehr verstärkt in den oberen Bildungsschichten auszumachen ist.

Es gibt keine religiöse Norm, die die Nacktheit als solches verbietet. Mir ist derartiges von keiner Religion bekannt. Das Verbot der Nacktheit ist eine kulturelle Norm; eine Norm der Erziehung und Bändigung der ursprünglichen Triebe.

Wenn wir uns mit der Frage der Bedeutung und Bewertung der Nacktheit beschäftigen wollen, kommen wir nicht darum, uns die Geschichte der Nacktheit und hier insbesondere der europäischen Nacktheit zu beschäftigen. Wir werden dann sehen und erkennen, dass die Nacktheit als Nacktheit sehr unterschiedlich bewertet wurde. Und es ist sogar zu sehen, dass die Mode und hier denke ich insbesondere an die Kleidung der Landskneckte im 30-jährigen Krieg, eine "textile Nacktheit" hervor brachte. Im Augenblick kennen wir ja auch Textilien, die die Nacktheit des Menschen trotz der textilen Bedeckung herausstellen sollen.

@ guenni
Eule hat geschrieben:
Die Frage würde ich für mich anders formulieren. Nämlich so: "Warum unbekleidet und nackt nicht dasselbe ist". Beim Unbekleidet-Sein trägt der entsprechende Körper lediglich keine Kleidung. Wenn man es sehr streng nimmt, auch keinen Körperschmuck. Beim Nackt-Sein fehlt nicht nur die Kleidung, sondern diese Nacktheit will etwas bestimmtes ausdrücken, so z. B. Armut, will sexuelle Impulse auslösen, ein Ungeschützt-Sein.
und woran erkennt der betrachter das? für den macht es keinen unterschied.
Das ist nicht so schwierig, wie du dieses vermutest. Der Körper als Körper spricht und aus dieser Körpersprache, die über alle Kulturen der Menschen hinweg gleich ist, kannst du die unterschiedlichen Informationen erhalten.

Das von Bummler dankenswerter Weise hier eingestellte Interview mit dem Amtsrichter Schleef zeigt deutlich, dass neben der straf- oder ordnungsrechtlichen Sicht es den Begriff der Scham und Moral gibt, wobei sie diese beiden letztgenannten Begriffe nicht kompeltt decken. Der § 118 OWiG Abs. 1 lautet: "Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen." Und jetzt fangen die Probleme erst richtig an. Ist eine "einfache Nacktheit", also ein sich in der Öffentlichkeit ohne Kleidung bewegen, eine grob ungehörige Handlung? Das es in unserer Gesellschaft größtenteils als ungehörig angesehen wird, dürfte unstrittig sein. Aber ist dieses grob ungehörig und und in der Lage, die Öffentlichkeit zu belästigen? Kann hierdurch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgelöst werden? Und wenn ja, welche und wie? Und wird die öffentliche Ordnung dadurch beeintächtigt? Die Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung muss gegeben sein, um den § 118 OWiG anwenden zu können! pistola hat ja schon im alten Forum darüber berichtet, welche leidvolle Erfahrungen er diesbezüglich mit der Justiz hatte.

Sobald sexuelle Interessen, gleich welcher Art, ins Spiel kommen, dürfte die Frage des § 118 OWiG unbestritten zur Anwendung kommen, wenn nicht der § 120 OWiG schon greift.

Zusammenfassen kann ich für mich nur feststellen, dass der § 118 OWiG für die "einfache Nacktheit", also das so-Sein, keine Grundlage bildet um gegen diese Nacktheit vorzugehen. Es gibt spezielle Orte wo bestimmte Vorschriften greifen und der § 118 OWiG nur eine Erläuterungsfunktion haben kann.

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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Puistola » Do 21. Jan 2016, 21:43

Eule hat geschrieben: Der § 118 OWiG Abs. 1 lautet: "Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen." Und jetzt fangen die Probleme erst richtig an.

pistola hat ja schon im alten Forum darüber berichtet, welche leidvolle Erfahrungen er diesbezüglich mit der Justiz hatte.


Nein Eule, das Problem fängt nicht mit der Formulierung von OWiG §118 an,
sondern ist damit beendet. Wenn der Gesetzgeber will, dass Nacktheit geahndet
werde, und mit diesem "Problem" schlägt man sich seit Jahrhunderten rum,
kann er das ins Gesetz schreiben, etwa als Verhüllungsgebot oder ganz simpel
mit der Forderung nach Bedeckung dieser und jener Körperteile.
In Manchen Ländern ist damit ne Burka gemeint, in Appenzell wiederum glaubt
alt-Bundesrichter Mathys, ein ebensolches Arschloch wie Schleef, in einem
Urteil schreiben zu müssen :

Der Mensch, der unterwegs ist, trägt mindestens ein Kleidungsstück,
welches den Intimbereich bedeckt.

He! wo steht die Definition von Intimbereich geschrieben!?
Aber das steht gerade nicht im kandonalen Gesetz, dort ist völlig unjustitiabel
von grob unanständigem Behehmen die Rede (Rosa Anzug auf Beerdigung,
Wäscheaufhängen am Sonntag, ...?)


Im übrigen bitte ich auch Dich, Eule, endlich mal zur Kenntnis zu nehmen,
dass ich NIE "diesbezügliche Erfahrungen" mit der Justiz hatte. Im Gegenteil,
ich hatte Petrullo vor dem Kantonsgericht vertreten und dabei einen glasklaren
Freispruch erwirkt. Dass der schlussendlich höchstrichterlich aufgehoben
wurde, ist nicht meine Angelegenheit. Petrullo war dort von einem der profiliertesten
Anwälte des Landes vertreten.

Guck im alten Forum, Suchwort 'chrecht'


Gruss
Puistola,
immer noch mit 'ui' und auch so zu sprechen, mit der Betonung auf 'u',
'i' als eigene Silbe und kurzem 'o'.

 
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Re: Warum nackt und nackt nicht dasselbe sind

Beitrag von Eule » Do 21. Jan 2016, 22:33

@ Puistola
Warum so bös mit mir? Ich hatte einen Beitrag so in Erinnerung, dass du davon persönlich betroffen warst. Gut, da hat mich meine Erinnerung wohl getäuscht.

Nein Eule, das Problem fängt nicht mit der Formulierung von OWiG §118 an, sondern ist damit beendet.
Ich hatte gedacht, dass diese meine Erläuterungen zum § 118 OWiG die Problemstellung deutlich werden ließ. Auch denke ich, dass meine Meinung, dass der § 118 OWiG nicht greifen kann, deutlich formuliert war. Weil der § 118 OWiG nicht greift, kann dieser auch nicht das von dir empfundene Ende sein. Der § 118 OWiG verpufft wirkungslos. Ich weiß, manchmal muss man gewissen Menschen deutlich machen, dass der § 118 OWiG nicht für jeden Sch.... mißbraucht werden kann und darf.

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