Friedjof hat geschrieben:Erfahrene und verantwortungsbewußte Alpinisten sind mit entsprechender Ausrüstung unterwegs und sichern sich entsprechend ab.
Nein: Erfahrene und verantwortungsbewußte Alpinisten wissen genau wo ihre Grenzen sind und wissen ebenso genau, wann sie sich mit dem Seil sichern müssen und wann nicht. Die Grenze dafür liegt individuell sehr verschieden und ein Bergführer würde niemals eine ihm nicht bekannte Gruppe ohne Seil ab Schwierigkeitsgrad 3 heraufführen, auch wenn es eine Tour ist, die er selbst allein spielend leicht ohne Seil bewältigt.
Mir hatte 1969 ein älterer Bergführer, der bereits Jahrzehnte lang Gruppen geführt hatte, die Regeln des freien Kletterns beigebracht (also einerseits einige sehr wichtige Sicherheitsregeln in Bezug auf die Klettertechnik und andererseits, wie man die Grenzen richtig abschätzt.) Der konnte zumindest mit seinen damaligen Erfahrungen (das heutige extrem-Freeclimbing gab es ja noch nicht) belegen, dass das Klettern mit Seil nicht grundsätzlich ungefährlicher ist, sondern nur dann, wenn sich jeder ständig so verhält, als hätte er kein Seil. Für ihn war das Seil ein Kletter-Hilfsmittel bei höheren Schwierigkeitsgraden, aber nur sehr in Grenzen ein Hilfsmittel mit dem man sich an der Wand sicherer fühlen durfte. Wenn man dich damit sicherer fühlt und deshalb anders verhält, hat man schon gegen die Wand verloren!
Er hatte da eine nicht enden wollende Liste an Unfällen mit Seil in seinen Erinnerungen, die durch leichtsinniges Verhalten verursacht worden waren (von Alpinisten mit vielen Jahren Erfahrung!), das ohne Seil so nicht vorgekommen wäre. Das Seil hilft dann eben auch nicht immer, schwere Unfälle zu vermeiden. Wie oft hat schon einer in der Dreierseilschaft die anderen mitgerissen! Also, was ich sagen will: über Leichtsinn oder nicht sollte nur einer ein Urteil fällen, der selbst mindestens denselben Schwierigkeitsgrad geklettert ist, denn weniger erfahrene Alpinisten und "Flachland-Tiroler" sehen das immer ganz anders, weil sie das Gesehene anhand des eigenen Könnens beurteilen.
Anderes Beispiel: natürlich regt sich die Bergwacht über Leute mit schlechter Ausrüstung und zu leichten Schuhen auf, aber gerade die wissen, dass man da nicht verallgemeinern kann. Als ich um die 40 und in bester Kondition war, bin ich auch manche Berge (u.a. die Zugspitze, Route Reintal - Knorrhütte) mit Joggingschuhen hinauf gelaufen und dabei weite (die nicht ganz steilen) Abschnitte gejoggt. In den letzten Jahren gibt es ja auch den Zugspitz-Berglauf. Auch die haben dabei keine schweren Wanderschuhe an. (Bitte jetzt nicht über den damaligen Erfrierungs-Unfall diskutieren - jeder nur mäßig erfahrene Alpinist weiß, dass es oben im Schnitt 18° bis 20° kälter ist, als in Garmisch - und wenn es unten 16° und leichten Regen hat ... also keine Diskussion wert).
Dennoch wäre es für einen mittel-durchschnittlich trainierten Gebirgs-Touristen leichtsinnig, mit Jogging-Schuhen genau dieselbe Strecke aufzusteigen. Das ist eben abhängig von der über Jahre trainierten Trittsicherheit. Der Begriff wird oft nur vom Gleichgewichtssinn her verstanden, was völlig falsch ist. Alpine Trittsicherheit bedeutet, dass die Muskeln und Bänder an Beinen und Füßen weit überdurchschnittlich stark trainiert und gefestigt sind. Nur dann geht das und der Läufer ist sicherer, als einer, er nur ein Mal im Jahr eine Woche lang in den Bergen die Beine anstrengt, aber hohe und schwere Bergschuhe trägt. Die große Gefahr ist immer: man sieht, was ein anderer tut und macht es ihm nach, obwohl nicht dieselben Voraussetzungen vorliegen.
Die große Gefahr sind ins besonder die vielen Aufstiegshilfen, mit denen die Leute in leichten Sommersachen und Badelatschen oder Frauen mit Stöckelschuhen auf 2000 bis 3000 m hinauffahren und dann eben nicht immer im Bergrestaurant verweilen. Dahin dürfen sie so fahren, deshalb hält sie keiner unten beim Einsteigen fest. Wenn die dann ein Stück ins Gelände gehen. wird es gefährlich und da schimpft die Bergwacht mit gutem Grund.
Das mit dem schlechten Wetter hat oft übrigens rein kommerzielle Gründe. Da hat eine Gruppe eine Tout gebucht, die Leute sind nur die eine Woche da, und der Berg- oder Schitourenführer ist auf seine Gage angewiesen, denn die verdienen nicht so besonders viel Geld. Dann wird eben bei zweifelhaftem Wetter oder Lawinengefahr die Tour trotzdem gestartet. Da kenne ich eine ganze Reihe von Beispielen, wo langjährig erfahrene Bergführer nicht in der Lage waren, mal nein zu sagen und die Gruppe ins Verderben geführt haben.