@ Aria
Herzlichen Dank für deinen umfassenden und sachlichen Beitrag. Ich empfinde dieses ausgesprochen gut, auch wenn ich in vielen Punkten mit dir nicht überein stimme.
Eule hat geschrieben:
Aria hat geschrieben:
Schon in den ersten Semestern der Theologie wird gelehrt, dass man das meiste von dem, was in der Bibel steht, vergessen sollte, weil das Menschenwerk sei.
Kannst du diese Aussage belegen?
Das sagte mir ein Priester und Professor der Theologie in Regensburg, der mit einer Freundin von mir verkehrte, aber das nur in München tun konnte.
Ja Aria, ich habe auch den verlinkten Beitrag mal quer gelesen. Meine Vermutung hat sich bestätigt, in dem du hier etwas missverstanden hast. Natürlich wurden die Evangelien weit nach dem Tode von Christus geschrieben. Natürlich waren die Schreiber Menschen, von denen keiner, so ist mein Wissensstand, Christus in Person erlebt hat. Es gibt im Neuen Testament keine gesicherten wörtlichen Aussagen von Jesus. Bei einigen, und dieses sind dann sehr scharfe Worte, wird dieses vermutet. Auch gilt es hier festzuhalten, dass es neben den vier Evangelien weitere gab, die jedoch wegen mangelnder Übereinstimmung nicht mit in den Canon aufgenommen wurden. Soweit, so gut.
Die Evangelien und die Apostelgeschichte wurde erst einmal mündlich weitergegeben, bevor diese schriftlich niedergelegt wurden. Und mit der mündlichen Übermittlung können sich kleinere Veränderungen eingeführt haben. Darum sind die vier anerkannten Evangelien auch nicht in allen Aussagen wörtlich deckungsgleich. Dieses wurde uns schon weit vor dem II. Vatikanum in der Schule so vermittelt. Daraus ergibt sich jedoch kein Problem bezüglich der Glaubwürdigkeit der Aussagen im Neuen Testament. Wenn man weiß, wie im Orient Geschichten und selbst bei uns bis in die Neuzeit hinein, erzählt wurden und werden, dann weiß man, dass es hier auf den Aussageninhalt der Geschichte ankommt und nicht auf das Wort als wörtliche Übertragung. In der Exegese wird also immer gefragt, welchen Inhalt, welche Botschaft liegt dem Text zugrunde und wie übertrage ich diesen Inhalt, diese Botschaft in die heutige Welt. Und wenn Pastöre, ja diese soll es auch noch heute geben, den Test eines Evangeliums wörtlich auslegen, so verlassen sie den wissenschaftlichen Rahmen der Theologie.
Dein Ausspruch: "... dass man das meiste von dem, was in der Bibel steht, vergessen sollte, weil das Menschenwerk sei. " ist also so zu verstehen, dass man die Bibeltexte nicht wörtlich nehmen kann und darf, sondern dass man hier stets nach den Regeln der Exegese erst den Sinn, die Botschaft dieses Textes ergründen muss, um dann diese Aussage, diese Botschaft und diesen Sinn in die Worte und Begriffswelt der heutigen Zeit übertragen muss. Somit hast du entweder die Aussage des Theologieprofessors nur halb verstanden oder dieser hat nur die erste Hälfte dieser Aussage gesagt, weil er davon ausging, dass die zweite Hälfte seiner Aussage allgemein bekannt sei.
Gerade mit Evangelikalen habe ich hierüber häufig sehr lange und ernste Gespräche geführt, wie denn die Bibel auszulegen sei. Denn man wolle sich ja vor einer Beliebigkeit der Auslegung schützen. Dieses Anliegen der Evangelikalen, sich vor einer beliebigen Auslegung der Bilbeltexte zu schützen, ist völlig legitim. Ihnen konnte ich stets nur dass sagen, was ich oben ausgeführt habe.
Die christlichen Kirchen dürfen ihre innere Angelegenheiten selbst regeln.
Das stimmt. Denn das Gewaltmonopol bleibt weiter beim Staat und damit bleibt der Staat für Verfolgung und Aburteilung von Straftaten alleinig zuständig.
Infolgedessen hat der deutsche Papst Benedikt XVI. verfügt, dass alle innerkirchlich bekannt gewordenen Fälle des sexuellen Missbrauchs nicht an den Staat, sondern an ihn zu übermitteln sind, wo sie lange Jahre lagen, ohne dass etwas unternommen wurde.
