Eule hat geschrieben:Die Nacktheit als solches spielt in der Geschichte der FKK nur eine untergeordnete Rolle.
Echt? Hast du schon vergessen, was Puistola immer wieder gesagt hat? „FKK ist ohne Höschen.“ Das finde ich als die kürzeste und treffendste Beschreibung, denn nichts symbolisiert mehr die FKK als Menschen auf einem FKK-Strand oder auf einem FKK-Camping, die sich beim aufkommenden Wind obenherum anziehen, untenherum aber blank bleiben; würden sie auch untenherum was anziehen, gäbe es keinen Unterschied zum Textilstrand, was natürlich nicht sein darf.
Will sagen: Nicht die wissenschaftliche oder sonstige theoretische Definition der FKK ist wichtig, sondern das, was Menschen daraus umsetzen und tun.
Eule hat geschrieben:Die Nacktheit als solches steht nicht im Fokus, sie ist nur eine der möglichen Konsequenzen.
Nein, die Nacktheit als solches ist auf FKK-Geländen ein Muss. Oder anders gesagt: Ohne vollkommender Nacktheit der Menschen auf einem FKK-Strand wird dieser zum Textil-Strand.
Eule hat geschrieben:Die FKK steht nicht in einem Konflikt mit dem moralischen Anspruch der Gesellschaft. Die bürgerlichen, religiösen und/oder humanistischen Werte und Moralvorstellungen werden durch die FKK nicht infrage gestellt. Diese bürgerlichen, religiösen und/oder humanistischen Werte und Moralvorstellungen werden durch die FKK von einem Ballast befreit, welcher den Blick auf diese Werte versperrt oder gar verzerrt.
Indem die FKK-ler den moralischen Anspruch der Gesellschaft für sich nicht akzeptieren, stellen sie diesen infrage, sind also im Konflikt mit ihr. Man kann natürlich sagen, die FKK versuche die Gesellschaft durch ihr Beispiel von dem moralischen Ballast zu befreien, aber Fakt ist, sie stellt sich damit außerhalb dieser Gesellschaft: FKK-ler werden zu Exoten, die toleriert werden, solange sie nicht versuchen, größere öffentliche Räume zu besetzen – die Gerichtsurteile gegen Nacktradlerdemonstrationen sprechen eine deutliche Sprache.
Eule hat geschrieben:Welches Ziel verfolgt die FKK? Wann wurde dieses Ziel zum ersten Male formuliert? Und wann erfolgte die Umsetzung dieser Zielvorstellung? Wenn ich mir nun die Beiträge in diesem Thread unter den vorgenannten Fragen ansehe, so muss ich feststellen, dass diese Fragen nicht behandelt und daher auch nicht beantwortet wurden.
Das kannst du in Wikipedia nachlesen. In diesem Thread geht es um die Geschichte der FKK, d.h. was hat wer wann wie gesagt oder getan, um die Idee der FKK voranzubringen oder eben diese zu verhindern.
Eule hat geschrieben:Auch ist es mir nicht möglich, aus den Beiträgen in diesem Thread die Vorstellungswelt, die Ideen und das Konzept eines Adolf Koch heraus entwickeln und darstellen zu können.
Natürlich nicht, denn darüber ist in diesem Faden kaum gesprochen worden. Es steht dir aber frei, dies hier nachzuholen.
Eule hat geschrieben:Dabei dürfte hier ein Konsens darüber bestehen, dass Adolf Koch die Idee der FKK so umsetzte, wie sie dem Ursprungsgedanken entsprach und heute noch ihre Gültigkeit hat.
Es gab nicht einen Ursprungsgedanken, sondern deren viele. FKK entstand aus Naturheilbewegung (Rickli), Bodenreformbewegung, Vegetarismus, Kleider- und Ernährungsreform (Pudor) und auch Frauenbewegung. Man kann all diese Bewegungen unter dem Begriff Lebensreformbewegung zusammenfassen. Sie alle waren zunächst bürgerlichen und kleinbürgerlicher Natur und ziemlich idealistisch: Die Lebensreform verstand sich als Selbstreform. Nacktkultur war eine der radikalsten Bewegungen, stand bei ihr der Körper, zumal der nackte Körper im Mittelpunkt: Befreiung aus den Zwängen der Kleidung und gleichzeitig auch aus den Zwängen der Kultur, sprich der Prüderie, doppelter Moral und falscher Scham. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander sollte von den überkommenden Zwängen befreit werden, die Hinwendung zur Natur, d.h. zum natürlichen Leben ohne Drogen, etc. Abhärtung, sportliche Fitness, Körpertraining und -kontrolle waren wichtig und dienten zur Legitimierung der Nacktheit: Man könne nur am nackten Körper sehen, wo es hapert – daher Nacktgymnastik. Dabei spielte auch Ästhetik eine wichtige Rolle (Diefenbach, Fidus).
