von BOeinNackter » Di 15. Mär 2022, 15:45
Vor einigen Seiten hatte ich mal angemerkt, dass sicher niemand ein FKK-Gelände betritt, nur um nackt zu sein. Es war etwas überspitzt gemeint. Wer dorthin ging oder geht, möchte dort vielleicht schwimmen, sonnen, Grillwürste essen oder Blumen gießen.
Sicher ist es nicht das, was man als eigentlichen Gehalt von FKK und Naturismus preist, aber alle diese Beschäftigungen können auch bekleidet stattfinden. Es könnte sich natürlich auch um vegetarisches Essen und irgendeine Naturschutzaktivität handeln. Nacktheit macht den Unterschied.
Natürlich haben die Begriffe, FKK und Naturismus, ihre Geschichte und die hat in beiden Fällen mit einer Verbindung mit der Lebensreform und anderer Bewegungen zurück zur Natur, zu tun, bei der Nacktheit vielfältige Rollen spielte.
Auch wenn wir nichts mehr darüber erfahren können, was Menschen dazu bewegte, Orte aufzusuchen, an denen sie nackt sein konnten, sollten wir dieses Nichtwissen bei der Beschäftigung mit der Geschichte, mitdenken. Bei dem, was geschrieben wurde sollten wir sehr kritisch betrachten, aus welchen Gründen das eine oder andere zu Papier gebracht wurde. Sicher können wir auch die Verbreitung und Beachtung von Schriften einbeziehen. Wir werden nur wenig dazu erfahren, ob nur die Bilder angesehen wurden oder ob auch einiges gelesen wurde. Immerhin wurde manches zitiert. Es bleibt aber meine Vermutung, dass man entweder erklären wollte, warum man gern nackt war, es rechtfertigen wollte oder glaubte, die Nacktheit sei für irgendwas nützlich. Es ging auch immer um Regeln, mit denen man die die reine, sittliche Nacktheit hervorbringen wollte.
Ich war und bin ein Fan von Adolf Koch. Er ragt aus den anderen Pionieren der FKK heraus. Er war Sozialdemokrat und arbeitete mit Menschen der niederen sozialen Schichten. Er propagierte die gemeinsame nackte Bewegung von Frauen, Männern und Kindern. Teilweise war es eine freie, tänzerisch kreative Bewegung. Er war Schüler einer der Atem- und Leibpädagoginnen, Anna Müller-Herrmann in Berlin, mit zahlreichen Beziehungen zu den zahlrechen Lehrenden in der Umgebung. Seine Lehrerin hatte enge Beziehungen zu den Gründerinnen von Loheland und so sicher zu einem umfangreichen Netzwerk. Meist waren es Schulen von Frauen für Frauen und Grundlage war oft die Gymnastik für Frauen, von Bess Mensendiek, die in der Regel nackt geübt wurde. Wie man an Adolf Koch sieht, gab es hier und da auch Männer in solchen Schulen. Tatsächlich fanden die Schulen unter männlicher Leitung viel Beachtung und hatten großen Einfluss. So hat Adolf Koch sich auch mit dem einflussreichen Gymnastiklehrer Rudolf Bode auseinandergesetzt, an dem man damals kaum vorbei kam und der die weiblichen Schulen verachtete.
Adolf Koch arbeitete in seinen Instituten mit mehreren Frauen zusammen. Seine Lebenspartnerin, Ilka Dieball hatte wohl auch eine gymnastische oder/und tänzerische Ausbildung. Fotos von Gerhard Riebicke auf denen sie aber auch TänzerInnen der Laban-Schülerin Herta Feist, in einer Landschaft an der Havel zu sehen sind, legen so etwas nahe. Konkretes dazu habe ich noch nicht gefunden. Es ist typisch, dass man so wenig von diesen Frauen erfährt, obwohl sie vielleicht einen gewissen Anteil an der Arbeit von Adolf Koch hatten. Diese Frauen konnten alle schreiben und waren relativ gebildet. Geschrieben hat aber aus diesem Kreis nur Koch.
Auf der anderen Seite war Adolf Koch ein Vertreter der Lebensreform, u.a. mit seiner Suche nach dem neuen Menschen. Er hatte dazu keine so festgelegten Vorstellungen, wie andere. Er wollte Menschen dazu stärken, selbst neue Wege zu finden. Diese Offenheit ist auch etwas Besonders in der Zeit. In vielen Fragen hatte aber auch er sehr feste Vorstellungen, die heute antquiert wirken.
Interessant finde ich, dass heute manche wieder den Nackttanzskandal zum Anlass nehmen, ihn wegen solcher Beschäftigung mit Kindern zu kritisieren. Wenig beachtet ist seine Zusammenarbeit mit Magnus Hirschfeld und anderen Vertetern sexualreformerischer Ideen. Seine Aussagen in dieser Richtung sind durch diese Kontakte geprägt.
Eine heute erschütternde Sache ist, dass so viele Sexualreformer, auch die aus Adolf Kochs Umgebung, sich für Eugenik engagierten.
Nach dem Krieg sind für mich, vor allem, seine Auseinandersetzungen mit dem DFK interessant.
Ich finde Geschichte interessant, mag aber kene Heldenverehrung und möchte auch keinem Adolf Koch auf einen Sockel heben und seinen Ideen folgen. Heute sollten die Menschen, die gern nackt sind, ihre eigenen, vielleicht ganz neuen Wege suchen.