@ Aria
Schon in den ersten Semestern der Theologie wird gelehrt, dass man das meiste von dem, was in der Bibel steht, vergessen sollte, weil das Menschenwerk sei.
Kannst du diese Aussage belegen? Oder hast du hier etwas missverstanden?
Das Problem der katholischen Priester ist es, dass sie mit dem Empfang des Ornats ihre Sexualität nicht abgeben, sondern sie nur noch heimlich ausleben können.
Diesen Satz kann ich voll und ganz unterschreiben.
Sie wähnen sich außerhalb der Gesetze und sie sind es vielfach auch, dank der historischen Gesetzgebung und der Verträge, die der Kirche Privilegien zusichern, die sonst niemand im Staat besitzt.
Mir ist ein entsprechender Passus im Konkordat nicht bekannt. Kannst du mir diesen benennen?
Es bleibt abzuwarten, ob es den vielen Worten auch Taten folgen werden, oder ob es den konservativen Kräften innerhalb der Kirche, die es zahlreich vor allem außerhalb Europas gibt, gelingt, das Rad der Geschichte wieder zurückdrehen, sobald sich die derzeitige Aufregung etwas legt.
Wir hatten gehofft, dass mit dem II. Vatikanum dieses Problem einer Lösung zugeführt werden würde. Jetzt scheint die Zeit dafür reif zu sein. Der innerkirchliche Kampf geht diesbezüglich weiter und wird zumindest in Europa nicht mehr so schnell abgewürgt werden können.
Das ganze Gerede über die unreife Sexualität und Ähnlichem kann man sich schenken, denn das spielt keine Rolle, wenn es das Machtgefälle zwischen Täter und Opfer nicht gibt.
Aria, ich habe dir schon x-mal gesagt, dass du beide Seiten einer Problemlage sehen musst. Du scheinst dich hier nur auf die Sichtweise der Opfer zu fokussieren. Aber so kannst du das Problem nicht nachhaltig lösen. Weiter leite ich aus diesem deinen Satz ab, dass du keinerlei Erfahrungen mit der Arbeit mit den Tätern hast und dir nicht vorstellen kannst, wie dort die Problemlage aussieht. Die Arbeit mit den Tätern und das Sehen ihrer Problemlage ist nicht dazu geeignet, deren schändliches Tun zu entschuldigen oder zu relativieren.
Es ist ein Fakt, dass ein potentieller Täter ohne die Macht, einen sexuellen Übergriff auch real durchzuführen, sein Ansinnen vergessen kann.
Diesem deinem Faktendenken fehlt das Wissen um die Realität bei den Tätern. Wenn dieser Fakt so zutreffen würde, wie du ihn hier beschreibst, dann hätten wir mehr als die Hälfte der Missbrauchsfälle nicht.
Eule hat geschrieben:
Ich halte also die Machtfrage aus der Sicht der Täter nicht für das primäre Problem, sondern für ein sekundäres.
Ich sehe es gerade umgekehrt: Ein potentieller Täter kann sich aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur sein ganzes Leben wünschen, Sex mit jemand zu haben, aber wenn sich die Gelegenheit nicht ergibt oder er die gewünschte Situation aufgrund seiner Machtlosigkeit nicht herbeiführen kann, wird daraus nichts. Die Machtfrage ist also entscheidend.
Es wäre schön und für die Therapie sehr hilfreich, wenn diese deine Annahme zutreffen würde. Bei dir fehlt völlig das Wissen und Denken über die Struktur eines Triebhandelns bei einer unerfüllten oder labilen bzw. nicht ausgereiften Persönlichkeitsstruktur. Hast du dir schon mal die Frage gestellt, wie man sich seinen Sexualpartner sucht, welche Interessen und welche Anforderungen auf welchem Niveau dort eine Rolle spielen? Wie gesagt, du kannst hier beim Täter nicht von einer erwachsenen, ausgereiften und souveränen Persönlichkeit ausgehen.
Eule hat geschrieben:
Aria hat geschrieben:Bevor hier jemand wieder eine Gegenrede oder Relativierung startet – mit oder ohne Hinweis auf meine antireligiöse Einstellung, die oft nur dazu dient, meinen Argumenten die Wucht zu nehmen –, sollte sich die 43 Minuten Zeit für das genannte Gespräch nehmen. Denn das, was Doris Wagner passierte, ist kein Einzelfall – es scheint geradezu die Regel zu sein.
