Das Gefühl, Scham genannt, ist angeboren. Aber für was man sich schämt, das ist von Kultur abhängig, in die man hineingeboren wird. Konkret: In unserer Kultur schämen sich die meisten, wenn sie von anderen (fremden) Menschen nackt (d.h. Geschlechtsteile sind nicht bedekt) gesehen werden. Menschen in Papua Neu Guinea sind in diesem Sinn für uns nackt, aber sie schämen sich dessen nicht, sondern nur, wenn sie der dünnen, nichts verdeckenden Schnur um den Bauch verlustig gehen.
Das beweist: Wofür man sich schämt bzw. zu schämen hat, ist anerzogen. In einem anderen Thread – siehe dort diesen Beitrag vom Fr 27. Feb 2015, 14:41 – habe ich aus einem Artikel zitiert, in dem beschrieben wird, wie im Jahr 1959 in einer deutschen Stadt vom Stadtrat beschlossen wurde, im öffentlichen Hallenband streng getrennte Badezeiten für Männer und Frauen einzuführen mit dem Ziel, Frivolitäten zwischen den Geschlechtern zu unterbinden. Das ging so weit, dass sogar die Familien nicht zusammen baden durften, wenn deren Kinder unterschiedlichen Geschlechts und älter als 10 Jahre waren.
Mittlerweile haben wir das in Deutschland überwunden, aber nun haben wir Menschen unter uns, die ähnlich denken wie Menschen jener Stadt im Jahr 1959. Was tun? Walter Sobchak meint, man dürfe Kinder nicht zu schamverletzenden Aktionen nötigen, und Tim pflichtet dem bei, in dem er das Grundgesetz zitiert: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“.
Übersetzt heißt das: Eltern entscheiden, was für ihre Kinder gut ist, und wenn die sagen, ihre Tochter darf nicht zusammen mit Jungs baden, dann muss das respektiert werden.
Es ist bezeichnend, dass sich Walter Sobchak und Tim vor einer eindeutigen Aussage drücken, was nun Vorrang hat: Das anerzogene Schamgefühl der Kinder oder der staatliche Auftrag, Kinder schwimmen zu lehren, damit sie später im Falle eines Falles nicht ertrinken.