Diese Bewegungen waren naturphilosophisch beeinflusst, doch die Begründung lag im medizinisch-hygienischen-funktionalen Bereich. Und: Nur in der Nacktheit liege die echte Sittlichkeit, die Kleidung aber ist unsittlich, weil sie Begehren wecke (Pudor). Diese Umkehrung der bisherigen Sichtweise zielte auf gesellschaftliche Anerkennung, man wollte nicht Außenseiter sein, sondern Elite.
Entsprechend waren der Mittelstand und das Bildungsbürgertum davon begeistert. So entstanden Zeitschriften „Kraft und Schönheit“ (1901) und „Schönheit“ (1903), die nicht nur der Nacktheit das Wort redeten, sondern auch allgemein über Schönheit, Kunst, Kleidung, Wohnungseinrichtung und Lebensgenuss berichteten. Es entstanden „Wissenschaftliche Nacktloge A.N.N.A“, die „Aristokratische Nudo-Natio-Allianz“ mit „Mitgliedern unter dem Geburts- und Geistesadel“: Die „schöne“ aristokratische Nacktheit stand da gegen die angenommene Hässlichkeit des Proletariats.
Der Herausgeber der „Schönheit“ Vanselow gründete 1905 „Vereinigung für Sexualreform“ mit den Zeitschriften „Sexualreform“ und „Geschlecht und Gesellschaft“, in denen dann Sexualwissenschaftler Fragen der Leser beantworteten. Um Bilder lebenden nackten Menschen veröffentlichen zu können, führte Vanselow aus 2 Musterprozesse, die er gewann und damit auch anderen Zeitschriften den Weg ebnete.
Doch dabei blieb es nicht, bald haben die schönen Griechen als Vorbilder ausgedient – weil Südländer und damit nicht arisch. Richard Ungewitter verdammte das, denn für ihn zählten nur noch die nordisch-germanische Rasse, äußerlich zu erkennen am hohen Wuchs, blonden Haaren und Blauen Augen. Er bemühte sich, Nacktheit zu enterotisieren, indem er sagte, wer sich einen nackten Körper ohne den erotischen Zweck nicht vorstellen kann, der sei moralisch minderwertig. Vielmehr müsse der „Verfall der Volkskraft“ durch „planmäßige Züchtung, schöner, rassereiner, gesunder Menschen“ aufgehalten werden (1907). Er war Vegetarier, Antialkoholiker und rauchte nicht, liebte aber Abhärtung und körperliche Ertüchtigung. Seine Verhaltensregeln wurden zum Vorbild einer in FKK-Kreisen weit verbreiteten asketischen Moral.
Die Angst davor, irgendwelcher erotischen Interessen beschuldigt zu werden, führte dazu, die propagierte Freiheit der Nacktheit mit einem Schutzwall von Vorschriften und Verhaltensmaßregeln zu umgeben, die der FKK das Etikett der Prüderie einbrachten, obwohl gerade die Prüderie des 19. Jahrhunderts eines der ersten ideologischen Angriffsziele der FKK war.
Später wurden diese Regeln zwar abgeschwächt, aber der Ruf, prüde zu sein, hat sich bis heute erhalten.
Dennoch, die FKK wurde ausschließlich von Männern ins Leben gerufen und entsprechend sahen auch ihre Zeitschriften aus: Sie wurden dominiert von Bildern weiblicher Nacktheit, was sich wie nebenbei auch förderlich auf deren Absatz auswirkte.
Das war jetzt ein kurzer Abriss zur Entwicklung der FKK-Bewegung bis zum I. Weltkrieg.