Das Problem an sich ist auch kein religiöses Problem, auch wenn dieses jetzt gerade und Gott-sei-Dank in der kath. Kirche hochkocht.
Es ist ein religiöses Problem, weil diese Kirche den sexuellen Missbrauch aufgrund des Zölibats geradezu heraufbeschwört und gleichzeitig wegen ihren Anspruchs, die moralische Instanz auf Erden zu sein, gezwungen ist, alles zu unternehmen, dass sexuelle Übertretungen ihres Personals nicht bekannt werden.
Wenn dieses ein religiöses Problem wäre, dann zeige mir bitte die Stelle auf, von der du dieses als religiöse Aussage ableiten kannst. Eine Tat, auch eine Straftat, wird nicht dadurch zu einer religiösen Tat, wenn ein Be3diensteter oder Funktionsträger einer Religionsgemeinschaft diese ausführt.
Eule hat geschrieben:
Aria hat geschrieben:Das illustriert folgende, im Buch beschriebene Szene sehr gut: Als Doris Wagner sich an ihre Oberin wandte, schien diese nicht überrascht, sagte nur, ja, die [Priester] brauchen das [gemeint ist: Sex]. Die Schuld für das, was passierte, wurde natürlich der jungen Nonne gegeben [sie hätte dem Priester schöne Augen gemacht], und eine der ersten Fragen der Oberin war: Habt ihr wenigstens verhütet?
Nun, ich könnte hier noch viel schärfere und schlimmere Aussagen anfügen. Aber es beschreibt nur das Ausmaß des Fehlverhaltens von Funktionsträgern innerhalb der kath. Kirche.
Es beschreibt nur das Ausmaß des Fehlverhaltens von Funktionsträgern?
Ja, was denn sonst?
Willst du damit wieder die alte Leier von Einzeltätern zum Besten geben?
Ich wüsste nicht, dass ich dieses getan habe.
Nein, diese Dinge sind systemimmanent.
Hier stimme ich mit dir völlig überein, dass hier systemimmanente Faktoren begünstigend gewirkt haben und wirken. Diese gilt es abzustellen.
Wem glaubte man mehr - einem Kind oder einem Priester?
Ein Kind ist nicht unglaubwürdig, weil es ein Kind ist. Ein Priester ist nicht deswegen glaubwürdig, weil er ein Priester ist. Aus meiner Arbeit in der Strafrechtspflege kenne ich die Aussagen von Opfern und von Tätern, die zuerst einmal natürlich jegliche Schuld von sich abweisen. Ich weiß schon, wie ich solche Ausflüchte und Verweigerung der Übernahme der eigenen Verantwortung bei Tätern knacken muss.
Du meinst die katholischen Laien sollen Druck ausüben?
Ja, wer denn sonst? Die Laien innerhalb der Kirche haben eine viel größeren Handlungsspielraum, als Personen, die von außen hier Druck ausüben wollen.
Dass ich nicht lache: Laien sind zahnlos, was sie sagen wird zwar gehört, aber anschließend gleich zu den Akten gelegt.
Das war mal so. Jetzt geht dieses nicht mehr.
Nein, das Ganze kam erst ins Rollen, seitdem sich Staatsanwaltschaften dafür interessieren, was in den Einrichtungen der katholischen Kirche vor sich geht.
Und wer hat die Staatsanwaltschaft informiert?
Eule hat geschrieben:
Aria hat geschrieben:
Es herrsche in Klostergemeinschaften große Angst vor Schwangerschaften, und wenn es doch passiert, wird in kircheneigenen Kliniken abgetrieben, ob die betroffenen Nonnen dies wollen oder nicht: Das Ansehen der katholischen Kirche hat immer Vorrang.
ja, so war es in der Vergangenheit und dieses soll zukünftig so nicht mehr möglich sein. Darum geht auch dieser von mir beschriebene Kampf innerhalb der kath. Kirche, der natürlich nicht grundsätzlich in der Öffentlichkeit ausgetragen werden kann, wenn man sein Ziel erreichen will.
Mir erschließt sich nicht, warum man das alles nicht in der Öffentlichkeit austragen soll, schließlich sind wir alle vor dem Gesetz gleich.