Hier habe ich eine völlig andere Wahrnehmung. Papst Benedikt XVI hat aufgrund einer sehr traditionellen und fragwürdigen Aussage eines Kurienkardinals, als dieser sagte, die Aufregung wegen der Kindesmissbräuche würde sich in Deutschland wieder legen, verfügt, diese unverzüglich an die Staatsanwaltschaft zur Untersuchung und ggf. Klageerhebung weiter zu leiten.
Es wird immer Menschen mit unreifer Sexualität oder sonstigen psychischen Defiziten geben.
Hier stimme ich mit dir völlig überein. Die Gefahr eines sexuellen Missbrauches durch Menschen mit einer unreifen Sexualentwicklung wird ebenfalls zukünftig weiter bestehen. Wir müssen hier nur eine Sensibilität hierfür entwicklen, um solche Handlungsweisen so früh wie eben möglich zu erkennen und abzustellen.
Aber das sind nur wenige und die lassen sich mehrheitlich nur aus einem Grund behandeln: Sie wollen nicht im Knast landen.
Diese deine Aussage deckt sich nicht mit meinen beruflichen Erfahrungen. Aber es spielt schließlich keine Rolle, weswegen einer/eine eine Therapie beginnt. Es kommt nur darauf an, dass dieser nicht mehr rückfällig wird.
Die Zahl derer, die sich zum Zölibat verpflichtet haben, ist unter dem Kirchenpersonal überproportional an den Sexualdelikten vertreten.
Diese Aussage ist völlig richtig und mir schon sehr lange bekannt.
Das ist natürlich kein theologisches Problem, sondern nur ein bei der katholischen Variante des Christentums existierendes.
Das, was du hier sagst ist zwar nicht falsch, beschreibt jedoch nicht das vorliegende Problem. Es handelt sich hier um ein systemisches Problem innerhalb der kath. Kirche. Dieses liegt am Zölibat. Nicht dass das Zölibat die Ursache dieses Problems sei. Sondern gerade viele junge Männer, die sich vor ihrer unreifen Sexualentwicklung schützen wollen, nutzen das Zölibat als ein Schutzmechanismus. Dieser Schutzmechanismus ist jedoch untauglich und viele leitende Theologen haben gehofft, dass das II. Vatikanum das Pflichtzölibat aufhebt. Auf diesen Umstand habe ich schon 2008 in meinem Buch "Quo vadis, ecclesia? Kirche, wohin gehst Du?" hingewiesen. Also, die Problemlage bezüglich des systemischen Fehlers ist schon den Verantwortlichen innerhalb der kath. Kirche bekannt. Es ist mir nicht nachvollziehbar und ein Skandal, dass hier von der Weltkirche die notwendigen Konsequenzen noch nicht gezogen wurden.
Im Volk galt ein Priester als über jeden Zweifel erhaben, so dass Eltern ihrem eigenen Kind nicht glaubten, wenn es sagte, der hätte sie unsittlich angefasst oder Schlimmeres mit ihnen angestellt. Das ist jetzt hoffentlich vorbei.
Hier stimme ich dir voll und ganz zu. Es ist an der Reaktion des Kindes schon sehr früh zu erkennen, was Sache ist. Die Eltern sollten zukünftig wirklich mehr ihren Kindern glauben und diese Übergriffe der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung anzeigen.
Eule hat geschrieben:
Da wir alle vor dem Gesetz gleich sind, haben Straftäter aus dem kirchlichen Raum die gleichen Rechte und Pflichten, wie die Straftäter aus dem profanen Raum.
Sicher, aber das Problem bestand in dem Fakt, dass die Beschuldigten nur dann an die Staatsanwaltschaft gemeldet wurden, wenn der Papst zur Überzeugung gekommen ist, dass es wahr ist, was Kinder erzählten. Erst kürzlich hat die deutsche Bischofskonferenz beschlossen, diese Praxis zu ändern und jeden Fall sofort an die Staatsanwaltschaft zu melden.
Sorry, hier unterliegst du einem Irrtum. Die deutsche Bischofskonferenz kann nicht gegen eine Weisung des Papstes handeln. Siehe hierzu die Problemlage mit der Enzyklika "Humane vitae" sowie die Frage der Abtreibung und Schwangerschaftsberatung.
Die sachliche Aussage kannst du dir an den Hut stecken, denn gehandelt wird nach den Regeln, über die Konsens herrscht: Kinder dürfen nackt herumlaufen, weil sie noch keine Sexualität haben, Erwachsene aber nicht, weil sie sie haben.