Du kannst nicht alle und insbesondere diese sensiblen Problemlagen auf den Markt der Öffentlichkeit austragen. Dieses geschah ja auch nicht bei den Problemlagen außerhalb der kirchlichen Einrichtungen. Da wir alle vor dem Gesetz gleich sind, haben Straftäter aus dem kirchlichen Raum die gleichen Rechte und Pflichten, wie die Straftäter aus dem profanen Raum.
Eule hat geschrieben:
Aber wir sollten uns jetzt wieder dem Thema dieses Threads stellen, der lautet: Die Unterscheidung zwischen Nacktheit und Sexualität.
Ich würde sagen: Das Thema des Threads ist ausdiskutiert. Und zwar mit dem Ergebnis, dass wir alle bei unseren anfänglichen Standpunkten geblieben sind.
Das denke ich nicht. Denn ich habe von dir noch keine schlüssige Argumentation gehört, warum die Nacktheit mit der Sexualität fest verbunden ist. Die Aussage, dass dieses die meisten Menschen so sehen würden, ist kein schlüssiges Argument, weil es hier nicht um eine Mehrheitsmeinung geht, es geht hier um eine sachliche Aussage. Selbst wenn du jetzt das Argument bringen würdest, dass sich dieses in unserem Prozess der Zivilisation so entwickelt habe, müsste ich sagen, dass so ein Argument sachlich nicht stimmt. Es gibt viele Faktoren, die sich in dem langen Prozess der Zivilisation gebildet haben und sich heute als nicht zutreffend erweisen. Mir fehlt bislang von dir eine sachliche Begründung zu deiner Meinung.
Theoretisch könnten Nacktheit und Sexualität nichts Gemeinsames haben, aber praktisch habe sie es doch.
Wenn die Theorie sachlich keine Verbindung herzustellen vermag, dann besteht diese Verbindung nicht. Es gibt eine Vielzahl von sachlich gelebten Faktoren, die sich theoretisch nicht untermauern lassen und somit nicht sachlich begründet sind.
Dass gerade das seit 100 Jahren versucht und praktisch nichts erreicht wurde – sogar die einstigen Errungenschaften der FKK-Bewegung geraten immer mehr unter Druck – schreckt jemand wie Eule nicht.
Du gehst hier von der Voraussetzung aus, dass die heute vorherrschende Körperfeindlichkeit schon immer so bestanden hat. Dem ist nicht so, Schau dir die Situation in den verschiedenen Epochem der Menschheitsgeschichte mal genau an. Dann wirst du erkennen, dass es hier abwechselnd immer Phasen in die eine und andere Richtung gab. Aber ich danke dir für die Anerkennung meiner Beharrlichkeit.
Das Problem dabei ist, dass die Leute schon jetzt wissen, dass die Nacktheit ganz natürlich ist und sie sich ihrer nicht zu schämen brauchen.
Es wäre schön, wenn dem so wäre.
Aber das hindert sie nicht daran zu sagen, nackt herumzulaufen gehöre sich nicht. Weil sie das als Kind von ihren Eltern so gelernt haben.
Dieses lässt das zurzeit beobachtbare hysterische Verhalten nicht erklären. Da spielt eine weitergehende Angst vor der eigenen Ohnmacht eine große Rolle. Denn wir setzen ja nicht alles im Verhältnis 1:1 um, was wir von unseren Eltern gelernt haben.
Und selbst diejenigen, die von ihren Eltern gesagt bekamen, der Nacktheit brauche man sich nicht zu schämen, gehen vielfach nicht mal mehr zum FKK-Baden.
Hast du hier eine Erklärung, warum dieses so ist?
Angeblich weil da Fotografen lauern und sie dann ihre Bilder womöglich im Internet wiederfinden würden, was ihnen peinlich wäre.
Ja, das ist die am Häufigsten genannte Angst. Ich glaube jedoch, da steckt mehr dahinter.
Was die Frage aufwirft, ob sie sich trotz allem ihrer Nacktheit schämen.
Ich denke, nicht.
Nur im abgegrenzten Gebieten und unter Gleichgesinnten, da schämt man sich nicht.
Ja, so sehe ich dieses auch. Aber wo liegt hier der Schutzfaktor, der außerhalb dieses geschützten Bereichs nicht vorhanden ist? Dieses kann doch keine moralische Frage sein!
Wir sind immer noch da, wo wir schon vor 100 Jahren waren.
Das sehe ich nicht so, wir haben einen kleinen Schritt nach vorne getan.