Wenn ich mir die sachliche Argumentation und Aufklärung an den Hut stecken würde, dann wäre eine Veränderung in den Ansichten unmöglich.
Ob das sachlich falsch ist, spielt überhaupt keine Rolle – Beweis: Wir wissen seit langem, dass auch Kinder eine Sexualität haben, trotzdem wird so getan, als ob sie keine hätten. Aber selbst das ändert sich massiv, wie die Zunahme von angezogenen Kindern (unter 6 Jahren) in den Schwimmbädern zeigt.
Ich halte diese deine Beweisführung für nicht zutreffend. Hier spielt m. E. eine hysterische Angst vor einer Förderung eines Kindesmissbrauchs eine große, wenn nicht sogar die tragende, Rolle.
Eule hat geschrieben:
Aria hat geschrieben:
Dass gerade das seit 100 Jahren versucht und praktisch nichts erreicht wurde – sogar die einstigen Errungenschaften der FKK-Bewegung geraten immer mehr unter Druck – schreckt jemand wie Eule nicht.
Du gehst hier von der Voraussetzung aus, dass die heute vorherrschende Körperfeindlichkeit schon immer so bestanden hat. Dem ist nicht so, Schau dir die Situation in den verschiedenen Epochem der Menschheitsgeschichte mal genau an. Dann wirst du erkennen, dass es hier abwechselnd immer Phasen in die eine und andere Richtung gab.
Das habe ich nie bestritten und im Thread Dokumente des gesellschaftlichen Wandels die hierfür zuständigen gesellschaftlichen Mechanismen ausführlich erklärt, während du diese Wechsel lediglich als Modeerscheinungen angesehen hast und immer noch ansiehst.
Aria, ich habe deine Aussage von einer grundsätzlöichen Liberalisierung des moralischen Empfindens nach der sog. "Sexuellen Revolution" widersprochen und
nur dieses als eine vordergründige Modeerscheinung bezeichnet. Diese Meinung vertrete ich weiterhin.
Eule hat geschrieben:
Aria hat geschrieben:
Und selbst diejenigen, die von ihren Eltern gesagt bekamen, der Nacktheit brauche man sich nicht zu schämen, gehen vielfach nicht mal mehr zum FKK-Baden.
Hast du hier eine Erklärung, warum dieses so ist?
Der Mensch ist ein Opportunist, schwimmt gern mit dem Strom, weil gegen den Strom zu schwimmen anstrengender ist.
FKK und Oportunität passen nicht zusammen. FKK war stets eine Erscheinung einer Randgruppe. Die Ursache muss man also woanders suchen.
Lediglich junge Leute sind meistens unbekümmert genug, um auf die Mehrheitsmeinung, die ja die der Eltern ist, weniger bis gar nicht zu achten.
Hier folgst du stringend deiner Meinung. Ich halte diese deine Meinung jedoch nicht für zutreffend.
Die Jugend sagte, dass die Nacktheit bah ist, und als sie selbst bestimmende Rolle in der Gesellschaft übernahmen, wurde ihre Meinung zur Mehrheitsmeinung.
Dieser Satz ist für mich nicht deutlich genug. Aber die Mehrheitsmeinung folgte nach meiner Beobachtung nicht der Jugend, sondern eine hysterische Angst bezüglich der neuen Medien machte sich breit. Hier vertreten wir beide eine entgegen gesetzte Meinung.
Ob es noch weiter in die Richtung der noch größeren Verteufelung der Nacktheit gehen wird, vermag ich nicht zu sagen, aber die Geschichte zeigt uns, dass die Zeiten der Verteufelung viel länger dauerten als das Gegenteil.
Wenn auch aus einem anderen Gesichtspunkt heraus teile ich mit dir diese Frage und Sorge.
Aber die Menschen sind verschieden, was natürlich gut ist. So muss ich damit leben, dass mich Leute mich als Person vor allem dann angreifen, wenn sie keine Gegenargumente in der Sache haben.
Nein Aria. Auch wenn wir beide teilweise entgegengesetzte Meinungen und Auffassungen haben, so muss doch zwischen uns stets die Achtung der Persönlichkeit des Gegenübers herrschen. So wie dieses für uns gilt, so gilt dieses ebenso für andre Personen. Persönliche Verunglimpfungen und Angriffe gehören hier nicht in dieses Forum hinein. Gleichgültig, wer diesen Regelbruch vollzieht, wir sind nicht das Opfer derjenigen, die sich nicht zu benehmen wissen.